Montag, 20. März 2023

Vor 20 Jahren startete der US-Angriffskrieg auf den Irak

Heute vor 20 Jahren hat die USA den Irak angegriffen. Bis zum Abzug der US-Truppen im Jahr 2011 sind - nach verschiedenen Schätzungen - zwischen 120.000 und 1 Million Menschen gestorben. Präsident Saddam Hussein wurde im Rahmen eines Schauprozesses zum Tod verurteilt und hingerichtet. US Firmen übernahmen irakische Ölfelder - und bestätigten damit den Verdacht, dass Öl einer der wichtigsten Gründe für den Angriffskrieg war. Die angeblichen Bio-Waffen von Saddam haben sich rasch als Fake erwiesen. 
Nachdem sich der Aufbau einer stabilen Nachkriegs-Ordnung als zu kompliziert erwies, verloren die USA zunehmend das Interesse am Irak. Ähnlich wie in Afghanistan oder Libyen hinterließen sie einen elenden Scherbenhaufen mit Warlords und Paramilitärs, welche die Menschen bis heute terrorisieren.  

Rana und Aqeel auf der Suche nach Frieden (Foto: Ehgartner)

Der Krieg hat die ganze arabische Welt destabilisiert. Aus den Resten des Polizei und Militärapparats von Saddam bildete sich schließlich auch noch der "Islamische Staat", der den USA weitere Vorwände lieferte, ihren "Krieg gegen den Terror" nach Gutdünken fortzusetzen und auch noch nach Syrien auszuweiten. Dass der Terror eine Eigenzüchtung war, wurde dabei geflissentlich verschwiegen. 

Eine weitere Folge des Angriffskriegs war eine bis dahin nie gesehene Flucht-Bewegung. Für Millionen Menschen waren die Lebens-Grundlagen zerstört. Bei uns im Haus haben für knapp zwei Jahre Rana und Aqeel, ein irakisches Ehepaar gewohnt, die uns in vielen Gesprächen die Gründe für ihre Flucht geschildert haben. 

Niemand in ihrem Umfeld war ein Anhänger Saddams, erzählten die beiden. Aber die Lage war stabil, das Leben gut. Rana war schwanger. Sie waren dabei eine Familie zu gründen. 

Saddam selbst war Führer der sunnitischen Baath Partei. Oberstes Prinzip war es, den Frieden zwischen den beiden großen religiösen Gruppen des Irak - zwischen Sunniten (ca 30% der Bevölkerung) und Schiiten (ca. 60% der Bevölkerung) nicht zu gefährden. Religiös motivierte, feindliche Äußerungen oder Handlungen wurden strengstens geahndet. In dem Viertel Bagdads wo Aqeel und Rana wohnten, lebten die beiden Gruppen ohne Probleme zusammen. 

Nach dem Angriff durch die USA änderte sich das massiv. Sunnitische Parteien und Organisationen wurden von den US-Militärs entmachtet, Schiiten gefördert. Es breitete sich ein enormer Hass aus. 

Den entscheidenden Anlass zur Flucht bot eine Fahrt von Aqeel zur Universität, wo der Bus von Milizen aufgehalten wurde. Die Pässe wurden kontrolliert und alle Männer mit sunnitisch klingenden Nachnamen mussten aussteigen. Aqeel hatte das Glück, dass sein Name in beiden religiösen Gruppen vorkommt. Er konnte bleiben, während die anderen Sunniten mit Waffen aus dem Bus getrieben wurden. Von seinen Mit-Studenten hat er nie wieder etwas gehört. Auf der dramatischen Flucht aus Bagdad hatte Rana in der Folge eines Verkehrsunfalls eine Fehlgeburt und verlor ihr Kind. 

Österreich erlebten Rana und Aqeel als sicheren Ort, wo sie endlich zur Ruhe kommen konnten. Sie haben rasch deutsch gelernt und sich eingelebt. Aqeel - von Beruf Lehrer - rechnete sich gute Chancen aus, dass er mit geflüchteten arabischen Kindern arbeiten, sie zweisprachig unterrichten könnte. Rana wurde wieder schwanger. Endlich wollten sie ihre Familie gründen.

Doch alle Asyl-Anträge wurden abgelehnt. Aufgenommen wurden großteils nur Syrer. Denn im Irak - so hieß es - sei es nun nicht mehr so schlimm. Rana und Aqeel wurden abgeschoben.

Sie leben heute in der Türkei. Zurück nach Bagdad zu gehen, haben sie nicht gewagt. "Das würde ich nicht lange überleben", sagte Aqeel.

Während die Nachbarstaaten sowie Europa die Folgen der Massenflucht zu bewältigen hatten, kam kaum ein Politiker der EU auf die Idee, die USA zumindest zu einer finanziellen Beteiligung an den Kosten aufzufordern. Wir stemmten das alles allein. Die Rolle der USA als Verursacher von millionenfachem Elend und Tod wurde ganz einfach unter den Tisch gekehrt.

PS: Wenn Ihnen mein Blog interessant und wichtig erscheint, freue ich mich sehr über eine Spende, die meine Arbeit unterstützt.




Informationen zu Bert Ehgartners aktuellem Film "Unter die Haut" findet Ihr auf der Webseite zum Film. Wer an einem Interview, einem Vortrag oder einer Filmvorführung mit Bert Ehgartner interessiert ist, findet alle Informationen zu den Angeboten auf seiner Homepage.

1 Kommentar:

  1. Auffallend oft verhalten sich sogenannte "Querdenker und Covidioten" ausgesprochen solidarisch zu Mitmenschen!!!
    Danke auch dafür Herr Ehgartner!
    Rudi Fluegl

    AntwortenLöschen