Sonntag, 15. November 2020

Des Kaisers neue Zahlen: Wie die COVID-Krise zum Selbstläufer wird

In Österreich wird ab Dienstag der bestehende Lockdown noch einmal dramatisch verschärft. Deutschland verfolgt diese Strategie mit Interesse, weil die Infektions-Zahlen trotz Maßnahmen auch hier stark ansteigen. Beiden Ländern gemein ist jedoch die Tatsache, dass die objektiven Zahlen derzeit gar keine Krise anzeigen.  In keinem der Länder gibt es Übersterblichkeit, die Belegzahlen der Krankenhäuser und auch der Intensivstationen sind im normalen Bereich. Würden wir nicht testen wie die Weltmeister - bekäme möglicherweise niemand etwas von einer Gesundheitskrise mit.

Doch wir testen nunmal - und insofern bietet sich ein katastrophales Bild. Das hier ist die Situation in Österreich, wie sie auf dem offiziellen Corona-Dashboard abzulesen ist:

Quelle: AGES (abgefragt am 15. 11.)

Wenn man diese Kurve auf sich wirken lässt, so wundert vor allem eines: Österreich ging im Frühjahr (siehe Mini-Hügel links) bei einer vergleichsweise winzigen Zahl an "Fällen" in den Lockdown – und befindet sich derzeit mit zehnmal so vielen Corona-Fällen offenbar inmitten einer gigantischen Bedrohungslage. 
Angesichts dieser Entwicklung gibt es nur zwei Deutungsmöglichkeiten:
1) Österreich steht kurz vor dem Kollaps – mit explodierenden Sterbezahlen – und die Regierung hat vollkommen recht uns in den Lockdown zu schicken. 
oder
2) Es gibt keine erhöhte Sterblichkeit.

Also sehen wir, welche Mortalität in Österreich während der letzten 20 Wochen – während des gigantischen Anstiegs der COVID-Fallzahlen – beobachtet wurde.
Wie viele andere Länder Europas meldet Österreich die aktuell erhobenen Sterbezahlen wöchentlich nach Dänemark, wo sie von den dortigen Behörden auf der Seite euromomo.eu veröffentlicht werden. 
Die blaue Linie zeigt, ob die Zahlen im normalen Bereich sind - ob sie eine kritische Marke übersteigen (rot gepunktete Linie) - oder ob sich die Sterbeziffern sogar unterhalb des Durchschnitts der letzten Jahre befinden.
Österreichs Mortalitäts-Kurve ist, wie man hier ablesen kann, im Normalbereich. Der massive Anstieg der Corona-Zahlen hatte demnach bisher überhaupt keine Auswirkungen auf die Sterbezahlen.

Dasselbe gilt für Deutschland, wo nur das Bundesland Hessen und die Stadt Berlin am euromomo-Meldesystem teilnehmen. Zumindest für diese beiden Regionen geben die Fallzahlen Entwarnung. Wenn überhaupt, so machen Hessen und Berlin derzeit eine Phase der Untersterblichkeit durch.

Quelle: euomomo.eu (Kalenderwoche 25 bis 45/2020)

Wir erkennen also, dass die aktuellen COVID-Infektionen wenig bis gar keinen Einfluss auf das Sterberisiko in der Bevölkerung haben. 
Das ist zum einen beruhigend. Zum anderen fragt man sich aber natürlich, warum dann mit derartiger Vehemenz weiter getestet wird.
Österreichs Kanzler Kurz hat nun sogar angekündigt, dass – dem Beispiel der Slowakei folgend – möglichst die gesamte Bevölkerung Massentests unterzogen werden soll. In der Slowakei wurden an den vergangenen Wochenenden 3,6 der 5,5 Millionen Einwohner getestet. Wer kein negatives Testergebnis vorweisen konnte, war von einer strikten Ausgangssperre betroffen und durfte nicht zur Arbeit gehen.


Kollaps der Intensivstationen?

Ziel dieser Aktionen ist es, die Situation in den Krankenhäusern zu entspannen. Dafür wird nun in Österreich abermals eine rote Linie überschritten: Ab Dienstag werden - entgegen der vielfach geäußerten Absicht - Schulen und Kindergärten geschlossen. Zunächst bis 6. Dezember.

Wer in Österreich Nachrichten hört, wird einem Stakkato von Katastrophenmeldungen ausgesetzt. Sowohl Krankenhäuser als auch Intensivstationen seien an der Belastungsgrenze. Schon jetzt müssten planbare Eingriffe verschoben werden. 

Tatsächlich klagen Ärzte und Pflegekräfte vermehrt über schwierige Arbeitsbedingungen. Sobald jemand in einer Klinik oder im Altersheim als positiv getestet wird, ergibt sich ein Rattenschwanz an organisatorischen Problemen. Patienten, die sich im Krankenhaus angesteckt haben, müssen verlegt werden. Aber auch die täglichen Routinen für die Mitarbeiter sind unendlich mühsam und schwer mit einem effizienten Arbeits-Alltag vereinbar. 
Allein das Anlegen der vorgeschriebenen Hygiene-Kleidung sei eine Prozedur, die mindestens 30 Minuten dauert. "Und dann muss man - derart ausgerüstet - mit zwei Lagen Handschuhen, Maske, Brille, Plastik-Überwürfen, stundenlang arbeiten", erzählte die Pflege-Direktorin eines Wiener Krankenhauses kürzlich im Ö1 Morgenjournal. "Meine Mitarbeiter sind nach so einer Schicht vollständig durchgeschwitzt – fix und fertig."

Ob die Gefährlichkeit der Corona-Infektion einen derartigen hygienischen Aufwand überhaupt notwendig macht - diese Frage wird nicht gestellt. Sie wird von vornherein mit "ja" beantwortet.

Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober schwört bei den häufigen Presse-Konferenzen die Journalisten auf seine Sicht der Dinge ein. Gestern sprach er wieder einmal von der "schwersten Pandemie seit 100 Jahren". Er erklärte im Tonfall eines verärgerten Volksschul-Lehrers, dass sich manche Leute nicht so gut an die Lockdown Bestimmungen gehalten haben wie im Frühjahr - und das müssten nun alle leidvoll ausbaden: "So hat sich die Zahl der Patienten in den Spitälern und den Intensivstationen in den letzten zwei Wochen noch einmal verdoppelt."
Dazu zeigt Anschober eine Grafik in die Kamera, die einen massiven roten Berg darstellt: Den Zustrom der Patienten in die Krankenhäusern und Intensivstationen.

Minister Anschober zeigt den Ansturm auf die Intensivstationen

Tatsächlich zeigt die Kurve den Anteil der positiv getesteten Patienten - und keine Zunahme an Patienten. In der Öffentlichkeit entsteht mit diesen Aussagen aber der Eindruck, dass sich massenhaft Menschen mit Corona infizieren und dann viele von ihnen so schwer erkranken, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

Interne Informationen, die mir vorliegen, zeigen bislang jedoch keinen Anstieg an Patienten mit Lungenentzündungen oder schweren Atemwegsinfekten. Das liegt laut meinen Informationen durchaus im Bereich der Vorjahre.

Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Ansteckungen nicht so sehr "von außen" in das Gesundheitssystem strömen, sondern dass sich die Menschen in den Pflegeheimen, in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen infizieren und fortan nicht mehr als Herzinfarkt- oder Krebs-Patienten, sondern als Corona-Fälle geführt werden.

Das wäre ein gewaltiger Unterschied. Denn dann würde es keinen großen Sinn machen, einen allgemeinen Lockdown zu verhängen. Im Gegenteil: der Lockdown wäre dann ein riesiges Ablenkungsmanöver, das von der schwierigen Situation der Infektionsgefahr im Gesundheitssystem ablenken soll. 

In der zweiten Corona-Welle sind vermehrt Österreichs Alten- und Pflegeheime betroffen. Wenn die Infektion in diese sensiblen Bereiche vordringt, so folgt daraus ein hohes Risiko für schwere Verläufe und Todesfälle. Genau dies machte im Frühjahr den Unterschied aus, ob ein Land eine hohe oder kaum Übersterblichkeit verzeichnete.
Es bleibt nun abzuwarten, ob Österreich auch so schwer getroffen wird, wie Belgien, England oder Schweden, wo etwa die Hälfte der Todesfälle aus dem Umfeld der Pflegeheime stammten. 
Im Frühling herrschte noch Euphorie über die erfolgreichen österreichischen Maßnahmen (BK Kurz: "Wir haben alles richtig gemacht."). Jetzt geht es offenbar in die Gegenrichtung. 

Ich habe mehrere Anfragen an das Gesundheitsministerium gestellt, und um Zahlen gebeten, welche den Gesamtstand der belegten Betten in den Krankenhäusern und Intensivstationen darstellt. Nur so wäre ein Vergleich zu den Vorjahren möglich. Nur so kann man prüfen, ob es sich derzeit überhaupt um eine außergewöhnliche Situation handelt und zusätzliche Patienten mit schweren Corona-bedingten Atemwegsinfekten hospitalisiert sind. 
Bislang habe ich darauf keine Antwort erhalten. Und es gibt meines Wissens auch keine öffentlich zugänglichen Daten, welche es ermöglichen, diese Frage in Österreich zu beantworten. Gesundheitsexperten wie Martin Sprenger haben diesen Missstand seit langem öffentlich angeprangert. "Nicht einmal Fachleute erhalten Zugang zu wichtigen Daten." Geschehen ist nichts.


Die Situation in Deutschland und der Schweiz

Diese wichtigen Zahlen, die in Österreich als Staatsgeheimnis gehütet werden, sind in den Nachbarländern Deutschland und Schweiz frei verfügbar. 

Hier eine Übersicht zur Situation auf den mehr als 1000 deutschen Intensivstationen. Hier gibt es tägliche Lageberichte zum Download. Ich habe die Zahlen vom 28. Oktober bis zum 14. November ausgewertet. Daraus ergibt sich folgende Grafik:

Intensivbetten Belegung in Deutschland

Die blaue Linie zeigt, dass die Anzahl der belegten Intensivbetten relativ stabil ist. Auch die grüne Linie der Hi-Tech-Intensivbetten für schwere Fälle - inklusive Beatmung - entspricht einem geraden Strich.
Das einzige, was wirklich ansteigt, ist der Anteil der Intensiv-Patienten mit einer Corona Diagnose (graue Linie). Ende Oktober hatten 1.569 Intensiv-Patienten ein positives Testresultat, Mitte November waren es bereits 3.325.
Und das entspricht genau jenem Anstieg, den auch Österreichs Gesundheitsminister in die Kameras zeigt.

Woher kommen nun diese Corona Fälle? - Laut Auskunft des Robert Koch Instituts werden alle Intensiv-Patienten regelmäßig getestet. Menschen mit schwachem Immunsystem sind besonders anfällig für Virus-Infektionen. Insofern spricht vieles für die These, dass es sich - zumindest zu einem Teil – um Krankenhaus-interne Infektionen handelt. Denn sonst müsste ja auch die Gesamtzahl der Intensiv-Patienten zunehmen. Das ist bisher aber nicht statistisch auffällig. Über die Wochen blieben rund 7.000 Intensivbetten konstant frei. 

