Der Greenpeace Aktivist Bernd Schaudinnus war
als einer der ersten ausländischen Helfer vor Ort, als im Jahr 2010 in Ungarn
ein Becken mit giftigem Rotschlamm aus der Aluminium-Produktion einstürzte. Die Katastrophe war für ihn
Anlass, die Spur aufzunehmen und sich intensiv mit dem Leichtmetall zu
befassen.
Am 21. April wurde in der Sendereihe "planet e" des ZDF ein neuer, 30 Minuten langer Film zur Problematik von Aluminium gezeigt. Er kann in der Mediathek des ZDF jederzeit angesehen werden.
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Greenpeace Aktionskoordinator Bernd Schaudinnus |
Es
war eine der größten Umweltkatastrophen Europas. Am 4. Oktober 2010 zur Mittagszeit bricht in Ungarn der Damm eines Deponiebeckens einer Aluminiumfabrik, in dem toxischer
Rotschlamm gelagert war. Die Folge: Eine meterhohe Flutwelle verwüstet
angrenzende Dörfer und die Kleinstadt Devecser.
Bernd Schaudinnus, Aktionskoordinator bei Greenpeace reist mit seinem Team sofort aus Wien an, als er von dem Unglück erfährt. "Bis dahin habe ich kaum
etwas über die Gefährlichkeit von Aluminium gewusst", sagt Schaudinnus. Er
wird Zeuge unglaublicher Szenen: „Es war wie ein Waten in Blut, die Menschen
waren vollständig uninformiert und haben mit bloßen Händen in den ätzenden
Schlamm gegriffen.“
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Istvan Benkö |
Schaudinnus
trifft den ungarischen Kameramann Istvan Benkö, dessen dramatischen Live-Bilder
von der Katastrophe damals um die Welt gegangen sind. Benkö kämpfte wochenlang um
sein Leben. Heute kann er keine Kamera mehr tragen, seine Gesundheit ist
ruiniert. Das Viertel, in dem sein Haus stand, ist heute vollkommen abgerissen.
Giftbrühe aus dem Sperrgebiet
Während
die ungarischen Behörden den Fall für beendet erklären, dringt Schaudinnus in
das Sperrgebiet unmittelbar unterhalb der Bruchstelle vor: Hier liegt der
Schutt von den abgerissenen Häusern – ohne irgendwelche
Sicherheitsvorkehrungen. Er wurde einfach auf das ehemalige Ackerland gekippt.
Mitten durch fließt ein Bach. Schaudinnus nimmt daraus eine Wasserprobe.
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Im Sperrgebiet unterhalb der Bruchstelle des ungarischen Rotschlamm-Beckens |
Die Analyse
im Umweltbundesamt Wien ergibt alarmierende Werte des toxischen Aluminiums.
Jungfische sterben bei einem Wert von 0,2 Milligramm pro Liter, erwachsene
Fische halten etwa 1,5 Milligramm aus. Hier ergibt die Analyse einen Wert von
39 Milligramm Aluminium pro Liter. Damit liegt das Wasser des Baches um das
fast 200-fache über dem Grenzwert für Trinkwasser.
„Das
geht natürlich auch ins Grundwasser. Diese Giftbrühe schädigt die Menschen und
auch die Fische bis runter in die Donau“, sagt Schaudinnus.
Bauxit aus dem Regenwald
Ungarn
war einst der größte Aluminium-Produzent Europas. Mittlerweile sind die
Konzerne weiter gezogen – etwa in den Norden Brasiliens, wo mitten im Regenwald
große Mengen von Bauxit gefunden wurden. Das einzige Erz aus dem Aluminium
profitabel erzeugt werden kann liegt hier in dicken Schichten unmittelbar unter
dem Erdboden. Vorher muss allerdings der bislang von Menschen unberührte Regenwald großflächig
abgeräumt werden. Die Gebiete gleichen Marslandschaften.
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Die Bauxitmine Trombetas im brasilianischen Regenwald |
„Wasser brennt auf der Haut wie Pfeffer“
Das
Bauxit wird anschließend gemahlen und mit Natronlauge behandelt, um die
Aluminiumanteile aus dem Erz zu lösen. Mindestens die Hälfte des
Ausgangsmaterials bleibt als unbrauchbarer Rotschlamm zurück, der als
Sondermüll auf riesige Deponien geschüttet wird.
