Donnerstag, 29. April 2010

Die neuen Pneumokokken-Impfstoffe

Seit kurzem werden Synflorix und Prevenar 13 als neue Pneumokokken-Impfstoffe angeboten. Das enorme Blockbuster-Potenzial von Prevenar 13 war der Hauptgrund für eine der größten Übernahmen in der Pharmabranche. Pfizer, der weltgrößte Konzern übernahm kürzlich den Prevenar-Hersteller Wyeth zum Preis von 68 Milliarden US-Dollar.
Prevenar ist ursprünglich 2000 zur Prävention invasiver Pneumokokken-Erkrankungen zugelassen worden. Wyeth verfolgte dabei eine enorm riskante Taktik, indem es Prevenar zu einem bis dato nicht üblichen, enorm hohen Preis von mehr als 100€ pro Spritze anbot. Die Pneumokokken-Impfung kostete damit doppelt so viel als alle anderen empfohlenen Impfungen zusammen.

Ein recht raffiniertes Marketing Konzept, das auch darauf abzielte, die Politiker unter starken moralischen Druck zu setzen, führte dazu, dass viele Länder die Pneumokokken-Impfung gratis anboten und beim Konzern Wyeth Millionen von Impfstoff-Dosen einkauften, was Wyeth einen Milliardenumsatz bescherte.

Ob die Pneumokokken-Impfstoffe die Krankheits-Häufigkeit bzw. die Sterblichkeit an Pneumokokken-Infektionen tatsächlich günstig beeinflusst haben, ist unklar.
Zum einen werden Jubelmeldungen in die Welt gestetzt, die schwer auf ihre Seriösität einzuschätzen sind, zum anderen hatten die Massen-Impfungen unerwartete Auswirkungen auf die Bakterienwelt. Es wurden nämlich die in der Impfung enthaltenen Serotypen zurück gedrängt. Diese Positionen nahmen jedoch andere Pneumokokken-Typen ein, die ein noch wesentlich problematischeres Riskio bedeuten. Allen voran wurde hier der Pneumokokken-Typ 19A genannt.

Studien aus Spanien legten den Schluss nahe, dass die Impfaktionen mit Prevenar die Pneumokokken-Situation sogar verschlechtert habe.
Eine sorgfältig durchgeführte Fall-Kontroll-Studie (Barricarte A. et al. 2007) ergab beispielsweise, dass die Impfung mit Prevenar das Risiko einer Erkrankung mit den 7 darin enthaltenen Bakterienstämmen um 88 Prozent reduzierte. Gleichzeitig ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass andere Serotypen diese Krankheiten auslösen, um das Sechsfache angestiegen.

Eine ganz aktuelle Arbeit aus den Archives of Internal Medicine vom 26. April 2010 (Metlay JP.) zeigte, dass die Kinderimpfungen auch für Erwachsene ungute Konsequenzen haben.
In einer Übersichtsarbeit in der die Daten von 48 Akut-Krankenhäusern ausgewertet wurden, fand sich im Zeitraum zwischen 2002 und 2008 eine jährliche Reduktion von 29 Prozent bei den sieben in der Impfung enthaltenen Serotypen.
Gleichzeitig nahmen die Erkrankungen mit nicht in der Impfung enthaltenen Pneumokokken-Typen aber um jährlich 13 Prozent zu.

Weil es von diesen Pneumo-Typen wesentlich mehr gibt, führte das insgesamt zu einem Anstieg der Häufigkeit von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen:


Am 10. April ist im European Journal of Pediatrics (Chibuk TK) eine weitere interessante Arbeit erschienen. Da heißt es gleich in der Einleitung, dass die Häufigkeit komplizierter Verläufe von Pneumokokken-Lungenentzündungen bei Kindern in den letzten Jahren zugenommen haben.
Chibuk et al. widmen sich der Frage, ob dieser Effekt durch die Pneumokokken-Impfung ausgelöst wurde. Dafür analysieren sie alle 102 Fälle komplizierter Verläufe von Lungenentzündungen bei Kindern, die in den letzten zehn Jahren an der Stollery Kinderklinik in Edmonton, Alberta aufgetreten sind.