Noch deutlicher ist der Zusammenhang in der Schweiz:


Die orange Linie bezeichnet die Intensivpatienten mit positivem Coronatest, die grüne Linie jene mit negativem Coronatest. Diese Linien kreuzen sich und es gibt mittlerweile bereits eine Mehrzahl von Corona-positiven Patienten auf den Schweizer Intensivstationen. 
Die Gesamtzahl der Intensiv-Patienten ist insgesamt leicht (auf 850) angestiegen. Das ist – bei insgesamt 1.600 verfügbaren Betten – noch immer meilenweit von einer Überlastung entfernt

Dennoch ist daraus klar zu erkennen, dass die derzeitige Gesundheitskrise in der Schweiz vor allem dadurch charakterisiert ist, dass sich schwer kranke Menschen in Altenheimen, Krankenhäusern und auf Intensivstationen infiziert haben. Diese interne Infektionswelle ist so massiv, dass nur noch rund 30 Prozent der Intensivbetten von nicht Covid-Patienten belegt sind.

Entsprechend groß ist auch der Nachschub bei den Corona-Todesfällen. Ohne dieses außergewöhnliche Pandemie Szenario würden die meisten von ihnen wohl als Herz- oder Krebs-Todesfälle gelten. 
Oder als Menschen, die an Altersschwäche verstorben sind. Immerhin stammen 70 Prozent der Corona-Toten aus der Altersgruppe über 80 Jahren. Das durchschnittliche Corona-Sterbealter liegt bei 84 Jahren und damit über der derzeitigen Schweizer Lebenserwartung von 83,7 Jahren.



Samstag, 3. Oktober 2020

Wie sinnvoll ist die Influenza-Impfung in der Corona-Zeit?

Politiker fordern die Gratis-Grippeimpfung. Doch viele Apotheken sind jetzt schon ausverkauft. Für alle, die sich Sorge machen, dass sie zu kurz kommen, liefere ich hier ein paar Argumente, die in den offiziellen Informationen fehlen.

Kinder sind eine Haupt-Zielgruppe der Werbung für die 
Gratis-Grippeimpfung in der Coronazeit (Foto: Ehgartner)


1.) Die Wirksamkeit der Impfung 

Sie ist - gelinde gesagt - verbesserungsbedürftig. Laut Schätzung des Robert Koch Instituts gab es in den Jahren 2012 bis 2019 gerade dreimal eine signifikante Wirksamkeit. Dies betraf jedoch nicht die "ganze" Impfung, sondern nur den Subtyp Influenza A (H1N1). Die Wirksamkeit lag hier zwischen 48% und 61%.

Bei allen anderen Komponenten sind die Resultate nicht signifikant und damit wenig aussagekräftig. 

Interessant ist auch die Spannweite, die weit in den negativen Bereich hinein reicht. Wer sich etwa 2013 impfen ließ, hatte tendenziell ein 66% höheres Risiko an Influenzaviren des Subtyps H3N2 zu erkranken. 

Einschätzung der Wirksamkeit: mäßig bis sehr schlecht (Robert Koch Institut)


2.) Impfung von Babys und Kleinkindern

Eine der raren gut gemachten Studien untersuchte, ob die Influenza-Impfung vor der speziell bei Babys gefürchteten Mittelohrentzündung schützt. Über zwei Saisonen wurden Babys geimpft - und mit einer Kontrollgruppe verglichen, die eine Placebo-Impfung mit neutraler Salzwasser-Lösung bekamen. Die Studie zeigte, dass Influenza-geimpfte Kinder ein signifikant höheres Risiko hatten, an schweren Verläufen von Mittelohrentzündungen zu erkranken. Die Eltern der geimpften Kinder mussten zudem doppelt so viele Pflegetage aufwenden, wie die Eltern der Babys in der Kontrollgruppe.


3.) Impfung älterer Menschen

Die USA sind eines der impffreudigsten Länder. Speziell für ältere Menschen wurde die Influenza-Impfung zuletzt immer massiver beworben.  Die Impfrate kletterte stetig von 15% im Jahr 1980 auf zuletzt 65%. In Altersheimen werden sogar Werte über 75% erreicht.

Eine über 20 Jahre laufende Analyse (Simonsen et al.) ergab jedoch nicht das geringste Indiz dafür, dass die Impfung auf das Sterberisiko einen positiven Effekt hatte. “Unsere Ergebnisse stellen die derzeitigen Konzepte infrage, wie ältere Menschen am besten vor dem Grippetod geschützt werden können”, erklärten die Autoren einigermaßen deprimiert im Schlusswort ihrer Studie. 

In einer 2017 veröffentlichten Arbeit aus den Niederlanden wurden mehr als 4.000 Menschen im Alter über 60 Jahren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf Influenza und Grippe ähnliche Erkrankungen (ILI: influenza like illness) untersucht. Bei allen Erkrankungsfällen wurden Abstriche genommen und die Erreger identifiziert. 

  • Insgesamt erkrankten in der ersten Saison 7,2 Prozent der Teilnehmer an ILI. Unter diesen Personen wurden bei 18,9% Influenza-Viren gefunden. 
  • In der zweiten Saison erkrankten deutlich mehr Studienteilnehmer, nämlich 11,6 Prozent. Bei einem Drittel der Erkrankten war der Nachweis von Influenzaviren positiv. 
  • Bei einem Sechstel der Erkrankten wurde mehr als ein Erreger gefunden. 

Die Auswertung zeigte, dass Personen, die aktuell gegen Influenza geimpft waren, auch tatsächlich weniger an Influenza erkrankten. Die Gesamtzahl der Erkrankungen unterschied sich jedoch nicht wesentlich. Es zeigten sich auch keine signifikanten Unterschiede in der Schwere der Erkrankung, je nachdem ob Influenza-Viren involviert waren oder nicht:

  • In der ersten Saison erkrankten 7,6% der Geimpften und 4,2% der Ungeimpften
  • In der zweiten Saison erkrankten 10,8% der Geimpften und 11,2% der Ungeimpften

Dass Viren ständig anwesend sind – auch ohne krank zu machen – zeigt eine Analyse, die 8 Wochen nach der Erkrankung durchgeführt wurde. Da fanden sich nämlich immer noch bei rund 25 Prozent der Getesteten ILI-Viren im Rachen-Abstrich. Und auch in der vollständig gesunden Kontrollgruppe waren 21,5% der Proben positiv. 


4.) Schutz gegen mutierte neuartige Viren

Während der Schweinegrippe-Pandemie wurden die Behörden in Kanada auf ein seltsames Phänomen aufmerksam: Gerade jene Kinder, die jährlich immer die Grippe-Impfung erhalten haben, erkrankten besonders schwer an der neuartigen Schweinegrippe. Wie ist das möglich? - Die Behörden organisierten gleich vier Studien zu dieser Frage, die allesamt den Verdacht bestätigten.

Wissenschaftler fanden schließlich eine plausible Erklärung für diesen Effekt: durch die saisonale Impfung wird offenbar das Immunsystem der Kinder davon abgehalten, sich mit den Influenza-Viren auseinander zu setzen. Dadurch entfällt jeglicher Trainingseffekt für das Immunsystem. Ungeimpfte Kinder, die schon mal eine Grippe durchgemacht haben, gewinnen hingegen zumindest eine Kreuzprotektion gegen neuartige Mutationen. 


5.) Auswirkungen auf die allgemeine Abwehrkraft

In einer Placebo-kontrollierten Studie aus Hongkong (Cowling et al.) wurde der Effekt der Influenza Impfung auf die generelle Abwehrkraft von Kindern gemessen. Dabei zeigte sich, dass die geimpften Kinder im Lauf der nächsten 9 Monate ein vierfach höheres Risiko auf andere virale Infekte hatten als die Kinder in der Kontrollgruppe. 

Eine Studie des US Verteidigungsministeriums (Wolff et al.) zeigte zudem, dass Soldaten nach der Influenza-Impfung ein höheres Risiko einer Coronavirus-Infektion haben.


6.) Impfung der Gesundheitsberufe

Ob die Impfung von Ärzten und Krankenpflegern ihre Patienten davor schützt an Influenza zu erkranken, ist umstritten. Die unabhängige Cochrane Collaboration sieht "keine vernünftige Basis, um die Impfung der Menschen in Gesundheitsberufen allgemein zu empfehlen."

Aktuelle Arbeiten zeigen sogar einen möglichen negativen Effekt: Ein Team von Public Health Experten der University of Maryland (Yan et al.) untersuchten die Atemluft von 142 Patienten mit nachgewiesener Influenza auf ihre Virenlast. Dabei ergab sich ein erstaunlicher Unterschied. Patienten, die davor erfolglos gegen Grippe geimpft worden waren, hatten mehr als sechsmal so viele Influenza-Viren in ihrer Ausatemluft.


"Fantastische" Effekte der Influenza-Impfung 

Pro-Studien, welche für die Influenza Impfung sprechen, gibt es auch viele. Die meisten haben bei strenger wissenschaftlicher Prüfung jedoch eine derart schlechte Qualität, dass sie nicht zur Bewertung der Impfung taugen. 

In einer deutschen Meta-Analyse sollte beispielsweise geprüft werden, ob die Influenza-Impfung Diabetikern einen Vorteil liefert. Die Autoren schlossen mehr als 1000 Artikel in ihre Übersichtsarbeit ein. Das Resultat las sich dann auch großartig. Die Zusammenfassung der Studien ergab nämlich, dass die Influenza-Impfung jeden zweiten Krankenhaus-Aufenthalt verhindert.  – Das wäre ein gewaltiger Effekt. – Bei näherer Prüfung ergaben sich dann jedoch so viele Fehler in den Studien, dass damit die gesamte Aussage fragwürdig wurde. Das Resümee der Autoren liest sich dementsprechend: 

"Aufgrund der erheblichen Fehler in den meisten der identifizierten Studien sind die verfügbaren Belege unzureichend, um das Ausmaß des Nutzens zu bestimmen, den Diabetiker aus der Impfung gegen die saisonale Grippe ziehen. Ausreichend aussagekräftige randomisierte kontrollierte Studien oder quasi-experimentelle Studien mit laborbestätigten grippespezifischen Ergebnissen sind dringend erforderlich."

Ein 'berühmter' Fehler, der recht häufig ist, berücksichtigt beispielsweise den besseren Gesundheitszustand der geimpften Personen nicht ausreichend. Da werden beispielsweise die Bewohner eines Altenheimes, die zum Impftermin erscheinen, mit jenen verglichen, die das nicht tun. Dabei wird jedoch ignoriert, dass jene, die fit und geistig gesund sind, in höherer Zahl beim Impfarzt erscheinen, als Personen, die dement und bettlägerig sind. Insofern wundert es dann nicht, wenn die Impfung einen Überlebensvorteil heraus findet. Manche Studien finden eine Vervielfachung des Sterberisikos in der ungeimpften Kontrollgruppe. Andere stellen sogar fest, dass die Impfung vor Treppenstürzen und Oberschenkelfrakturen schützt. 

Diese Fehler sind so häufig, dass es dafür einen eigenen Fachbegriff gibt: den "Healthy Vaccinee Effekt". Um den Fehler zu vermeiden, ist es unbedingt notwendig, dass eine Kontrollgruppe von möglichst ähnlichem Alter und Gesundheitszustand ausgewählt wird, am besten durch Zufalls-Zuteilung (Randomisierung) in die Impf- oder Kontrollgruppe.

Viele der schlecht gemachten Studien sind von den Impfstoff-Herstellern finanziert - und es drängt sich der Verdacht auf, dass die Verfälschung hin zu einem positiven Effekt der Influenza-Impfung durchaus erwünscht ist. Zu einer unabhängig finanzierten gut gemachten prospektiven Studie, welche die Sinnhaftigkeit der Influenza Impfung zweifelsfrei ermittelt, kam es bisher - aus Mangel an Sponsoren - jedoch nie. Und hierin liegt auch ein eklatantes Versagen der Gesundheitspolitik. 


