Bei all den Zeitungs- und TV-Berichten, die derzeit umgehen, bekommt man den Eindruck, dass "Winter" ein vollständig altmodischer Begriff für die bevorstehende Jahreszeit ist. Eigentlich stehen wir nämlich vor der "Influenza-Saison". Und laufend sind wir mit der Frage konfrontiert, ob wir die Kinder und uns selbst impfen lassen sollen oder nicht.
Das, was wir gemeinhin als „Grippe“ bezeichnen kann vollständig unterschiedliche Ursachen haben. Es gibt mehr als 200 Viren, die Grippe oder grippale Infekte auslösen können. „Und auch wenn dies oft behauptet wird: Ohne Labortest können Ärzte die beiden Krankheiten nicht seriös auseinander halten“, erklärte mir Tom Jefferson, langjähriger Leiter der Impfabteilung der angesehenen Cochrane-Gruppe.
In der Tat haben zahlreiche Studien die Ansicht widerlegt, dass nur die „echten“ Influenzaviren ernsthafte Krankheiten machen, die grippalen Infekte hingegen banal verlaufen. Bei kranken älteren Menschen zeigten sich beispielsweise die so genannten RS-Viren genauso oft als Verursacher eines Spitalsaufenthalts wie Influenzaviren. Noch extremer war das Verhältnis bei Kindern. Eine umfangreiche US-Studie zeigte, dass Influenzaviren hier im Jahresschnitt gerade einmal drei Prozent aller Klinikeinweisungen bei Atemwegsinfektionen verursachten und damit in der Rangliste der Krankheitserreger deutlich hinter RS-Viren, Noroviren oder Parainfluenza-Viren lagen.
Besonders eindrucksvoll war dieser Unterschied während der Schweinegrippe-Pandemie von 2009/2010, wie eine Erhebung des nationalen slowenischen Gesundheitsinstituts in Ljubljana, ergab. Während die Influenza-Viren vorherrschten, kam es bei Kindern kaum zu Fällen von Bronchitits oder anderen Atemwegsinfekten, die einer Behandlung im Krankenhaus erforderten. Als die Grippesaison zu Ende ging und die RS-Viren dominierten, stiegen die stationären Aufnahmen hingegen um das Fünffache an.
Auch ein historischer Überblick zur Sterblichkeit der vergangenen hundert Jahre in den USA belegt, dass der Einfluss der Influenza grob überschätzt wird. Studienautor Peter Doshi vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston wies nach, dass nicht einmal in den berühmten Grippejahren von 1957/58 (Hongkong-Grippe) und 1968/69 (asiatische Grippe) ein merkbarer Anstieg der Gesamtsterblichkeit erkennbar war. “Deutlich zeigte sich hingegen, dass mit den Fortschritten in der medizinischen Versorgung, der Hygiene und des allgemeinen Lebensstandards das Sterberisiko stark absinkt”, erklärt Doshi. “Die Bedrohung durch eine Influenza-Pandemie wird extrem überschätzt.”
Ebenso wie der Schutzeffekt der Influenza-Impfung. Eine Analyse der Sterblichkeit in den USA während der vergangenen beiden Jahrzehnte ergibt nicht das geringste Indiz dafür, dass die Impfung überhaupt einen Effekt hatte. Obwohl sich die älteren Menschen heute viel öfter impfen lassen und die Impfrate von 15 Prozent im Jahr 1980 auf zuletzt 65 Prozent gestiegen war, ergab sich kein Rückgang bei den Todesfällen durch Influenza. “Unsere Ergebnisse stellen die derzeitigen Konzepte infrage, wie ältere Menschen am besten vor dem Grippetod geschützt werden können”, erklärten die Autoren im Schlusswort ihrer Studie.
Tatsächlich bestätigen die Zahlen, dass nur die spanische Grippe vom Nachkriegswinter 1918/19 sich überhaupt in einem Anstieg der Gesamtsterblichkeit bemerkbar machte.
