Eine Forschergruppe der Universität Rom untersuchte die Rolle von Ferritin, einem Proteinkomplex, der im Organismus als Eisenspeicher fungiert. Normalerweise. Bei Alzheimer-Patienten ist Ferritin - wie sich nun zeigte - nicht mit Eisen-, sondern vorwiegend mit Aluminium-Ionen geladen. Dieses sensationelle Entdeckung könnte gleich einige Rätsel bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit erklären.
Ferritin erfüllt bei der Mehrzahl der Lebewesen - von Bakterien über Pflanzen bis zu Tier und Mensch - die Funktion eines Eisenspeichers. Ferritine sind etwa sechs Nanometer große Proteinkomplexe und bieten Raum für bis zu 4.500 Eisen-Atome. Der Großteil des Ferritins befindet sich innerhalb der Zellen, vor allem in Leber, Milz, Knochenmark und Muskeln und wurde bisher vor allem als "eiserne Reserve" für Zeiten eines Eisenmangels angesehen. Eisen hat im Organismus zahlreiche wichtige Funktionen. Am bekanntesten ist seine Rolle bei der Erzeugung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin, der für den Transport von Sauerstoff zuständig ist. Die Eisenmangel-Anämie ist eine relativ häufige Form der Unterversorgung mit Eisen.
Ein Eisenüberschuss kann jedoch ebenso negative Folgen haben. Es gibt zahlreiche Schutzmechanismen im Organismus, welche dem möglichen toxischen Effekt von Eisen vorbeugen.
Und einer davon könnte eben die Auslagerung von zu viel Eisen im Ferritin sein, vermuteten Pasquale de Sole und seine Kollegen von der Abteilung für klinische Biochemie der katholischen Universität Rom. Ihre These: Neben seiner Rolle als Vorratsspeicher könnte Ferritin auch noch die Aufgabe haben, den Organismus generell vor einem Überschuss an toxischen Metall-Ionen zu bewahren.
Diese These stützt sich auf eine
Untersuchung an Nierenpatienten aus dem Jahr 2009, wo das italienische Forscherteam entdeckte, dass Ferritin nicht nur Eisen, sondern auch andere Metalle eingelagert hatte. Vor allem handelte es sich um Aluminium- und Zink-Ionen. "Der hohe Gehalt an Nicht-Eisen Ionen führte uns zur Erkenntnis, dass Ferritin nicht nur ein Eisenspeicher ist, sondern insgesamt als Regulator chemisch aktiver Ionen fungiert."
Blinde Passagiere am Weg ins Gehirn
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Studienleiter Pasquale de Sole (rechts) |
In zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten (z.B.
hier oder
hier) wird beschrieben, dass im Zentrum zerstörter Alzheimer Gehirne ein überraschend hoher Gehalt an Ferritin Molekülen gefunden wird. Zahlreiche Thesen wurden daraus abgeleitet, einige befassten sich mit einem möglichen toxischen Einfluss von Eisen-Atomen. Andererseits war die Anwesenheit von Ferritin im Gehirn auch wieder keine Überraschung, erfüllte Eisen doch im Gehirnstoffwechsel auch sinnvolle Funktionen.
Für de Sole und seine Kollegen eröffnete sich nun aber eine neue spannende These: Dass Aluminium bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit eine Rolle spielen könnte, wird seit den Sechziger Jahren vermutet. Denn neben dem Ferritin findet sich in Alzheimer-Gehirnen auch ein überdurchschnittlich hoher Gehalt an Aluminium-Ionen. Von Aluminium ist im Gegensatz zu Eisen jedoch kein einziger sinnvoller biochemischer Mechanismus bekannt. Stattdessen gibt es zahlreiche Beweise für dessen Toxizität, speziell auf Nervengewebe.
Was wäre nun, so die Ausgangsfrage der italienischen Wissenschaftler, wenn diese Aluminium-Ionen – gleichsam als blinde Passagiere – im "Bauch" des Ferritins ins Gehirn gelangen?
Um diese Frage zu klären, plante Pasquale de Sole die aktuelle Arbeit, die in kürze im Journal "Clinical Biochemistry" publiziert wird.
Online ist die Studie schon jetzt erhältlich.
Ausgangsfrage war, wie hoch der Gehalt an Aluminium im Ferritin von Alzheimer-Patienten im Vergleich mit anderen Personengruppen sein würde. Dazu rekrutierten die Forscher 21 Patienten mit Alzheimer-Diagnose. Sieben von ihnen befanden sich im Anfangsstadium der Krankheit.
Als Vergleichsgruppen wurden die Ferritin-Werte einer Gruppe von Nierenkranken genommen, sowie einer Gruppe von Patienten mit Blutvergiftung, und schließlich noch ein Sample von 200 gesunden Personen, die an einer Blutspende-Aktion teilgenommen hatten.
Die Resultate waren spektakulär. Während in den Kontrollgruppen das Ferritin ganz klar von seinem Gehalt an Eisenatomen definiert war - mit Anteilen bis zu 75 Prozent - war es in der Gruppe der Alzheimer-Patienten umgekehrt: Hier lag der Anteil des Aluminiums im Schnitt bei 62 Prozent und damit fast doppelt so hoch wie der Gehalt an Eisen.
Durchbruch beim Verständnis der Alzheimer Krankheit
"Diese Resultate scheinen große Bedeutung zu haben für das Verständnis der Rolle von Aluminium bei der Entstehung der Alzheimer Krankheit", schreiben de Sole und Kollegen in ihrer Arbeit. Bisher hatte es immer geheißen, dass Aluminium im Körper so schlecht aufgenommen werde, dass es als Verursacher nicht in Frage kommt. "Unsere Resultate zeigen nun, dass Aluminium über Ferritin sehr wohl in relevanten Mengen bioverfügbar ist und damit auch ein möglicher Auslöser des Krankheitsprozesses sein kann, der zu Alzheimer führt."
Besonders interessant ist ein Detail der Studie: Patienten mit milder Symptomatik im Anfangsstadium der Krankheit wiesen eine deutlich höhere Aluminium-Last in ihren Ferritin-Molekülen auf, als Patienten mit fortgeschrittenen Alzheimer-Stadien. "Wir folgern daraus, dass es zwei Phasen geben könnte", erklärt de Sole. "In der milden Anfangsphase sind die Aluminium-Ionen noch weitgehend im Ferritin eingeschlossen. Im weiteren Krankheitsprozess verlieren die Ferritin-Moleküle dann möglicherweise selbst ihre Funktionsfähigkeit und setzen ihre Aluminium-Ladung frei."
Wenn sich diese Resultate bestätigen, könnten die Erkenntnisse der römischen Wissenschaftler auch für die Entwicklung diagnostischer Tests eingesetzt werden. Man müsste dann nur den Aluminium-Gehalt im Ferritin messen und könnte daraus ein künftiges Alzheimer-Risiko ableiten.