Politiker fordern Gratis Grippe-Impfung

Zahlreiche Politiker, speziell aus dem linken und grünen Lager fordern nun die kostenlose Grippe-Impfung für alle, um das Gesundheitswesen in Zeiten von Corona zu entlasten. 

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: "Wir können es uns leisten, diesen allen Versicherten kostenfrei zur Verfügung zu stellen." Ähnlich äußerte sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Kordula Schulz-Asche: "Wir müssen mit einer präventiven Strategie in die kalte Jahreszeit gehen, um steigende Grippe- und Covid-19-Infektionen zu verhindern", sagte sie der Welt am Sonntag. 

Die Ärztin und SPÖ Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner fordert von Seiten der Opposition vehement die Gratis-Grippe Impfung für alle Österreicher. Beim grünen Gesundheitsminister Rudi Anschober rennt sie damit wohl offene Türen ein. Schließlich ließ er sich im Vorjahr - als eine der ersten Amtshandlungen - öffentlich gegen Influenza impfen. 

Alle Vorstöße haben eines gemein: Sie liefern keinerlei Belege dafür, dass der Nutzen der Impfung den möglichen Schaden übersteigt. Sie glauben einfach fest daran. 


Versteckter Lobbyismus

Wissenschaftler wie Tom Jefferson, langjähriger Leiter der Cochrane-Impfgruppe, verdammen - wie viele andere kritische Impfexperten – das wissenschaftliche Niveau der meisten Influenza-Studien. "Derzeit kann niemand sagen, ob man sich auch nur einen Tag Krankenstand erspart, wenn man sich impfen lässt", erklärt Jefferson. "Es kann nämlich auch genau das Gegenteil passieren."

Eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung von Nutzen und Schaden der Influenza Impfung würde einen Bruchteil dessen kosten, was nun für die Gratis-Grippeimpfung an Steuergeld ausgegeben werden soll. Dafür hat sich Herr Lauterbach jedoch noch nie eingesetzt. Ebensowenig wie die österreichische Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. 

Warum das so ist? 

Eine Möglichkeit wäre, dass Lauterbach, Rendi-Wagner & Co extrem uninformiert sind und z.B. die oben angeführten Schwächen der Influenza-Impfung nicht kennen. 

Eine zweite Möglichkeit wäre, dass diese Politiker nebenher als Lobbyisten der Pharmaindustrie arbeiten und sich damit schon jetzt für Jobs in der Wirtschaft in Stellung bringen, falls die Politik-Karriere demnächst enden sollte.

Die zweite Möglichkeit erscheint mir wahrscheinlicher. 


PS: Wenn Ihnen dieser Blog interessant und wichtig erscheint, würde ich mich über einen kleinen Beitrag zu meiner Arbeit sehr freuen.



Bert Ehgartner steht auch für Vorträge, Filmvorführungen, etc. zur Verfügung. 
Nähere Informationen finden Sie auf dieser Seite


Donnerstag, 27. August 2020

Abschied von einem Qualitätsmedium

Werte Redaktion,
gestern haben meine Frau und ich lange über den Standard gesprochen. Zufrieden waren wir schon längere Zeit nicht mehr mit unserer täglichen Lektüre. Gestern gab es zwei Artikel, die das Fass sozusagen zum Überlaufen gebracht haben. Deshalb möchten wir nun unser Abo zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen.



Das eine war ein Kommentar von Eric Frey auf der letzten Seite mit dem Titel "Europas russisches Dilemma". Darin wird der Giftanschlag auf Alexej Nawalny als "außer Zweifel" dargestellt, Putin als Anstifter von Serienmorden bezeichnet und die österreichische Politik der "unkritischen Partnerschaft mit einem bösartigen Regime" bezichtigt.
Dieser Kommentar des Textchefs Frey zeigt die "Haltung" der Redaktion recht gut auf und durchdringt auch viele "sachliche" Berichte, sowohl beim aktuellen Anlass als auch bei zurückliegenden Konflikten, z.B. Ihrer Syrien-Berichterstattung. Meist wird unreflektiert die "westliche" Sicht übernommen, die häufig nichts als plumpe NATO-Propaganda darstellt.

Weder meiner Frau noch mir ist Putin sympathisch. Wir sind uns auch durchaus bewusst, dass in Russland vieles schief läuft und mafiöse Strukturen tief in die Politik reichen.
Dennoch brauche ich keine "Kampfartikel" in der Zeitung, zumal sie - wie hier - lediglich auf Vermutungen und Vorurteilen beruhen.
Putin war einst Chef des KGB. Wenn er tatsächlich jemand umbringen lassen hätte wollen, so wäre das wohl nicht so stümperhaft ausgeführt worden.

Uns ärgern bei dieser Art von Berichten speziell das fehlende Rückgrat, dieselbe Härte, Klarheit und Ausdauer auch dann aufzubringen, wenn es um Verbrechen der USA bzw. ihrer Verbündeten geht.
Dass gerade dieses Russland das einzige Land war, das Edward Snowden politisches Asyl anbot, ist beschämend. Dasselbe gilt für das verbrecherische Vorgehen gegen Julian Assange, der - unter den Augen der westlichen Presse - wohl demnächst in die USA ausgeliefert wird, wo ihm lebenslange Haft oder das Todesurteil drohen.

Dies sind die Solschenizyns der Gegenwart!



Der 2. Artikel betrifft Ihre Corona-Berichterstattung.

Wo es dringend eine offene wissenschaftliche Diskussion geben sollte, wird stattdessen abermals "Haltung" geboten. So als wäre die Redaktion auf Linie gebracht worden - in der nur noch eine Sichtweise gilt. Die wird nun durchgezogen - und alle Gegenargumente entweder lächerlich gemacht, oder ignoriert.
Konkreter Anlass für unseren Ärger war eine Graphik auf Seite 8, die "Ein halbes Jahr im Corona-Krisen-Modus" aufzeigt. Demnach haben wir - laut Ihrer Darstellung - derzeit einen starken Anstieg bei den "aktiv Erkrankten" mit wie Sie schreiben "3.105 Erkrankten" in Österreich.

Sogar in der 'Zeit im Bild' ist kürzlich ein recht ausführlicher Bericht erschienen, in dem dargestellt wurde, dass es sich hier nicht um "aktiv Erkrankte" handelt, sondern um aktiv positiv Getestete.
Und dass immer auch die Anzahl der Tests eine Rolle spielt: Je mehr Tests, desto mehr Positive.
Hat Ihnen das noch niemand gesagt, dass absolute Zahlen hier grob irreführend sind?
Hat sich das noch immer nicht in Ihre Redaktionsstuben durchgesprochen, dass nur ein kleiner Teil der derzeit positive Getesteten überhaupt Krankheitssymptome haben und sich auf Nachfrage bestenfalls an "ein Kratzen im Hals" oder ähnliche Katastrophen erinnern?
Haben Sie übersehen, dass derzeit in ganz Österreich gerade mal rund 120 Corona-positive Patienten stationär in Krankenhäusern behandelt werden - viele davon seit langer Zeit - und mit ganz anderen Haupt-Diagnosen?

Wir können es nicht wirklich glauben, dass Ihre Redakteure tatsächlich so dumm und ignorant sind, dass sie diese einfachen Fakten nicht verstehen. Deshalb vermuten wir, dass es andere Gründe gibt, diese Haltung weiter zu verbreiten. Möglicherweise fürchten Sie ja um die nächste Presseförderung, die Sie so dringend zum Überleben brauchen, wenn die von der Regierung bevorzugte Sichtweise kritisch hinterfragt würde.
Sorry für diesen Untergriff - aber mittlerweile halten wir alles für möglich.

Abschließend möchten wir Ihnen einen Ratschlag geben:
Wir wollen keine "Zeitung mit Haltung".
Wir wollen keine Zeitung, die uns das Nachdenken abnimmt und uns politisch korrekt erzieht.

Wir sind in der Lage, uns selbst eine Meinung zu bilden. Und das tun wir am besten, wenn uns gut und ehrlich recherchierter Journalismus serviert wird.

Wenn angeblicher Qualitätsjournalismus sich immer mehr als Predigtdienst begreift, der auf einigen handfesten Dogmen aufbaut, so werden immer mehr Menschen in die Wildnis des Internets abwandern, wo noch die Meinungsvielfalt blüht - von vollständig vertrottelt bis genial.
Dann bleiben Sie bald endgültig unter sich mit Ihren verbliebenen Lesern, die froh darüber sind, dass ihre Zeitung eine nahezu idente Haltung hat, wie sie selbst.

Doch das ist nicht mehr unsere Zeitung.

Montag, 20. Juli 2020

Corona: Die politischen Profiteure der Krise

Das Corona-Buch "Chronologie einer Entgleisung" des Addendum Redaktionsteams um Michael Fleischhacker belegt minutiös, dass Bundeskanzler Kurz spätestens Ende März seine Strategie im Umgang mit der Krise radikal geändert hat. Davor ging es darum - ausgehend von den traumatischen Erfahrungen in der Lombardei - ähnliche Zustände in Österreich zu unterbinden und die Bevölkerung zu schützen. Die meisten Maßnahmen waren - aus der damaligen Sicht der Dinge - nachvollziehbar und teils extrem sinnvoll (z.B. die Einführung des Corona-Krisen-Telefons und der Aufruf, mit Corona-ähnlichen Beschwerden möglichst nicht in die Ambulatorien der Krankenhäuser zu gehen.)

Dann jedoch gab es innerhalb der VP - eine bewusste Abkopplung von seriöser Expertise und die Krise wurde vermehrt als politische Chance und als Selbstzweck begriffen. Denn Ende März empfahl die Mehrzahl des Experten-Stabes des Gesundheitsministers die Lockdown-Maßnahmen möglichst rasch aufzuheben und zur Normalität zurück zu kehren, um den wirtschaftlichen und sozialen Schaden zu minimieren. Die von der AGES erhobenen Daten zeigten mittlerweile eindeutig, dass die Epidemie im Abklingen war, die berühmte Reproduktionszahl 'R' sich im Sturzflug befand.

Ausgehend von Experten der Boston Consulting Group rund um Kurz-Beraterin Antonella Mei-Pochtler wurde diese Lockerung jedoch offenbar als Gefahr empfunden.
Stattdessen wurde die Devise ausgegeben, den im Zuge der Krise erzielten Aufschwung in der Beliebtheit mitzunehmen - und ja nicht zu gefährden. Die ÖVP kratzte damals an der absoluten Mehrheit - seit Beginn der Krise hatte sich die Zustimmung zu Kurz & Co um 10% erhöht.
Je stärker das Angstgefühl der Menschen, desto eher wird eine möglichst straffe Führung gut geheißen. Wie im Kriegsfall, schart sich die Bevölkerung um die Führer. Und der Krieg gegen Corona-Viren erzeugte ein ähnliches Stimmungsbild.
Es wäre demnach politisch riskant gewesen, diese über Wochen mühsam erzeugte Angststimmung in der Bevölkerung nun durch eine zu rasche Rückkehr zur Normalität leichtfertig zu gefährden. Stattdessen bemühte sich Kurz, diese Stimmung über einen längeren Zeitraum zu konservieren. Die Maskenpflicht wurde - als Symbol der Epidemie - eingeführt, um jeden im Land daran zu erinnern, dass der Virenkrieg nur pausiert - aber jederzeit zurück kehren kann.

