Mittwoch, 6. Oktober 2021

Schmutzige Tricks und Fehlinformationen

Persönliches Risiko richtig einzuschätzen, fällt wissenschaftlichen Laien schwer genug. Zumal die Informationen, welche uns über Medien, Politik und Behörden erreichen, oft genug ein Zerrbild der Realität darstellen. Wer das Risiko übertreibt oder falsch darstellt, fördert Angst. Und daraus entsteht eine ungute Polarisierung der Gesellschaft. – Die Informationen zur Covid-Pandemie liefern dafür ein hervorragendes Beispiel. (UPDATE, 12. 10. 2021)

Fehlinformation der Behörden führt zu Hetze in den Medien

An dem Tag, als die Kronen Zeitung (siehe Ausschnitt) berichtete, dass eine Krebspatientin keine Augen-Operation bekommt, weil die Intensivstation mit ungeimpften Covid-Infizierten voll ist, meldete Wien an die AGES eine Belegung von weniger als 100 Covid-Patienten, 275 waren noch frei. Eine negativ getestete Krebs-Patientin kommt zudem überhaupt nicht auf die Covid-Station.

Wie entstehen solche absurden Artikel?

Der beschriebene Fall wurde in der Kronen Zeitung als Coverstory gedruckt. Er vermittelt das Bild, dass ungeimpfte Patienten in Massen die Intensivbetten belegen - und dadurch arme Krebspatienten nicht behandelt werden können.

Solche Artikel entstehen aus Zorn und Unverständnis: Wie können die Menschen so dumm sein, sich nicht impfen zu lassen? Wo sie doch sich selbst und andere damit massiv gefährden. 

Doch stimmt es überhaupt, dass wir uns in einer Pandemie der Ungeimpften befinden?

Aktuelle Daten aus Großbritannien vermitteln nämlich ein ganz anderes Bild.

Aber der Reihe nach.


Transparenz-Vorbild England

An sich sollte man meinen, dass es bei positiv auf Covid getesteten Patienten im Krankenhaus vier Kategorien gibt:

  • vollständig geimpft (> 14 Tage nach der letzten Dosis)
  • unvollständig geimpft (< 14 Tage nach der letzten Dosis)
  • nicht geimpft
  • Impfstatus unbekannt

Die Behörde 'Public Health England' gibt das in seinen Wochenberichten auch so an. (siehe Table 5)

Das ist transparent und für alle verständlich.

Transparenz bedeutet für die Politik jedoch ein erhebliches Risiko. Denn wenn etwas schief geht, so erfährt das die Öffentlichkeit sofort und man gerät in Erklärungsnot.

Und so ist es jetzt auch.

Die Daten der letzten Wochen zeigen für England, dass in der Altersgruppe ab 50 Jahren... 

  • 89,7% der Covid-Infizierten 
  • 77,4% der mit positivem Test Hospitalisierten 
  • 74,6% der mit positivem Test Verstorbenen 

vollständig geimpft waren. 

Hier ein Überblick zur Verteilung der Todesfälle mit Covid-Diagnose während des letzten Monats (Anfang September bis Anfang Oktober 2021). Die Daten finden sich in Table 4.


Anders sieht es aus, wenn das Sterberisiko auf die entsprechende Altersgruppe der Geimpften oder Ungeimpften hoch gerechnet wird. Dann sind die Geimpften im Vorteil. 

In der Altersgruppe von 18 bis 29 sterben 4 pro Million Ungeimpfte - aber nur 1 pro Million Geimpfte. 

In der Altersgruppe von 30 bis 39 erhöht sich das Verhältnis auf 10 zu 1 (pro Million).

Dies steigert sich in der Altersgruppe über 80 Jahren auf 481 zu 1332 Todesfälle (pro Million).

Um eine ausgewogene Nutzen/Schadens Bilanz aufzustellen, müsste hier jedoch auch das Risiko mit einbezogen werden, das die Impfung mit sich bringt. Denn Personen, die nach der Impfung sterben - und nicht Covid-infiziert sind - werden hier natürlich nicht angeführt. Dieses Phänomen ist - speziell bei den älteren Menschen - jedoch nicht selten. Einige Länder haben behördliche Aufrufe an Ärzte erlassen, unbedingt abzuwägen, ob Menschen in fragilem Gesundheitszustand die durch die Impfung ausgelöste Belastung für den Organismus überhaupt verkraften können. 

