Freitag, 4. Mai 2018

Impfzentrale Schilda meldet: "Alles okidoki!"

"Viel Impfen schadet dem Immunsystem nicht", freut sich die Ärztezeitung in ihrer heutigen Ausgabe. Wer sich die im Journal der US-Ärztegesellschaft (JAMA) publizierte Studie ansieht, auf der dieser Artikel basiert, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Offenbar hat sich im Impfwesen nach und nach eine Logik der Selbstbestätigung etabliert, die jener der Schildbürger immer ähnlicher wird. Dafür haben sich die Wissenschaftler ein Design ausgedacht, das absolut wasserdicht gegen unerwünschte Resultate ist. 

Eine große US-Versicherung wollte im Verbund mit der US-Behörde CDC untersuchen, ob viel geimpfte Kinder anfälliger gegen Infekte sind als wenig geimpfte. Anlass für die Studie waren öffentlich geäußerte Sorgen über das intensive Impfprogramm. Während der letzten dreißig Jahre ist die Anzahl der empfohlenen Baby-Impfungen in den USA von drei auf zehn angestiegen. Mit den für die Grundimmunisierung notwendigen Dosen kommen US-amerikanische Kinder damit auf dreißig oder mehr Einzelimpfungen. Damit sollen 14 Krankheiten verhindert werden. 
Die Autoren schreiben: "Manche Eltern glauben, dass die Vielzahl der früh gegebenen Impfungen das Immunsystem der Babys überfordern könnte und diese häufiger krank sind." Immerhin 10 bis 15 Prozent der Eltern, so die Studienautoren, verschleppen deshalb den Impfbeginn oder weichen überhaupt auf individuelle Impfpläne aus. 

Die Studie war offenbar dafür gedacht, diesen bösen Verdacht zu prüfen und zu widerlegen. 

Und das ging so: 
  • Die Studienautoren nahmen rund 580.000 Datensätze aus ihrer Datenbank, Kinder mit Geburtsjahr zwischen 2003-2013. Erste Bedingung war, dass die Kinder in ein öffentliches Gesundheits-Programm eingeschlossen waren. 
  • Aus dieser Grundgesamtheit wurden 84.349 Kinder ausgeschlossen - und zwar jene, die zu wenig zum Arzt gingen und jene, die ungewöhnliche Impfungen erhalten hatten.
  • Aus der verbliebenen Studiengruppe wurden per Zufall 385 Fälle ausgewählt. Ihre Krankenakten wurden näher untersucht. Übrig blieben 193 Fälle, die wegen nicht-impfbarer Infekte in der Notfall-Ambulanz eines Krankenhauses gelandet waren. Sie bildete die Studiengruppe.
  • Ihr wurde eine Kontrollgruppe von 751 gleichaltrigen Kindern zugelost
Es wurden also zwei Gruppen mit sehr ähnlichem Hintergrund gebildet - zu viel, zu wenig oder ungewöhnlich geimpfte Kinder wurden ausgeschlossen.


Seltsamer Vergleich

Als Maß für die Menge an Impfungen, welche die Kinder erhalten hatten, wurde nicht die Anzahl der erhaltenen Impfungen genommen. Das wäre offenbar zu logisch gewesen.
Es wurde auch nicht die Menge der problematischen Zusatzstoffe genommen (z.B. die Menge der aluminiumhaltigen Wirkverstärker). Auch dies wurde nicht als nötig oder sinnvoll betrachtet.

Stattdessen wurde die Summe der verschiedenartigen Antigene berechnet, welche die Kinder im Lauf ihrer Impfungen erhalten hatten.

Als Antigene werden jene Teile von Fremdkörpern bezeichnet, die eine immunologische Reaktion auslösen. Meist handelt es sich dabei um Proteine, Kohlenhydrate oder Lipide welche an der Oberfläche von Viren oder Bakterien sitzen. Das heißt aber nun überhaupt nicht, dass diese Antigene toxisch sind oder von ihnen eine besondere Gefahr ausgeht. Es heißt nur, dass sie von Zellen des Immunsystems bzw. den Antikörpern erkannt werden. Antigene sind die Wirkstoffe der Impfung - ohne Antigene keine spezifische Immunreaktion.

Die verschiedenen Impfungen enthalten eine vollständig unterschiedliche Anzahl von Antigenen. Die Hepatitis B Impfung beispielsweise nur ein einziges: Das Hepatitis B Oberflächenantigen.
Die Hib Impfung enthält zwei Antigene, die Dreier-Kombi gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten je nach Präparat vier bis sechs Antigene. 
Lebendimpfstoffe hingegen enthalten deutlich mehr Antigene. Mit der Rotavirus Schluckimpfung nehmen die Babys 16, mit der MMR-Impfung 24 Antigene auf. Spitzenreiter ist die Windpocken-Impfung. Sie bringt es auf 69 Antigene.
Eine Windpocken-Impfung zählt in der Logik der Studienautoren demnach so viel wie 69 Hepatitis-B Impfungen. 


Keine Unterschiede

Nach ihrer Vorauswahl der nach Plan geimpften Kinder stellten die Studienautoren fest, dass die Gruppe der Kinder, die wegen Infekten im Krankenhaus gelandet war, sich kaum von der Kontrollgruppe unterschied. Beide Gruppen hatten etwa gleich viele Antigene erhalten. Und beide Gruppen hatten ein gleich großes Risiko auf Infekte.
Auch wenn man jenes Zehntel der Impflinge, die am wenigsten Antigene erhalten hatte mit dem Zehntel mit den meisten Antigenen verglich, gab es keine signifikanten Unterschiede.
Daraus schlossen die Autoren, dass die Anzahl der Antigene keinen schädlichen Einfluss auf das Immunsystem hat. Und daraus leiten wiederum die Fachjournalisten der Ärztezeitung die oben erwähnte beruhigende Aussage ab, dass "viel Impfen dem Immunsystem nicht schadet".


Was sagt die Studie wirklich aus?

Peter Leiner, der Autor des Artikels in der Ärztezeitung ergänzte seinen Artikel mit einem Kommentar, in der er die Studie als "Argument fürs Impfen" bezeichnete. "Immer noch befürchten einige Eltern, dass Mehrfachimpfstoffe oder ganz allgemein viele Impfungen dem Immunsystem ihres Kindes schaden könnten", erklärt er. "Dass dem nicht so ist, bestätigt jetzt eine große US-Studie: Darin wurde die Anzahl nicht-impfpräventabler Infektionen bei viel geimpften Kindern und bei wenig oder gar nicht geimpften Kindern miteinander verglichen."
Das Ergebnis ließe sich zweifellos auch auf Deutschland übertragen, schrieb Leiner und schloss seinen Kommentar mit der Forderung, es "sollte noch mehr getan werden, um Eltern versichern zu können, dass auch Mehrfachimpfungen sicher sind."

Spätestens mit diesem Kommentar wird deutlich, dass Leiner die Studie gar nicht verstanden hat und offenbar meint, dass eine Mehrfach-Impfung mehr Antigene enthält als eine Einzelimpfung und die Anzahl der Antigene eine Messlatte für die Anzahl der Impfungen ist. 

Die korrekte Interpretation der Studie hätte gelautet: "Wenn man stark geimpfte Kinder nach einem vollkommen absurden Mess-System mit anderen stark geimpften Kindern vergleicht, erkennt man wenig Unterschiede."