Kurz brauchte dafür aber ein anderes Expertengremium, das ihm die pseudo-wissenschaftliche Basis für die weiterhin anhaltende Bedrohung schuf. Es fand sich in einer Gruppe fach-ferner Finanz-Mathematiker, die sich davor noch nie eingehend mit den Eigenheiten von Epidemien befasst hatten.
Umso cooler klangen die Resultate, die sich aus ihren Rechenmodellen ergaben. Die Krise sollte demnach im April erst so richtig durch starten mit mehr als 100.000 Todesfällen. Kurz legte mit seinem berühmten Ausspruch nach, "dass bald jeder jemand kennen wird, der an Corona gestorben ist."

Bis heute hat die Regierung die Taktik der Angstmache beibehalten. Laufend ist in den Nachrichten von neuen Corona-Fällen die Rede. Dass kaum jemand der positiv Getesteten krank ist, wird hingegen meist nicht erwähnt. Auch nicht, dass die Fehlerquote der Tests weitgehend ident ist mit der Rate der positiv Getesteten. Damit ergibt sich das Prinzip der "never ending pandemic".

In Wahrheit ist derzeit kaum jemand wirklich durch Corona gefährdet. Die Viren befinden sich im Sommerschlaf. Doch diese Informationen gelten derzeit als politisch nicht förderlich. Und nach den Pandemie-Rezepten der Boston Consulting Group wird das auch noch viele Monate so bleiben.

"Corona - Chronologie einer Entgleisung" ist ein sorgfältig recherchierter Hintergrund-Bericht, der die politischen Profiteure der Krise enttarnt.

Freitag, 12. Juni 2020

Gates gegen Aaby: Wer hat die bessere Corona-Impfung?

Ein vollständig neues Konzept für eine Corona-Impfung wurde in der aktuellen Ausgabe von Science vorgestellt. Es geht dabei nicht darum, über messenger RNA Impfungen oder andere gentechnische Verfahren eine spezifische Immunität gegen die neuartigen Coronaviren zu erzeugen, sondern um eine allgemeine unspezifische Stärkung der Abwehrkräfte. 

Der dänische Wissenschaftler Peter Aaby erforscht seit 40 Jahren
die unspezifischen Effekte von Impfstoffen (Foto: Ehgartner)
Der dafür - laut den Autoren - am besten geeignete Impfstoff ist die Polio-Schluckimpfung, eine Impfung die abgeschwächte Lebendviren enthält. Die Science-Arbeit (Co-Autoren sind u.a. Peter Aaby & Christine Benn) führt zahlreiche historische Beispiele für positive Effekte der Impfung an, die alle auf ein gemeinsames Muster hinaus laufen: Die Beschäftigung mit den Viren führt dazu, dass das Immunsystem aktiviert wird und nicht nur gegen die Impfviren, sondern gegen alle viralen Infekte vorgeht. Die Chancen eines schützenden Effektes gegen Coronaviren sind auch dadurch besonders gut, weil es sich bei Polioviren um ähnliche Viren mit positiver Polarität handelt.

Stolz präsentiert Bill Gates seine Impfpläne in
diversen öffentlichen Auftritten (Foto: der-postillion.de)
Der unspezifische Boost des Immunsystems würde zudem nicht so rasch verpuffen, wie eine zielgerichtete Antwort auf die aktuell umgehenden Coronaviren, welche in der nächsten Saison vielleicht schon wieder ganz anders daher kommen.  Welche Schwierigkeiten die hohe Neigung zur Mutation den Impfstoff-Herstellern machen, zeigt beispielsweise die Influenza-Impfung welche in den meisten Jahren nur auf eine Schutzwirkung von höchstens 30% kommt.

Das in Science vorgestellte Konzept einer unspezifischen Immun-Stimulation widerspricht den Dutzenden international gestarteten Studien für neuartige Corona-Impfstoffe diametral. Hier könnte die Manipulation des Immunsystems spezifischer nicht sein. Die m-RNA Technologie hat ja nicht den Zweck, eine normale Immunantwort auszulösen, sondern sie basiert auf einem Gentransfer in die Zellen, welche Ribosome dazu zwingt, Virus-Proteine herzustellen.

Bill Gates träumt davon, 7 Milliarden Menschen mit diesen m-RNA Impfstoffen zu impfen und ruft die Behörden dazu auf, die Sicherheits-Standards möglichst niedrig zu halten, damit die Impfstoffe in Rekordzeit auf den Markt kommen können. Bescheidenheit oder kritische Selbstreflexion waren noch nie besondere Charaktereigenschaften von Bill Gates. Diese vollständig neuartigen Impfkonzepte aber auch noch in Rekordzeit durchpeitschen zu wollen, das grenzt an kriminellen Hasard.

Eine weitgehend natürliche Stimulierung des Immunsystems, welche deren über viele Millionen Jahre erlernten internen Mechanismen aktiviert, das ist Mr. Gates hingegen hoch suspekt.
Die Melinda & Bill Gates-Foundation betreibt in den Entwicklungsländern demnach auch seit Jahren mit Nachdruck die Ablöse der Polio-Lebendimpfung und will sie durch Totimpstoffe ersetzen.
Dies würde jedoch - laut Peter Aaby - das Leben von Millionen Kindern in Entwicklungsländern gefährden, weil der positive Immuneffekt durch die Lebendimpfungen weg fällt. Stattdessen greift ein in vielen Studien nachgewiesener negativer Effekt durch Totimpfungen, welche die Abwehrkräfte der Kinder schwächen.
Einladungen zu gemeinsamen Konferenzen zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den unspezifischen Effekten der Impfstoffe wurden von Bill Gates & anderen einflussreichen Personen innerhalb der WHO bisher stets ignoriert.

Insofern handelt es sich bei diesem Science-Artikel um einen Vorstoß in eine hoch sensible Thematik, welche Wissenschafts-Gruppen mit vollständig konträren Sichtweisen des Immunsystems aufeinander prallen lässt.
Aaby & Co. sehen das Immunsystem als ein lernendes hoch kompetentes System, das selbständige Entscheidungen zum besten des menschlichen Organismus trifft.
Gates & Co hingegen betrachten den Organismus des Menschen eher als Hardware mit Neigung zu Fehlschaltungen, dessen Immunsystem dringend ein Update mit einer neuen Viren-Software braucht.



Montag, 20. April 2020

Corona-Krise: Was, wenn es ganz anders war?

Immer öfter lese und höre ich die Befürchtung, dass wir nicht mehr zu einer Zeit vor COVID-19 zurückkehren können.  Die gute alte Zeit sei leider leider vorbei.  Keine Konzerte mehr, keine Fußball-Matches, keine dicht gedrängten Dancefloors. Abstand und Mundschutz bleiben fortan überall verpflichtend. Zumindest bis es eine wirksame Impfung für alle gibt.

Alle Menschen sind gefährlich und das Virus bringt uns um (Foto: Prachatai)
Es verbreitet sich eine Stimmung, die ich in dieser Intensität davor nur bei der Impfpflicht-Debatte bei Masern beobachtet habe: Viele Menschen fühlten sich oder ihre Kinder durch andere – ungeimpfte – Kinder, die eventuell Masernviren verbreiten könnten, persönlich bedroht. Und sie votierten deshalb in Umfragen zu rund 80% für die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht.
Ich zitiere das jetzt nicht, um die Sinnhaftigkeit der Masernimpfung zu diskutieren. Dazu habe ich anderswo meine Sichtweise beschrieben. Es geht darum, dass – erstmals seit der 1976 in (West-)Deutschland abgeschafften Impfpflicht gegen Pocken – wieder eine Zwangsimpfung eingeführt wurde. Und das, obwohl mehr als 95% der Kinder ohnedies freiwillig geimpft worden sind. Es ging bei dieser Aktion also eher um das politische Ausnützen einer Stimmung in der Wählerschaft und um die symbolische Umsetzung des Schutzbedürfnisses in Gesetzestext.

Dasselbe Muster bricht jetzt bei Corona durch.
Alte Menschen, Menschen mit überstandenem Herzinfarkt oder Krebs, Menschen mit chronischen Krankheiten: viele von ihnen fürchten sich nun vor einer potenziell tödlichen Infektion mit den Coronaviren. Sie schützen sich und sie ziehen sich zurück und sie wollen, dass sie - wenn sie schon mal raus gehen - auch von allen anderen verlässlich geschützt werden. Und das dauerhaft während des kommenden Sommers - und erst recht wieder danach.

Auch die Regierenden neigen zu dieser Sichtweise, wie etwa das am 15. 4. beschlossene "Corona-Paket" der deutschen Bundesregierung zeigt. Darin heißt es, dass wir "für längere Zeit lernen müssen, mit der Pandemie zu leben."
Punkt 17 dieser Verlautbarung lautet:
Eine zeitnahe Immunität in der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 ohne Impfstoff zu erreichen, ist ohne eine Überforderung des Gesundheitswesens und des Risikos vieler Todesfälle nicht möglich. Deshalb kommt der Impfstoffentwicklung eine zentrale Bedeutung zu. Die Bundesregierung unterstützt deutsche Unternehmen und internationale Organisationen dabei, die Impfstoffentwicklung so rasch wie möglich voranzutreiben. Ein Impfstoff ist der Schlüssel zu einer Rückkehr des normalen Alltags. Sobald ein Impfstoff vorhanden ist, müssen auch schnellstmöglich genügend Impfdosen für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Eines scheint jetzt schon sicher: Ab dem Zeitpunkt, wo eine Corona-Schutzimpfung zur Verfügung steht, wird die Impfverweigerung als gemeingefährliche Drohung gegen die Allgemeinheit verstanden - und auch entsprechend geahndet werden. Politiker unterschiedlichster Lage – etwa der bayrische Ministerpräsident Markus Söder, oder Grünen-Chef Robert Habeck – outen sich bereits jetzt als Befürworter einer Impfpflicht. Ebenso wie viele Ärzte-Funktionäre.

So sieht die Perspektive aus. Eine andere Reaktion ist bei den vorherrschenden Denkmustern nicht zu erwarten. Und diese gedankliche Abfolge läuft so:
  • Ohne Maßnahmen wäre die Infektionskurve exponentiell weiter gewachsen
  • Und die Viren hätten Abermillionen Menschen getötet
  • Wir aber haben die Viren-Krise durch den Lockdown gemeistert
  • Jetzt sind wir stolz - aber auch vorsichtig - denn die Viren können jederzeit zurück kommen

Was aber, wenn es ganz anders war?

Coronaviren machen in der kalten Jahreszeit rund 15% der grippalen Infekte aus. Das Immunsystem der Kinder und der meisten Erwachsenen wird damit problemlos fertig. Für Risikogruppen kann die aktuelle Mutation jedoch einen entscheidenden Unterschied ausmachen, weil das Immunsystem heftiger auf den Infekt reagiert als bei den "normalen" Coronaviren - und damit lebensgefährliche Lungenentzündungen und andere Symptome auslösen kann.

In Österreich liegt das durchschnittliche Alter der an der Corona-Infektion verstorbenen Personen bei rund 80 Jahren. Wie es jetzt aussieht ist die aktuelle Sterbekurve nicht auffällig, sie entspricht der normalen Mortalität in der kalten Jahreszeit. Im Winter 2017/18, aber speziell 2016/17 (siehe Grafik) schlug die Kurve in Deutschland oder Österreich deutlich höher aus und es gab eine wesentlich stärkere Sterblichkeit in der kalten Jahreszeit. Wir haben statistisch gesehen bisher also einen relativ unauffälligen Winter hinter uns. 