In der jüngeren Altersgruppe müsste das Impf-bedingt höhere Risiko für Myokarditis (Herzmuskelentzündungen), Thrombosen, Schlaganfälle, etc. mit einberechnet werden.

 

Geimpfte haben ein höheres Infektionsrisiko als Ungeimpfte

Besonders interessant ist die Verteilung des Infektionsrisikos quer durch alle Altersgruppen. Hierzu liefert Public Health England eine eigene Aufschlüsselung (Siehe Table 2). Dabei wird gezeigt, wie viele positiv getestete Fälle pro Altersgruppe von jeweils 100.000 vollständig geimpften oder ungeimpften Personen im letzten Monat aufgetreten sind. Zu beachten ist hierbei auch, dass Ungeimpfte – speziell in der jüngeren Altersgruppe – viel mehr getestet werden, als Personen die einen gültigen Impfpass vorzeigen können. 

Abgesehen von den Jungen (bis 29 Jahre) haben die vollständig Geimpften
ein höheres Infektionsrisiko als Ungeimpfte

Zu beachten ist hier außerdem, dass in der jüngeren Altersgruppe die Impfung im Schnitt nicht so lange zurück liegt, wie bei den Älteren - und deshalb noch besser wirkt. 

Dass ab einem Alter von 30 Jahren geimpfte Personen durchwegs ein höheres Infektionsrisiko haben als ungeimpfte, ist ein Effekt, der im aktuellen Monatsbericht erstmals sichtbar wurde. Und er zeigt abermals, wie rasch die Wirkung der Impfung verpufft.

Diese Botschaft ist jetzt natürlich image-technisch nicht so optimal.


"Impfdurchbruch": die Tücke steckt im Detail

Doch wie steht es bei uns?

Um den Werbeslogan von der "Pandemie der Ungeimpften" nicht durch solche Transparenz zu gefährden, haben sich Behörden und Gesundheitspolitik in Deutschland und Österreich einige Tricks ausgedacht. 

Der wichtigste besteht darin, in den offiziellen Berichten nur die so genannten "Impfdurchbrüche" bekannt zu geben.

Als "Impfdurchbruch" gilt, wer trotz vollständiger Impfung SYMPTOMATISCH an Covid erkrankt ist. 

Und diese Definition beinhaltet zwei relativ leicht zu beeinflussende Details:

  1. Ob jemand Covid-Symptome hat, oder nicht, obliegt der subjektiven Einschätzung der Ärzte. Wenn jemand mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder als Unfallopfer ins Krankenhaus kommt, steht klarerweise die Hauptdiagnose im Vordergrund. Wenn diese Patienten dann positiv auf Corona getestet werden, so muss bewertet werden, ob die Patienten nebenher auch noch husten oder den Geruchssinn verloren haben. Nur dann zählen sie nämlich als "Impfdurchbruch". Hier besteht also ein relativ großer Interpretations-Spielraum.
  2. Die nächste Unbekannte ist der Zeitpunkt der Symptome. Die Patienten werden ja laufend getestet. Welcher Test wird herangezogen, um die Symptomatik festzumachen? Wenn die Covid-Symptome vergehen, die Folgen des Herzinfarktes aber noch therapiert werden müssen, handelt es sich dann um einen Impfdurchbruch, oder nicht? 

Ich habe sowohl das deutsche RKI als auch die österreichische AGES gebeten, mir diese Frage zu beantworten. Beide verwiesen mich nur auf die allgemeine Definition des Impfdurchbruchs. - Und dort steht das eben NICHT drin.

Ein Impfdurchbruch gilt nur "mit klinischer Symptomatik" als Versagen der Impfung

Mit diesen Tricks gelingt es bislang, die Öffentlichkeit zu täuschen und - so recht und schlecht - den Impf-Werbeslogan von der "Pandemie der Ungeimpften" aufrecht zu halten. 

Dazu trägt auch bei, dass viele Journalisten sofort den Umkehrschluss ziehen - und z.B. bei "6% Impfdurchbrüchen auf Intensivstationen" folgern: "94% der Intensivpatienten sind ungeimpft". 