Dabei ergibt sich, dass in der Vor-Impfära bei 21 Prozent der Kinder, nach Einführung von Prevenar bei 26 Prozent der Kinder Pneumokokken nachgewiesen wurden.
Auch hier war der Verdrängungs-Effekt, den die Impfung unter den Bakterientypen ausgelöst hat, enorm:
Bei den kranken Kindern wurden nach Einführung von Prävenar achtmal häufiger Bakterienstämme gefunden, die nicht in der Impfung enthalten waren.
Insgesamt zeigte sich in der Arbeit ein nicht-signifikanter Trend zu einer Zunahme bei den komplizierten Pneumonien nach Einführung der Pneumokokken-Impfung.

Zum Abschluss ringen sich die Autoren noch Worte der Hoffnung ab:

Obwohl es nicht klar ist, dass dieser Anstieg bei den komplizierten Pneumonie-Verläufen durch die Pneumokokken-Impfung verursacht wurde, hat die Ausdehnung der in den Impfungen enthaltenen Serotypen nun das Potential, komplizierte Pneumonie-Verläufe zu reduzieren.

Da wollen wir doch die Daumen drücken.

Zwei Firmen brachten neue Pneumokokkenimpfungen auf den Markt: Das Produkt Synflorix von GSK richtet sich gegen 10 Pneumokokken-Stämme, darunter die alten Prevenar-Stämme 4, 6B, 9V, 14, 18C, 19F und 23 F, sowie die neuen Stämme 1, 5 und 7F.
Prevenar 13 toppt das noch mit den zusätzlichen Typen 3, 6A und 19A.
Die Hersteller von Synflorix verlassen sich bei 6A und 19A scheinbar auf die Crossreaktivität ihres Impfstoffes: Dass sie also trotzdem einen gewissen Immunschutz bietet, obwohl die konkreten Serotypen in der Impfung selbst nicht enthalten sind. Das ist zweifellos ein gewisser Wettbewerbs-Nachteil für das GSK-Produkt.

Das arznei-telegramm, ein kritischer Pharma-unabhängiger Informationsdienst für Ärzte und Apotheker, den ich sehr gut finde, hat in der aktuellen Ausgabe die beiden neuen Pneumokokken-Impfstoffe untersucht und bewertet.

Hier die wichtigeren Ergebnisse:

  • Der Schutzeffekt vor invasiven Pneumokokken-Erkrankungen wurde nicht klinisch geprüft. Es wurde lediglich ein Vergleich der Immunantwort mit Prevenar gemacht.
  • Nach Einschätzung der europäischen Arzneimittelbehörde ist auf Grund ergänzender immunologischer Untersuchungen die Wirksamkeit der in den neuen Produkten zusätzlich enthaltenen Serotypen 1, 3, 5 und möglicherweise auch 19 A fraglich.
  • Prevenar 13 wurde in einer anderen Version wissenschaftlich getestet als es jetzt am Markt ist.
  • Es gibt derzeit keine wirklich objektiven Kriterien, einen der beiden Produkte hervorzuheben. Ob Synflorix oder Prevenar 13 gewählt wird, ist demnach Geschmackssache.
  • Beide Impfstoffe wurden auch zur Vorbeugung von Mittelohrentzündung zugelassen. Das ist nach Ansicht der Experten des Arznei-Telegramm überhaupt nicht nachvollziehbar.
  • Ob die neuen Impfstoffe dem alten Prevenar-Impfstoff überlegen sind, sei ebenfalls fraglich. "Selbst klinische Gleichwertigkeit mit Prevenar", heißt es im arznei-telegramm, "steht unseres Erachtens in Frage."

6 Kommentare:

  1. Da hat wohl mal wieder einer kritisch mit schlecht informiert verwechselt. Aus ein paar Studien mal schnell ein paar Daten wild verknüpft und schon hat man ne schöne Pharmaunternehmenverschöwrungstheorie zusammengebaut. Selten so viel Blödsinn gelesen.

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  2. Solche Kommentare liebe ich: Einen Artikel als "Verschwörungstheorie" zu denunzieren und nicht mal so viel Hirnschmalz zusammen kratzen, dass ein einziger Beleg für "so viel Blödsinn" geliefert werden kann.
    Armselig.