In den meisten Ländern hatte die Corona-Pandemie keine sichtbaren Auswirkungen
auf die Sterbekurve, in anderen Ländern (wie hier Belgien, Frankreich) sehr wohl
(Quelle: Euromomo.eu, Zeitraum Januar 2016 - April 2020)

Doch was ist mit Italien, New York und den anderen Hotspots der Krise? Da gab es doch ganz eindeutig eine Übersterblichkeit?

Das ist unbestritten. Denn es kam in unterschiedlichen Regionen zu unterschiedlich starken Verbreitungen der Viren. Mediziner berichteten, dass es in Oberitalien bereits im November zu ungewöhnlich heftigen Verläufen von Lungenentzündungen gekommen war. Dies spricht dafür, dass die Viren deutlich länger Zeit hatten, sich zu verbreiten, als bisher angenommen wurde. Und so erreichte die Infektion mit den neuartigen Viren eine große Anzahl von Menschen. Die stark betroffene Region Lombardei hat mehr als 10 Millionen Einwohner und zählt zu den am dichtesten bewohnten Gegenden Europas - mit einer überdurchschnittlich alten Bevölkerung.
Die Krankheitskurve stieg plötzlich stark an. Und das wurde - verstärkt durch die massenhaft durchgeführten Tests und die enorme mediale Aufmerksamkeit - live ins Wohnzimmer übertragen. Die Welt war geschockt und das verstärkte die Krise zusätzlich. Bestattungs-Unternehmen weigerten sich beispielsweise, die infizierten Toten abzuholen - zumal Begräbnisse sowieso nicht erlaubt waren. Die Leichen stapelten sich. Das Militär musste anrücken. Die psychologische Wirkung dieser Bilder auf eine unvorbereitete Öffentlichkeit war enorm.

Ab diesem Zeitpunkt ging es für die meisten Politiker darum, unbedingt öffentlichkeitswirksam zu handeln, um diese Krise mit den unabsehbaren Folgen für das heimische Gesundheitssystem vom eigenen Land fern zu halten. Mit gutem Management und entsprechender Message Control konnte das der eigenen Popularität sogar nutzen. 
Und so wurde ein Schritt nach dem anderen getan - der scheinbar alternativlos in die aktuelle Situation mündete.

Es gab also einen regional besonders starken Verlauf dieser neuartigen Infektion. Diese lief zunächst unbemerkt und mündete dann in einer großen Anzahl von kritisch erkrankten Personen, die gleichzeitig in die Krankenhäuser eingeliefert wurden. Das Sterberisiko nahm kurzfristig stark zu. Gleichzeitig verbreiteten sich jedoch die Viren wie ein Flächenbrand - die weitaus meisten Menschen in den Hotspots hatten nur die typischen grippalen Infekte oder gar keine Symptome. Doch sie waren fortan immun - und damit bildeten sie eine unsichtbare Wand, welche die Epidemiekurve auch relativ rasch wieder zum Absturz brachte.

Anderswo verlief der Anstieg der Kurve nicht so steil - das Gesundheitssystem wurde nicht so stark überlastet - die Sterbekurve war nicht sonderlich auffällig. Über ein ganzes Jahr gesehen unterscheidet sich die Mortalität zwischen Ländern mit starkem Ausschlag der Epidemie-Kurve und Ländern mit flachem – aber längerem – Verlauf dann aber möglicherweise gar nicht mehr so stark.
Zudem haben die schwerer betroffenen Länder bereits einen höheren Anteil an Menschen, die gegen die neuen Coronaviren immun sind. Wie hoch dieser Anteil genau ist, werden die anlaufenden Antikörper-Tests in den nächsten Wochen zeigen.

Wie sehr der radikale Lockdown des Sozial- und Wirtschaftslebens gerechtfertigt war, wird sich auch im Vergleich mit Ländern zeigen, die deutlich mildere Maßnahmen verhängt haben. Da steht uns noch eine spannende Analyse bevor. 
Einen Vorgeschmack auf wissenschaftliche Fakten, welche die derzeit bestehende Interpretation der Wirksamkeit der Maßnahmen erschüttern könnte, geben schon jetzt einzelne wissenschaftliche Arbeiten.


Der Lockdown kam erst im Nachhinein

Das Berliner Robert Koch Institut (RKI) hat kürzlich ausgerechnet, wie sich die berühmte Reproduktionszahl R im Lauf der letzten Wochen verändert hat.
R=1 würde bedeuten, dass ein Corona-Infizierter eine weitere Person ansteckt. R=2 bedeutet, dass sich die Zahl der Infizierten verdoppelt. Wenn R kleiner als 1 ist, so heißt das, dass die Epidemie zu Ende geht.
Ende Februar bis Anfang März war die Corona-Welle in Deutschland voll unterwegs. Da war R sogar kurz größer als 3.



Interessant ist der Einfluss der Maßnahmen, die gesetzt wurden:
Am 9.3. wurden alle Veranstaltungen von mehr als 1000 Teilnehmern abgesagt. Das war exakt die Zeit, als die Corona-Verbreitung ihren Höhepunkt erreichte.
Kurz danach fiel die Kurve steil ab.
Die Absage der Großveranstaltungen konnte darauf jedoch keinen Einfluss haben, weil der Zeitraum viel zu kurz war.

Nun fiel also die Kurve runter auf R=1.
Und dann erst - viel später am 23. März - wurde der Lockdown mit all den scharfen Maßnahmen verkündet.
Seither fällt die Kurve nicht mehr, sondern bleibt ziemlich stabil auf R=1 und leicht darunter.
Das RKI erklärt das u.a. mit der ständig zunehmenden Menge an Tests, die seither durchgeführt wurden und der Schwierigkeit, das mathematisch korrekt einzuordnen.

Doch eines geht klar aus der Studie des RKI hervor: Die Epidemie hat in Deutschland ihren Höhepunkt von Anfang bis Mitte März erreicht.
Der Lockdown - am 23. März - kam viel zu spät, um etwas zu bewirken. Das war eine Maßnahme, die im Nachhinein gesetzt wurde. Sie war eine gut gemeinte Reaktion auf die Krise, hatte aber kaum einen messbaren Effekt auf den Ablauf der Epidemie.

Denselben Trend haben unabhängig davon Experten der österreichischen AGES ermittelt. 
Auch wenn Österreich den Lockdown am 16. März – eine Woche früher als Deutschland – umgesetzt hat, fiel er mitten in den bereits bestehenden Abwärtstrend der Infektions-Kurve und hat diese nicht beeinflusst.

Experten rätseln über die Ursachen für den Abfall der Kurve. Lag es doch an der Absage der Großveranstaltungen, an der reduzierten Mobilität, am vielen Händewaschen? 

Oder hat der Frühling mit den höheren Temperaturen und dem geringeren Erkältungsrisiko den Abfall bewirkt?
Sehen wir uns mal an, wie die verschiedenen Viren normalerweise über den Jahreslauf verteilt sind. Hier eine Übersicht aus einem Standardwerk zum Auftreten der Erkältungsviren in der nördlichen Hälfte der Erdkugel:

Mit Ende April geht die Coronaviren-Saison normalerweise zu Ende. 
Geht sie heuer nur deshalb zu Ende, weil Maßnahmen gesetzt wurden? (Quelle)

Was wenn tatsächlich alles ganz anders war? Und nun – abgesehen von der medial verstärkten Krise in den Hot Spots – ein stinknormaler Winter mit einer ganz durchschnittlichen Winter-Übersterblichkeit zu Ende geht.
Und was, wenn die Sonne mit den höheren Temperaturen den Coronaviren den Garaus macht, so wie jedes Jahr - und besser als das alle Lockdown-Maßnahmen können.

Was nun in den kommenden Wochen folgt, wird entscheidend sein für die Aufarbeitung dieser globalen Krise. Kritische, möglichst objektive, unabhängige Wissenschaft wird – im Zusammenspiel mit einer seriösen medialen Aufarbeitung – den Ausschlag geben, ob es gelingt, die richtigen Lehren zu ziehen. Was uns jetzt nämlich droht ist der Rechtfertigungs-Schwall der Regierungen und ihrer behördlichen und wissenschaftlichen Berater. Sie haben wenig Interesse daran, dass sich heraus stellt, dass viele der Maßnahmen übertrieben waren. Sie möchten sich feiern lassen, als Retter vor den Viren, die jede einzelne Milliarde wohl überlegt in den Schutz der Bevölkerung investiert haben.

Doch ich will hier gar keine Schuldfrage anzetteln.
Wir haben als weltweite Community eine bisher noch nie da gewesene Erfahrung gemacht. Das müssen wir seriös aufarbeiten, um daraus zu lernen. Und das bedeutet sicherlich nicht, dass wir jetzt alle angstvoll auf die Einführung einer Corona-Schutzimpfung warten. Denn das durchbricht die Angstlogik nicht. Und schon bald würde darauf der nächste Lockdown folgen, weil das Viren-Tracking natürlich nicht aufhört. Und wer suchet, der findet sofort wieder etwas, vor dem man sich fürchten kann.
Und das wäre doch sehr sehr schade, wenn wir vor lauter Virenangst nicht mehr zu unserem "alten Leben" zurück kehren können: zu den Konzerten, den Fußball-Matches, den ausgelassenen Tänzen.


Mittwoch, 15. April 2020

Corona-Krise: Sonderwege, Zufälle und öffentliche Inszenierung

Die einen legen unter medialem Beifall das öffentliche Leben lahm - und improvisieren beim Schutz der Risikogruppen. Andere riskieren höhere Infektionsraten, um damit eine Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen. Es gibt nur eine Möglichkeit, sich vor der Corona-Krise zu schützen, sagt Anders Tegnell, der Architekt des schwedischen Sonderwegs und das ist die Immunität. Entweder man wartet 18 Monate auf eine Impfung - oder "die Menschen stecken sich an und werden wieder gesund." – Wer hat das bessere Rezept im Umgang mit den Coronaviren? 

Schweden setzt auf den Schutz der Risikogruppen - und lehnt den Lockdown ab (Foto: Jernej Furman)

Zwischen Belgien und den Niederlanden gab es viel böses Blut, weil die Holländer lange Zeit Veranstaltungen erlaubten und Geschäfte offen ließen. Belgien war hingegen unter den ersten EU-Ländern, die rigide Maßnahmen umgesetzt haben. Beide Länder sind etwa gleich dicht besiedelt. Beide hatten lange Zeit ähnliche Infektionsraten.
Wie ist es aber nun zu erklären, dass Belgien mit heutigem Stand 4.440 Corona-Todesfälle hat und die Niederlande weniger als 3.000?
Die Antwort liegt wohl im Übergreifen der Epidemie auf die Alten- und Pflegeheime. Von dort stammen nämlich 40% der belgischen Todesfälle. Das ist ein im internationalen Vergleich sehr hoher Anteil. Und es zeigt sich, was man eigentlich schon von Beginn an - von den chinesischen Erfahrungen her - wusste: Dass es in erster Linie drauf an kommt, diese Einrichtungen vor einem Übergreifen der Infektion zu schützen.