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Silvania Maria dos Santos mit ihren Kindern |
Für
die Menschen in Brasilien, welche im Umfeld der Aluminium-Raffinerien leben,
sind die Zustände verheerend. Das Wasser in ihren Bächen und Brunnen ist kontaminiert.
„Wenn wir uns baden, beginnt der ganze Körper zu jucken und es brennt wie
Pfeffer“, sagt Silvania Maria dos Santos, welche in einer nahe gelegenen
Indio-Siedlung wohnt. „Bei den Kindern platzt die Haut auf.“
Brustkrebs Risiko durch Alu-Deos?
Bernd Schaudinnus vertieft sich in die wissenschaftliche Literatur zu Aluminium
und entdeckt, dass Alu-Verbindungen heute in den sensibelsten Lebensbereichen
eingesetzt werden. Immer mehr wissenschaftliche
Studien stützen den Verdacht, dass sie auch beim Menschen bei der Entstehung verheerender
Krankheiten wie Alzheimer oder Brustkrebs beteiligt sein könnten.
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Hebamme Eva Glave während der Brustkrebs-Therapie |
Die
Frankfurter Hebamme Eva Glave hat jahrelang intensiv Deos verwendet. Kürzlich
ist sie – im Alter von 32 Jahren – an Brustkrebs erkrankt. Erst im Nachhinein
erfährt sie von dem Risiko, dem sie sich über die Deos ausgesetzt hat: Viele
Produkte enthalten Alu-Chlor Verbindungen als Wirkstoff.
Auf
einer internationalen Konferenz im englischen Winchester trifft Schaudinnus
Wissenschaftler, die seit Jahren zu Aluminium forschen. Etwa die Onkologin
Philippa Darbre, welche zahlreiche Studien zum Risiko von Alu-haltigen
Kosmetikprodukten veröffentlicht hat. „Das Aluminium scheint in der Lage zu
sein, eine gesunde Brustzelle in eine Krebszelle umzuwandeln“, warnt sie.
Neue Krankheiten im Zeitalter des Aluminiums
Christopher
Exley, Professor für bioanorganische Chemie an der britischen Keele University
gilt in der Wissenschafts-Community als „Mr. Aluminium“. Seit 30 Jahren forscht
er zu allen Eigenheiten dieses Elements.
„Für das Leben auf der Erde ist
Aluminium so etwas wie ein Alien“, sagt Exley. „Denn über Milliarden Jahre war
es tief in der Erdkruste gefangen – in festen Verbindungen zu Silizium,
Sauerstoff und anderen Elementen.“ Erst
seit etwas mehr als hundert Jahren, erklärt Exley, beherrschen wir die Technik,
das Aluminium mit ungeheurem Einsatz an Chemie und elektrischer Energie aus der
Erde zu holen. Möglicherweise, so Exley, haben wir damit eine moderne ‚Büchse
der Pandora’ geöffnet: „Mehr als 20 Krankheiten werden heute in der
wissenschaftlichen Literatur mit Aluminium in Verbindung gebracht.“
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"Mr. Aluminium" Prof. Christopher Exley |
Bei
einigen Krankheiten ist der Zusammenhang bereits bewiesen – etwa bei der
Dialyse-Demenz, bei Anämie oder Knochenerweichung. Bei der Mehrzahl ist es derzeit
noch beim Verdacht geblieben. Die Beweise reichen nicht aus, um Aluminium
eindeutig als Verursacher zu identifizieren, erklärt Exley. Andererseits fehlen jedoch auch
eindeutige Belege für einen Freispruch des Leichtmetalls.
„Wir leben
im Zeitalter des Aluminiums und wir werden dieses Element auch nicht so schnell
wieder los“, sagt Exley. „Deshalb ist es fahrlässig, das Problem klein zu
reden, wie das von diversen Lobbys gemacht wird. Es ist unbedingt nötig,
dass wir die Forschung intensivieren und uns dem Problem endlich stellen.
Schließlich haben sich viele der mit Aluminium assoziierten Krankheiten – wie
Alzheimer, Allergien oder Autoimmunerkrankungen – in den letzten Jahrzehnten
sehr stark ausgebreitet.“