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  3. Ich denke beim Thema Impfen gibt meist immer die absoluten Befürworter und Gegner. Ich bin dadurch auch immer total hin und her gerissen. Bin aber doch eher Gegner der vielen empfohlenen Impfungen.

    Damit ziehe ich dann meist den kritischen Blick der Kinderärztin auf mich. Ich habe mit ihr viel darüber diskutiert und sie beruft sich einfach auf die Schulmedizin. Spricht man mit Homöopathen sind diese wieder anderer Meinung. Ich möchte einfach nicht schief angeguckt werden, nur weil mein Kind nicht gegen Pneumokokken oder Hib geimpft wird. Unsere Kleine hat ihre erste Impfung mit sechs Monaten bekommen, weil ich Tetanus und Kinderlähmung etc. schon wichtig finde, auch dafür wurde ich kritisiert. Die meisten Eltern informieren sich doch gar nicht zu den ganzen Impfungen und Impfschäden sondern machen es einfach, weil´s alle machen.

    Meines Erachtens geht es bei vielen Impfungen um finanzielle Belange. Ich erinnere mich noch gut an die Panikmache bei der Schweinegrippe. Die doch nur gemacht wurde, weil sie auf dem Impfstoff sitzen geblieben waren. Massig Impfdosen produziert und dann wollte sich kaum einer impfen lassen, also machen wir mal Panik, damit wir nicht die ganzen Milliarden in den Sand setzen.

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  4. Ich bin weder absoluter Gegner noch Befürworter. Da man sich aber für ein Vorgehen entscheiden muss, habe ich meinen 4 Monate alten Sohn 6fach impfen lassen. Plus Pneumokokken. Und sogar plus Rota. Und doch, auch ich als "Impfer" habe mich davor informiert, sogar sehr ausgiebig und natürlich auch alles über eventuelle Impfschäden gelesen. Mit dem Ergebnis, dass ich total verunsichert war und mich guten Gewissens nun weder für das eine noch für das andere entscheiden konnte. Mittlerweile ist es ja nicht mehr nur so, dass man nur als Impfgegner schief angeschaut wird, als Impfbefürworter passiert einem das genauso nach dem Motto "Was? Du lässt Dein Kind impfen? Wie verantwortungslos. Weißt Du nicht was da alles passieren kann? Dein armes Kind". Doch ich weiß es. Und kann nur hoffen, dass meine Entscheidung das ist was sein soll. Das Beste für mein Kind. Und im Einzelfall hilft es mir auch nichts wenn mein geimpftes Kind einen Impfschaden oder schlimmeres erleidet oder mein nicht geimpftes eben die Krankheit gegen die es eine Impfung gegeben hätte. Oder wollen die Impfgegner hierfür die Verantwortung übernehmen? Wahrscheinlich auch nicht.

    Trotzdem Danke für die kritischen Artikel, ich denke auch, dass man nicht alles hinnehmen sollte was der Arzt einem vorsetzt. Dennoch tut es schon weh, wenn man sich für eine Seite entscheidet und immer mit dem Gedanken "leben" muss evtl. die falsche Wahl getroffen zu haben. Für und Wider gibt es ja doch immer, je nachdem von welcher Seite man es betrachtet.

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  5. Manche Kommentare entlarven Inkompetenz und relativieren damit eine aggressive Kritik, z.B des Arzneitelegramms, dessen Beurteilungen nach meiner ärztlichen Erfahrung oft sehr voreingenommen erscheinen:

    So, die Pneumokokken-Impfprophylaxe zur Vorbeugung gegen Mittelohrentzündung ist nicht nachvollziehbar ?
    Als ob nicht gerade schwere Mittelohrentzündungen mit der Gefahr eines Übergreifens auf die Meningen von Pneumokokken verursacht würden !

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  6. Vielen lieben Dank für die Aufklärungsarbeit, sagt die Mutter eines nichtgeimpften 4 1/2-jährigen Jungen, der kerngesund ist und noch nie Medikamente einnehmen musste, außer vor 3 Jahren 1/2 Löffel Nurofen nach 2 Tagen 40° Fieber, es war Roseola ;-)

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