Insofern finde ich es einigermaßen spät, dass von Seiten der österreichischen Regierung "für die Zeit nach Ostern" ein Testschwerpunkt für die Alters- und Pflegeheime angekündigt wurde.
Man legt Mitte März ein ganzes Land still - um die Risikogruppe der chronisch Kranken und Hochbetagten zu schützen. Und Mitte April kommt man auf die Idee, dass es nun an der Zeit wäre, sich verstärkt den Heimen zu widmen.
Hätte man das nicht bereits ein Monat früher wissen können?
Oder ging es damals in erster Linie darum, Maßnahmen zu setzen, die jede Bürgerin / jeder Bürger sofort spürt. Damit deutlich wird, dass die Regierung entschlossen und handlungsstark ist und rasch etwas tut. Ob das auch sinnvoll ist, was getan wird, war wohl zweitrangig. Was zählte waren publikumswirksam im TV moderierte Sofortmaßnahmen.

Ich weiß aus persönlichen Kontakten, wie unterversorgt viele Heime mit Mundschutz & Co. waren. Wie sehr hier gewurschtelt und improvisiert werden musste. Wie kompliziert es war und wie lang es gedauert hat, bis Verdachtsfälle getestet werden konnten. Wie sich die Pfleger dann mit den "Risiko-Klienten" geplagt haben - und selbst keine Ahnung hatten, ob sie oder andere Kollegen nicht auch bereits längst infiziert waren.
Wie sehr es demnach pures Glück war, dass wir keine ähnlich hohe Infektionsrate wie Belgien oder Italien hatten.

Mehr und mehr zeigt sich, dass es wohl auf die unbemerkt abgelaufene Basis-Infektion in der Bevölkerung ankam, ob die Corona-Krise mehr oder weniger hart zugeschlagen hat. Das geschah Wochen oder Monate bevor überhaupt irgendwelche Maßnahmen gesetzt werden konnten - weil niemand ahnte, was im Stillen vor sich geht.
Und das wurde begünstigt, wenn dicht bevölkerte Ballungsräume zuerst infiziert wurden.
Und dann ging alles sehr schnell, als die Epidemie-Kurve anstieg und sichtbar wurde. Plötzlich überschwemmte eine Lawine an schwer kranken Menschen, binnen kurzer Zeit die Kliniken und löste in den Zentren der Epidemie das bekannte Katastrophen-Szenario aus.

Ob Schulen und Geschäfte etwas früher, oder später oder gar nicht geschlossen wurden, machte dabei weit weniger aus, als wir annehmen. Dies zeigt der Vergleich von Belgien und den Niederlanden - und auch der Verlauf der Infektionswelle in Großbritannien oder in Frankreich. Das unterscheidet sich nicht wesentlich. Wer annimmt, dass die Norweger oder die Österreicher klüger als die Spanier und die Franzosen wären oder die Süditaliener disziplinierter als die Norditaliener - wie das Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres kürzlich bei "Talk im Hangar" verlautbarte, macht sich und anderen etwas vor.

Am wichtigsten war wohl in erster Linie der Schutz bzw. Selbstschutz der Risikogruppen. Und ob es gelungen ist, die Viren aus den Alten- und Pflegeheimen, sowie bestimmten Krankenhaus-Abteilungen heraus zu halten.
In manchen Ländern ist das besser gelungen - teils durch gezielte Maßnahmen, teils durch pures Glück.

Jetzt wird es wärmer. Erkältungsviren klingen langsam ab. Wenn wir den Schutz der Risikogruppen hoch halten - wäre es eine gute Idee, die Kinder – nach dem Vorbild von Schweden – jetzt wieder in die Schulen und Kindergärten zu schicken. Damit sie dort noch Kontakt mit den Viren machen und immun werden.
Jedes immune Kind und jeder immune Erwachsene bildet im nächsten Winter, wenn die Viren wieder kommen, ein Schutzschild für die bedrohten Mitmenschen. Und verhindert ein neuerliches Aufflackern dieser Epidemie.

Montag, 6. April 2020

Coronaviren: Langsame Rückkehr zur Normalität

Die Zeichen mehren sich, dass der Höhepunkt der Corona-Krise überschritten ist. Deutlich früher als von vielen akademischen Reitern der Apokalypse erwartet, weisen die Zahlen der Neuinfektionen und Verstorbenen in Richtung eines Abklingens der Epidemie. Nun bleibt die Frage zu klären, was eigentlich konkret passiert ist. 
Und somit rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie hoch der Beitrag der Isolations-Maßnahmen zur Bewältigung der Krise war und wie rasch diese nun aufgehoben werden können.  

Handelte es sich - wie Kritiker der "Corona-Hysterie" meinen, um ein neuartiges aber ansonsten ganz normales Virus, das unter dem Vergrößerungsglas der PCR-Tests und der enormen medialen Aufmerksamkeit zu einem Gespenst aufgeblasen wurde? - Oder war es tatsächlich eine unabwendbare Natur-Katastrophe, die ähnlich einem Tsunami die Welt überrollte - und damit den größten Einbruch der Weltwirtschaft seit 1945 ausgelöst hat.
Dies wäre unbedingt und ohne Rücksichten aufzuklären. Denn davon hängt es auch ab, ob wir in Zeiten des immer intensiver werdenden Viren-Trackings künftig alle paar Jahre ähnliche Zustände erleben.



Accessoir des Jahres 2020: Schutzmasken (c: FolsomNatural)
Millionenfach wurden in den letzten Wochen Artikel des Bloggers Tomas Pueyo geteilt, in denen er den Politikern nahelegt zu handeln. Sie müssten, schreibt er, den Hammer drastischer Maßnahmen schwingen, damit wir danach den Tanz der Erleichterung zelebrieren können ("Der Hammer und der Tanz"). Pueyo beschreibt, dass die Länder genau eine einzige Möglichkeit haben, um den Zusammenbruch der Gesundheitssysteme zu verhindern: "Entweder kämpfen sie jetzt hart, oder sie werden eine massive Epidemie erleiden." Wenn sie nicht drastische Maßnahmen setzen, "werden Hunderttausende sterben. In einigen Ländern Millionen."

Er argumentiert, dass es in China durch massive Maßnahmen zur Unterdrückung der Virus-Weitergabe gelungen ist, die Epidemie in den Griff zu bekommen. Es wäre demnach heller Wahnsinn, diesem Beispiel nicht zu folgen.
Sein Szenario für die USA klingt wie die Apokalypse: 75% der Bevölkerung infizieren sich, von ihnen sterben 4%, weil das Gesundheitssystem überfordert ist. "Das ist ungefähr das 25-fache der Zahl der US-Toten im 2. Weltkrieg."
Falls die Sterberate nur bei 0,6% liegen sollte - weil 75% der Infizierten keine Symptome zeigen und deshalb von den Tests nicht erfasst würden - ginge die Sache etwas glimpflicher aus - dennoch wären immer noch 500.000 Todesfälle zu erwarten.
Ähnliche Zahlen gelten für Europa.
Natürlich hat Pueyo – ein erfolgreicher Software-Entwickler und Unternehmer – diese Zahlen nicht selbst erfunden. Er zitiert zur Untermauerung seiner Angaben die Arbeiten angesehener Experten. Um dieses Horrorszenario zu verhindern, gäbe es nur einen einzigen Weg: Jenen der bestmöglichen Unterdrückung ("Suppression") der Weitergabe der Viren.


Wer bekämpft die Viren richtig hart?

Pueyo skizzierte mit seinen Artikeln eine "neue Normalität", die nach und nach umgesetzt wurde: Mit den bekannten Einschränkungen des Privat- und Berufslebens: mit "Homeoffice", Ausgeh- und Versammlungs-Verboten, geschlossenen Schulen und Geschäften. Die Länder überboten sich gegenseitig in der Schärfe ihrer Maßnahmen.
Doch einige Länder wie Großbritannien, die Niederlande oder Schweden versuchten zunächst den weniger strikten Weg der "Mitigation". Damit ist die Minderung der Viren-Übertragung gemeint - im Wesentlichen durch den Schutz bzw. die Isolation der Risikogruppen sowie den freiwilligen Hausarrest von Menschen mit Krankheitssymptomen. Gleichzeitig sollten nach dieser Strategie aber Schulen und Kindergärten sowie die meisten Geschäfte offenbleiben, damit jene, die ein geringes Risiko haben, sich infizieren und in der Folge immun werden. Solcherart wäre dann auf Dauer ein Großteil der Bevölkerung immun - und damit auch die Risikogruppen in Sicherheit.

Großbritannien stand von Beginn an unter heftiger Kritik. Mehr als 200 Wissenschaftler unterzeichneten einen Appell, schleunigst auf den Weg der "Suppression" umzusteigen. Ein Bericht des Imperial College London prognostizierte eine halbe Million Todesopfer. Als dann auch noch die Fallzahlen kräftig anstiegen, wurde es Boris Johnson zu heiß und er änderte radikal die britische Corona-Strategie. Die Fallzahlen stiegen zwar auch in anderen Ländern, wo die "Suppression" durchgesetzt wurde, doch Johnson kämpfte hier bereits um sein politisches Überleben und hielt dem Druck nicht mehr stand.
Dasselbe geschah - mit Abstrichen - in den Niederlanden, obwohl hier im Vergleich zum extrem strengen Nachbarland Belgien viele Geschäfte offen blieben.
In Schweden sind - zumindest zum heutigen Tag - hingegen noch immer fast alle Schulen (für Schüler unter 16 Jahren) und Kindergärten, sowie Gasthäuser, Geschäfte und Grenzen offen. Damit steht Schweden nun exponiert mit seiner Strategie und allein unter heftiger Kritik. Laufend müssen sich schwedische Politiker und Behörden den teils recht aggressiv vorgetragenen Fragen der Weltpresse - sowie der internationalen Virologen-Community stellen.
Am Sonntag sagte Schwedens führender Epidemiologe Anders Tegnell, dass es Zeichen gebe, dass der Ausbruch bald den Höhepunkt erreicht hat und die Kurve der Neuinfektionen flacher wird - speziell in der Hauptstadt-Region um Stockholm.


Spielen die Maßnahmen überhaupt eine Rolle?

Ich habe hier einige europäische Länder mit ähnlicher Bevölkerungsgröße verglichen. Obwohl die Schweiz eines der ersten Länder war, das Veranstaltungen abgesagt und Schulen geschlossen hat, führt es die Liste der COVID-19 Fälle an. Belgien und die Niederlande - Nachbarn, die sich für unterschiedliche Strategien entschieden hatten, unterscheiden sich in den Auswirkungen kaum. Und das "offene" Schweden liegt ebenso weit unten, wie Tschechien, das in der EU als eines der ersten die Grenzen zu Nachbarländern geschlossen hat.  Österreich, das eine sehr restriktive Politik fährt, rangiert im Mittelfeld.
Bei derartigen Kurven ist immer mit zu bedenken, dass die Kurve gar nicht fallen kann, weil die Zahlen hier kumulativ angegeben werden.



Auch wenn die Zahlen nicht kumulativ angeführt werden, sondern nach neuen Fällen pro Tag, ergibt sich ein ähnliches Bild. 



Und hier nun die aktuellen Zahlen, die Hoffnung machen, dass der Spuk bald ein Ende hat.
Die weltweit erhobene Zahl der Todesfälle mit positivem Corona-Befund scheint den Gipfel erreicht zu haben.

Hier die Trends aus den am stärksten betroffenen Ländern Europas: Spanien, Italien und Frankreich: 



Der Wachstums-Faktor schwächt sich deutlich ab. Ein Wert unter eins bedeutet ein Schrumpfen der Fallzahlen. 