Fake News am Beispiel ZDF

Sie vergessen dabei jedoch, dass im großen Topf der Nicht-Impfdurchbrüche auch Patienten ohne Symptome, Teilgeimpfte sowie Personen, bei denen der Impfstatus unbekannt ist, mitgezählt werden. Und damit kann sich der Anteil der angeblich ungeimpften mehr als halbieren. 

Damit verlieren dann auch die zahlreichen Hetzartikel gegen Ungeimpfte, welche Krebs- und sonstigen Patienten die Betten wegnehmen, ihre Fakten-Basis. 

Irregeleitete Medien fördern die Polarisierung in der Bevölkerung 

Da sich die Wirksamkeit der Impfung aber nicht nur in Großbritannien sondern überall (auch in D + Ö)  im Sturzflug befindet, kommt es laufend zu Dammbrüchen und die tatsächliche Faktenlage sickert durch.  

Bei uns halt etwas später als in Ländern mit seriöser Informationspolitik.


PS: Wenn Ihnen dieser Blog interessant und wichtig erscheint, würde ich mich über einen kleinen Beitrag zu meiner Arbeit sehr freuen.



Bert Ehgartner steht auch für Vorträge, Filmvorführungen, etc. zur Verfügung. 
Nähere Informationen finden Sie auf dieser Seite


6 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Maria Wölflingseder7. Oktober 2021 um 15:27

    Lieber Herr Ehgartner!
    Herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Aufklärung!

    Hier noch 2 Beispiele der verzerrten Berichterstattung, heute auf:
    https://wien.orf.at/stories/3124728/
    https://orf.at/stories/3231323/

    Und eine Kritik an der Hetze gegen Ungeimpfte:
    https://www.derstandard.at/story/2000129938584/impfdebatte-wider-das-staendige-schueren-von-hass

    Liebe Grüße
    Maria Wölflingseder, Dr. phil.
    Publizistin - von Theorie bis Poesie
    www.streifzuege.org/autorinnen/maria-woelflingseder

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    1. Es ist doch bitte nicht zu viel verlangt, sich aus Solidarität ein drittes, und bald vielleicht auch ein viertes, und danach ein fünftes, und dann eventuell auch ein sechstes, siebtes oder achtes-

      na, es ist egal wie oft, das kann ja nicht zu viel verlangt sein im Namen der Solidarität mit den vulnerablen Gruppen sich da impfen zu lassen, zumal "Ärzte" das ja auch sagen. Und die kennen sich schließlich aus, die haben das ja studiert. Naja, vielleicht nicht unbedingt studiert, aber zumindest peripher im Studium mal davon gehört. Und weiße Mäntel tragen sie auch. Also bitte!

      Impfdurchbrüche sind außerdem nicht der neuen Variante geschuldet oder der Tatsache, dass die Impfungen nunmal einfach nicht so effektiv sind wie das Pfizer-Aktienbesitzer gerne hätten. Nein, es liegt an der Solidaritätsfaulheit der selbstsüchtigen und egoistischen Bevölkerung, dass diese sich eben nicht die halbjährliche Spritze der Saison abgeholt hat, und stattdessen munter ein vergleichsweise harmloses Virus in der Bevölkerung verbreitet, ungeachtet der Konsequenzen, die von denen einer landläufigen Grippewelle womöglich auch noch kaum zu unterscheiden sind, weshalb wir so eine Situation wahrscheinlich sowieso hätten.

      Aber die Ärzte (!!!) sagen dass das vermeidbar wäre, und dass die Plörre ja gar nicht ins Blut geht sondern nur in den Muskel, also bitte, und Impfschäden gibt es auch keine, kann es ja gar keine geben, da man sie ja nie gemeldet hat. Ha!

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    2. Solche Artikel, wie den von Ihnen verlinkten aus dem Standard, sind ungeheuer wichtig. Aber leider in der krassen Unterzahl.

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    3. Sonja Glaser-Matouschek21. Oktober 2021 um 23:15

      Vielen Dank, Herr Ehgartner, ihr blog hält uns aufrecht! Sehr interessant ist auch, dass es von seiten einiger Ärzte wichtige Signale gibt und diese vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurden: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211019_OTS0042/covid-aerztekammer-blitzt-mit-disziplinarverfahren-gegen-massnahmenkritische-aerzte-ab lG

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  3. Bezüglich des ZDFs und der 94% siehe auch im Anhang:

    https://multipolar-magazin.de/artikel/pandemie-der-ungeimpften

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