Natürlich bedeutet das noch nicht die endgültige Entwarnung. Es ist ein Hoffnungs-Schimmer. Doch allemal geben diese Zahlen weitere Rätsel auf. Denn was ist nun eigentlich passiert?
Wie war es möglich, dass in Italien, Frankreich und Spanien so derart katastrophale Zustände herrschen, während andere Länder offenbar glimpflicher davon kommen. Und zwar weitgehend unabhängig davon, ob aggressive oder weniger aggressive Maßnahmen verhängt werden.
Die Aufklärung dieses Rätsels ist von immenser Bedeutung. Denn eines ist klar: Wenn die aggressive Unterdrückung der Infektion sich als Königsweg erweist, so wird der öffentliche Druck groß sein, bei nächster Gelegenheit dieselben – oder noch drakonischere – Maßnahmen einzusetzen.

"Wenn die Epidemie abgeklungen ist, wird sich eine Schlange von Menschen bilden, die dafür die Lorbeeren einstreifen wollen. – Aber vergessen Sie dabei nicht den Witz über die Tiger", schreibt der dänische Wissenschaftler Peter Gøtzsche in seinem Artikel "Eine Epidemie der Massen-Panik".
Der Tiger-Witz geht so:
"Warum bläst du denn ständig in die Trompete?" – "Um die Tiger fernzuhalten." – "Aber hier sind doch gar keine Tiger" – "Na, siehst du, es wirkt!"


Die Sache mit den Schutzmasken

Unbestritten ist die Gefährlichkeit der neuartigen Coronaviren für ältere Personen mit Vorerkrankungen. Eine von den italienischen Behörden kürzlich veröffentlichte Analyse der Todesfälle ergab ein Durchschnittsalter von 79,5 Jahren. Nur fünf Menschen waren unter 40 Jahre, alle waren krank, ehe sie sich mit dem Virus infizierten. 70 Prozent der Opfer sind Männer. Drei Personen ( 0,8 Prozent) starben offenbar ausschließlich "am" Coronavirus - "ohne wenn und aber", wie die Italiener sagen. Alle anderen litten an mindestens einer schweren Vorerkrankung.

Die Risikogruppe war also von Beginn an klar definiert. Es galt in erster Linie die Alten- und Pflegeheime, sowie die mit alten Patienten frequentierten Krankenhaus-Abteilungen zu schützen. Denn dort sind die Hotspots, aus denen die Überlastung des Gesundheitssystems resultiert. Wenn sich in diesen Einrichtungen die Infektion verbreitet, beginnt der Zustrom zu den Intensivstationen. Von dort kommen die Patienten, die den Betrieb lahm legen. Dort besteht das höchste Sterberisiko.

Zu einem Zeitpunkt, als Länder wie Österreich oder Deutschland ihr Sozial- und Wirtschaftsleben weitgehend still legten, fehlte es aber vollständig an einer klaren Strategie zum Schutz dieser Risikogruppen. Es gab weder genug Schutzkleidung noch Masken, noch einheitliche Richtlinien für deren Anwendung. Weder wurden die Angestellten routinemäßig getestet, noch funktionierte die Isolation der infizierten Senioren. Viele der Schutzmasken waren zudem vor allem darauf ausgerichtet, jene zu schützen, die sie trugen. Die Atemluft der Ärzte und Pfleger strömte ungefiltert in die Umgebung.
Es ist also weitgehend ein Wunder, dass sich bisher keine größeren Epidemien in diesen Einrichtungen ausgebreitet haben und für ähnliche Sterbezahlen sorgen wie in Italien oder Spanien.

Von einem Tag auf den anderen wurde die Wirtschaft lahm gelegt. Es bildete sich ein Heer von Arbeitslosen, unzählige Menschen sind in ihrer Existenz bedroht. Viele Milliarden Euro müssen aus dem Steuertopf bezahlt werden. Was hier angerichtet wurde, ist in den Konsequenzen überhaupt noch nicht absehbar.
Doch ob sich die Pflegeheime und Krankenanstalten in tödliche Infektionsherde verwandeln, das war mehr oder weniger Glückssache. Opa und Oma, für deren Schutz das Katastrophen-Szenario in erster Linie veranstaltet wurde, waren dem vollen Infektionsrisiko ausgesetzt.


Lehren aus der Krise

Nun verhält sich die Epidemie also, wie sich Epidemien verhalten. Solange empfängliche Personen rundum sind, breiten sich die Viren mit enormer Geschwindigkeit aus. Wenn dann in den Zentren der Infektion die Zahl der immunen Menschen steigt, wirkt das wie eine unsichtbare Mauer und die Epidemie stürzt - so schnell wie sie gekommen ist - in sich zusammen.

Das Immunsystem der weitaus meisten Menschen hatte keine Probleme mit den Viren. Ein Teil entwickelte die üblichen Symptome eines grippalen Infekts, die Mehrzahl wurde immun - ohne jegliche Anzeichen von Krankheit. Doch die Viren gaben sie weiter. Und eine spezielle Risikogruppe – eben die viel zitierten alten Menschen mit Vorerkrankungen – war besonders gefährdet. "Bei diesen Patienten scheint die Krankheit eine zweite Phase einzulegen", beschrieb das Phänomen ein italienischer Intensivmediziner, dessen Namen ich mir leider nicht gemerkt habe. "Während die einen über dem Berg sind, gibt es hier eine zweite Phase, in der das Immunsystem massiv die Lungen attackiert."

Wir haben diese neuartigen Coronaviren erst am Höhepunkt der Epidemie in Wuhan bemerkt. Mit großer Wahrscheinlichkeit waren sie aber bereits Monate davor in Umlauf. Auch aus Oberitalien gab es laut Giuseppe Remuzzi, Direktor des Mario-Negri-Instituts für Pharmakologische Forschung in Mailand, bereits im November 2019 Berichte über "eine Häufung von ungewöhnlich verlaufenden Lungenentzündungen".
Es fällt uns generell schwer, eine solche Krankheit mit dem Verstand zu begreifen, weil wir den Viren immer hinterher sind. Es dauert im Schnitt drei bis vier Wochen von der Infektion bis zu den Spätfolgen mit Lungenentzündung und Lebensgefahr. Deshalb erleben wir die Sterbezahlen, die viele von uns gebannt auf Worldometers.info , ourworldindata.org oder euromomo.eu verfolgen, mit einer enormen Verzögerung. Diese Zahlen haben jedoch wenig zu tun mit den aktuellen Quarantäne-Maßnahmen, weil ihr Ursprung großteils in der Zeit vor dem Lockdown liegt.

Was nehmen wir nun mit aus diesem "Corona-Frühling" und seinem Wahrzeichen, der Schutzmaske?
"Das Wort von jedem Menschenleben, das zählt, ist ja sehr freundlich und human und im Prinzip stimme ich dem zu", schreibt der deutsche Psychologe, Philosoph und Gesundheitswissenschaftler Harald Walach. "Aber im Moment wird es so interpretiert, als müsse man jeden Tod immer und um jeden Preis vermeiden."
Walach kritisiert die unbedingte Konzentration auf das eine Virus - als gebe es plötzlich keine anderen gesundheitlichen Probleme oder Todesfälle mehr. "Man sollte den Leuten sagen: Ja, es werden Leute an dieser Infektion sterben. Das ist gar nicht vermeidbar. Sie sterben auch an Grippe, an gebrochenen Herzen, an Einsamkeit, an Verzweiflung, nur findet man dann keinen Virus und zählt sie nicht jeden Tag im Fernsehen. Aber man sollte auch sagen, daß das höchstwahrscheinlich nicht mehr sein werden, als wir es von anderen Infektionskrankheiten kennen."




Montag, 16. März 2020

Corona-Pandemie: Der britische Umgang mit der Krise

Während weltweit Isolation verordnet und das öffentliche Leben weitgehend unterbunden wird, geht Großbritannien einen Sonderweg. Schulbetrieb und Geschäftsleben laufen großteils weiter wie bisher. Die wissenschaftliche Steuerungsgruppe der Corona-Krise rund um Chef-Berater Patrick Vallance nahm bisher Abstand von drastischen Beschränkungen. Vallance spricht sogar davon, dass die Verbreitung der Viren erwünscht sei, weil damit "eine gewisse Herdenimmunität" geschaffen wird. Dadurch würden viele Kinder und Erwachsene, die ohnedies nur leicht erkranken, immun. "Wir reduzieren damit das Übertragungsrisiko und schützen jene, die am stärksten gefährdet sind: ältere und chronisch kranke Menschen."

Patrick Vallance erklärt via BBC das britische Vorgehen 

Diese Taktik steht in krassem Gegensatz zu dem, was derzeit in Rest-Europa abläuft: In Italien und Spanien werden landesweite Ausgangssperren überlegt, das öffentliche Leben ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Deutschland schließt - wie viele andere europäische Länder - seine Grenzen. In Tirol sind mehrere Gemeinden isoliert worden, ganz Österreich hat die Schulen und die meisten Geschäfte geschlossen. Alle Europacup-Bewerbe im Fußball sind - wie alle anderen größeren Sport- und Kulturveranstaltungen – abgesagt. Wer nicht gerade im Supermarkt oder im Gesundheitswesen beschäftigt ist, so die allgemeinen Ratschläge, soll möglichst zu Hause bleiben und im Home-Office arbeiten. Spaziergänge - hieß es heute in den Früh-Nachrichten - seien zwar erlaubt, – aber nur kurz und in Gruppen von höchstens fünf Familienmitgliedern.
Soweit der Alltag derzeit in Europa in Zeiten der von der WHO deklarierten COVID-19-Pandemie.


Alles zum Schutz der Alten

Restriktionen und Quarantäne sind allgegenwärtig. Viele Berufsgruppen erleiden massive Einkommens-Verluste, das Wirtschaftssystem bricht ein. In den Seniorenheimen herrscht Besuchsverbot. Alleinerziehende Mütter und Väter haben enorme Schwierigkeiten, die Auflagen zu befolgen - zumal Großeltern als mögliche Aufsichtspersonen ausfallen. "Kinder dürfen keinesfalls zu den Großeltern gebracht werden", erklärte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. "Denn das sind die Personen, die wir bestmöglich schützen wollen."
Allen Kritikern der extremen Maßnahmen tönt es entgegen: "Was ist wenn es Deine Eltern trifft?" – Wer sich nicht an die Vorgaben hält, gefährdet deren Leben, heißt es. – Das erklärte Ziel all dieser Notfall-Pläne ist es, den rasanten Anstieg der Todesfälle bei älteren Menschen - wie er derzeit in Italien beobachtet wird - zu begrenzen. Doch gibt es tatsächlich nur diese eine Methode, die derzeit Europa lahm legt, um die Alten zu schützen?


Großbritanniens Sonderweg

Es ist keineswegs so, dass Großbritannien gar nichts macht. Die Expertengruppe um den Chief Medical Officer Chris Whitty, seine Stellvertreterin Jenny Harries, den Chief Scientific Adviser Sir Patrick Vallance und die Verhaltenspsychologin Susan Michie haben ein ganzes Paket an Verhaltensregeln veröffentlicht:
  • Personen mit Grippe-ähnlichen Symptomen und Fieber über 37,8 Grad oder dauerhaftem Husten sollen sich von anderen Menschen fern halten und sieben Tage zu Hause bleiben
  • Ältere und chronisch Kranke Menschen sollen Situationen meiden, wo man mit vielen Menschen in Kontakt kommt
  • Immer wieder zwischendurch für 20 Sekunden die Hände mit Seife waschen
  • Beim Niesen oder Husten ein Taschentuch verwenden
  • Fassen Sie sich möglichst wenig mit den Händen ins Gesicht
Je nachdem, wie sich die Situation entwickelt, wird auch überlegt, dass ältere und chronisch Kranke zu Hause bleiben und dort versorgt werden sollen. 
Der Mediziner Patrick Vallance, bis vor kurzem noch Forschungsdirektor beim Pharmakonzern GlaxoSmithKline und nun oberster wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung, geht nicht davon aus, dass es sinnvoll ist, die Übertragung der Viren durch noch drastischere Maßnahmen zu unterbinden. "Quarantäne funktioniert nicht perfekt und außerdem kann man dies den Menschen nur über eine kurze Zeit zumuten." Deshalb, so Vallance, komme es auf das Timing an. Am wichtigsten sei es, zu vermeiden, dass viele Menschen gleichzeitig krank werden. Und dafür reichten die bisherigen Regeln aus.
Damit werde die Epidemie zwar etwas länger dauern, doch die Ressourcen des Gesundheitssystems würden nicht überfordert. Außerdem werde der kommende Frühling das seine tun, um die Erkältungsviren zurück zu drängen.
"Den Sombrero flach drücken", übersetzte Premier Boris Johnson den Briten diese Taktik, den Ausschlag der Epidemiekurve zu drosseln. Man werde in dieser Krise zwar "geliebte ältere Menschen vor der Zeit verlieren", sagte Johnson. Doch er vertraue darauf, dass sich der britische Weg als der nachhaltig bessere erweist.

Massive Kritik kam von allen Seiten. Rechtspopulist Nigel Farage warf ihm einen "Mangel an Führungsstärke" vor. Der ins Abseits gedrängte Ex-Gesundheitsminister Jeremy Hunt zeigte sich besorgt, dass Großveranstaltungen nicht abgesagt wurden. Und mehr als 200 Wissenschaftler unterzeichneten einen Aufruf, dem Beispiel Europas zu folgen und schärfere Maßnahmen zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung zu treffen.
"Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass sich die Leute im eigenen Zimmer bei Familienmitgliedern anstecken als in einem großen Raum", konterte Vallance. Außerdem mache es einen enormen Unterschied, ob man sich - sozusagen im Vorbeigehen - eine Infektion mit einer geringen Virenlast einfängt - oder ob ein frisch Infizierter die ganze Nacht im Ehebett den Partner anhustet.
Dass die "initiale Virenlast" eine beträchtliche Rolle spielt und für schwere Verläufe ursächlich sein kann, ist tatsächlich infektiologisches Basiswissen.
Boris Johnson gab dem Druck im Lauf des Tages immer mehr nach. Großveranstaltungen über 500 Teilnehmern müssen jetzt auch in Großbritannien abgesagt werden. Und weitere Verhaltens-Anpassungen werden - ähnlich jenen in der EU - wohl bald folgen. 


Warum ist die Lage in Italien so eskaliert?

Gegen Ende Februar gingen die Fallzahlen in Italien massiv in die Höhe und lösten eine Lawine lebensgefährlicher Erkrankungen aus, wie das davor nur beim Ursprung der COVID-19 Epidemie in der chinesischen Stadt Wuhan beobachtet worden war. Wie ist das zu erklären?
Rasch kamen Spekulationen auf, dass es sich beim Ausbruch um einen Direktimport aus China handelte. In Oberitalien gibt es mehr als 1000 Textilbetriebe, welche unter chinesischen Arbeitsbedingungen bei Stundenlöhnen von wenigen Euro und dem verkaufs-fördernden Etikett "Made in Italy" schnelle Mode – "pronto moda" – erzeugen. Meist werden diese Betriebe von Chinesen geführt, die im Auftrag großen Modeketten – oder für die Wochenmärkte – arbeiten. Rund 60.000 Arbeiter logieren unter meist miserablen Bedingungen in Massenquartieren. Viele von ihnen sind Schwarzarbeiter und nicht versichert. Deshalb konnten sie auch schwer zum Arzt gehen.
Die Mehrzahl der Textilarbeiter stammt aus der 9-Millionen-Einwohner Stadt Wenzhou. Und das war die erste Metropole außerhalb der Krisen-Provinz Hubei, die ebenfalls wegen der Corona-Krise unter Quarantäne gestellt wurde. Das geschah Anfang Februar.
Rund um das Chinesische Neujahrsfest, das am 25. Januar gefeiert wurde, gibt es alljährlich eine große Reisetätigkeit - und dabei ist es durchaus möglich, dass über frisch infizierte Textilarbeiter größere Viren-Exporte nach Italien statt gefunden haben.
Das Magazin zack-zack.at erstellte eine Grafik, in der die Corona-Fälle mit dem Anteil der in der jeweiligen Provinz gemeldeten chinesischen Staatsbürgern korreliert wurden. Die Übereinstimmung ist recht eindrucksvoll.

Direktimport der Coronaviren aus China? (Quelle: zack-zack.at)
Tatsache ist, dass es in Italien niemals gelungen ist, den so genannten "Patient Null" zu finden. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass es bereits über mehrere Wochen zu einer unbemerkten Ausbreitung der Viren gekommen ist, die dann in einem plötzlichen Epidemie-Peak mündete. Annähernd gleichzeitig  wurden in manchen Regionen Dutzende schwer kranke Menschen in die Kliniken eingeliefert. Die Isolationsräume waren rasch belegt, Atemschutzmasken und sonstiges Krisen-Equipment gingen aus. In der Folge steckten sich zahlreiche Beschäftigte in den Kliniken an. Die Krise bringt bis heute das italienische Gesundheitssystem an die Grenzen der Belastbarkeit. Allein gestern, am Sonntag, dem 15. März wurden 368 neue Todesfälle gemeldet. Bereits heute mittag, rechnen die Experten, werde die Grenze von 2.000 Todesfällen überschritten. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt laut einer ersten Übersichtsstudie bei 81 Jahren. Bei vielen dieser Personen sei es allerdings nicht klar, erklärten italienische Mediziner, ob die Viren oder die sonstigen schweren Erkrankungen der Patienten ursächlich für das Ableben waren.

Mit der enormen Durchseuchung in regionalen Hot Spots unterscheidet sich die Situation in Italien jedoch stark von den meisten Ländern Europas, wo sich die Fälle viel gleichmäßiger verteilen. Damit ist es auch leichter, die kranken Menschen zu identifizieren und diese zu isolieren.


Enorme Infektionsrate in Wuhan

Aus Italien liegen noch keine konkreten Zahlen vor, wie hoch in den betroffenen Provinzen der Anteil der Infektionen in der Gesamt-Bevölkerung ist. Wenn sich auch hier eine Parallele zu China findet, so wäre das die lange gesuchte Erklärung für den ungewöhnlichen Sturm auf die Kliniken.
Aktuelle Untersuchungen der Situation in China fanden nun nämlich, dass in der Stadt Wuhan 19,1% der Bevölkerung mit den mutierten Viren infiziert waren. Damit kamen hunderttausende alte und chronisch kranke Menschen mit den Viren in Kontakt. Und auf Basis dieses massiven Eisberges ist auch erklärbar, warum deren katastrophale Spitze sichtbar wurde.
Nachdem nun die Gesamtzahl der Infekte in Wuhan bekannt ist, war es auch möglich, das Sterberisiko, das ursprünglich mit 4,2% angegeben worden war, neu zu berechnen. Und nun kommen die Wissenschaftler auf eine Rate von 0,04 bis 0,12%, das sich tatsächlich kaum noch vom Sterberisiko anderer grippaler Infekte unterscheidet.

Erste Daten aus Italien zeigen, dass in den Zentren der Infektion die Situation ähnlich sein könnte. Sergio Romagnani, Professor für Immunologie an der Universität Florenz, veröffentlichte Infektionsdaten aus dem schwer betroffenen Dorf Vo 'Euganeo, das seit Wochen unter Quarantäne steht. "Die überwiegende Mehrheit der mit Covid-19 infizierten Menschen, zwischen 50 und 75%, ist völlig asymptomatisch und stellt eine gewaltige Ansteckungsquelle dar", erklärte der Mediziner gegenüber La Repubblica.


Sind die enormen Beschränkungen des öffentlichen Lebens gerechtfertigt?

Wäre es also vernünftiger, dem entspannteren britischen Weg zu folgen und die Isolations-Maßnahmen auf den Schutz der konkreten Risikogruppen zu konzentrieren? Auf Basis unseres Wissens über die biologischen Hintergründe spricht einiges dafür.
Rationaler ist der britische Weg jedenfalls, als viele der Hysterie-fördernden Bonmots, die man rundum von diversen Experten hört. Beispielsweise die Aussage des Wiener Wissenschaftlers Josef Penninger, der generalisierend behauptet hatte, dass Coronaviren "30 mal tödlicher" seien als Influenzaviren. Um diese Zahlen zu fabrizieren, muss man jedoch die höchsten Sterberaten aus China oder Italien zugrunde legen und die Dunkelziffer der vielen leicht verlaufenen, nicht getesteten Infektionen unter den Tisch fallen lassen.
Ebenso drastisch klingt eine Aussendung des "Complexity Science Hub" (CSH) an der Universität Wien, das sich mit Modellrechnungen hochkomplexer Systeme beschäftigt. Ohne die Einführung der drastischen Maßnahmen der Regierung hätten sich die Erkrankungszahlen in Österreich alle 2,27 Tage verdoppelt, verlautbart CSH-Vorstand Stefan Thurner. Damit wäre die "exponentielle Ausbreitung" der Infektionswelle noch rascher vorangeschritten als in Italien (Verdoppelungszeit 3,4 Tage). Dass die epidemiologische Situation sich – wie oben erwähnt – von jener in Italien massiv unterscheidet, wird dabei allerdings nicht berücksichtigt.
Auch die konkreten Daten der CSH-Modellrechnung werden derzeit von der Aktualität überholt - und sehen aus der Perspektive der Gegenwart weniger gut aus. So heißt es beispielsweise, dass in Tirol bereits am 16. 3. die Kapazitätsgrenze bei den Intensivbetten erreicht sein wird. Auf ORF-Tirol liest man – am Nachmittag des 16. 3. – hingegen folgendes: "Nur ein Bett auf der Innsbrucker Intensivstation ist derzeit mit einem Corona-Infizierten belegt – dieser soll aber bald auf ein „Normalbett“ verlegt werden."

Wissenschaftler der Universität Wien modellierten den Ernstfall - mit und ohne Massnahmen

Rund herum überbieten sich Experten mit ähnlich fundierten Warnungen und treiben damit die Politik zu immer radikaleren Maßnahmen. Möglicherweise haben diese Wortmeldungen aber auch bloß damit zu tun, dass es nun um die Verteilung von Fördergeldern für Impfstoffe, Medikamente und sonstige Expertisen geht. Und meist bekommen jene Experten, die am lautesten schreien, das größte Stück vom Kuchen.

PS: Das Sterberisiko in der Bevölkerung ist generell im Winter höher als in den wärmeren Monaten. Die aktuellen Daten für Europa (Stand vom 8. 3. 2020) zeigen, dass der heurige Winter diesbezüglich der mildeste seit vier Jahren war. Besonders im Winter 2016/17 aber auch im Winter 2017/18 gab es eine deutlich höhere Winter-Sterblichkeit als 2019/20. Dies gilt im speziellen auch für Italien, wo bisher weniger Menschen starben als in durchschnittlichen Wintern.

Sterbezahlen europäischer Länder der letzten vier Jahre (Daten: EUROMOMO.eu)