Was machte die Spanische Grippe so gefährlich?
Zunächst einmal verlief die Krankheit so ungewöhnlich, dass viele Ärzte sie zunächst gar nicht für eine Influenza hielten, sondern an eine Rückkehr von Cholera oder Typhus dachten. Das begann schon mit dem Beginn des Ausbruchs, der nicht in die normale Grippesaison fiel, sondern bereits im Spätsommer 1918 startete und bis zum späten Frühjahr 1919 andauerte.
Eines der ersten Todesopfer war der spanische König. Tuberkulosekranke – wie etwa Franz Kafka – traf die Grippe besonders hart. Aderlässe und Blutegel kamen zu neuen Ehren. Naturheiler brauten Wundermittel aus Tollkirschen. Und dennoch war kein Kraut gewachsen. Edith Schiele starb als sie im 6. Monat schwanger war. Ihr Mann Egon steckte sich bei ihr an und folgte ihr kurz darauf ins Grab.
Während normale Grippewellen die Gefährdungskurve eines „U“ bilden – also für Kleinkinder und alte Menschen das höchste Risiko bedeuten, wurden hier speziell Menschen in der Blüte ihres Lebens, zwischen 20 und 40 Jahren dahingerafft. Im Jahr 2005 isolierten Wissenschaftler der US-Behörde CDC Originalviren von einem Influenzaopfer, das im Permafrost von Alaska konserviert worden war. Und hier zeigte sich bei Experimenten, dass die Viren bei Affen noch immer dieselben Symptome auslösen konnten, wie damals.
Todesursache der "spanischen Grippe" war ein sogenannter Zytokinsturm – eine extrem heftige Reaktion des Immunsystems, welche befallenes Gewebe im Körper regelrecht verwüstet. Also eine Überreaktion, die zwar die Infektion stoppt, dabei aber so großen Schaden – vor allem an den Lungen – anrichtet, dass sie für die Betroffenen gefährlicher war als die Viren selbst.
Auch der Grund, warum das Immunsystem – speziell bei jungen Erwachsenen – derart hysterisch reagierte, scheint nun geklärt. Eine Arbeitsgruppe um den Evolutionsbiologen Michael Worobey an der Universität von Arizona in Tucson rekonstruierte das Virus von 1918 und klärte auch dessen Entstehung durch Genanalysen auf. Dabei wurde klar, dass sich kurz vor dem Ausbruch eine vollständig neuartige Mischung mit Anteilen von Pferde- und Vogelviren gebildet hatte, die später als H1N1 Typus kategorisiert wurde. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren hatten schon mit deren Vorgängern Bekanntschaft gemacht und hatten deshalb einen gewissen Schutz vor der neuen Variante. Die Altersgruppe der über 20-jährigen war in ihrer Kindheit – im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts – jedoch ausschließlich mit H3N8 Viren konfrontiert. Und hier reagierte das Immunsystem nun vollkommen überrascht und in fataler Weise falsch.
Worobey schließt daraus, dass der frühe virale Kontakt in der Kindheit den wichtigsten Schutz vor neuartigen Virenvarianten darstellt. „Das wird in den derzeitigen Impfstoff-Strategien aber überhaupt nicht bedacht.“
Wenn Geimpfte ein höheres Risiko haben
Mediziner und Schulbehörden in Kanada machten während der Schweinegrippe-Pandemie eine interessante Beobachtung, die für zukünftige Ereignisse lehrreich sein könnten: Sie bemerkten, dass die meisten Kinder mit dem neuartigen Virentyp, der damals die Welt umrundete, problemlos zurecht kamen. Es gab jedoch eine Ausnahme: Vergleichsweise schwer erkrankten nämlich jene Kinder, die zuvor jährlich eine Grippe-Impfung erhalten hatten. Auch hier waren die – zum Glück seltenen Todesfälle – meist wieder durch einen Zytokinsturm des Immunsystems ausgelöst.
In Kanada wurden gleich vier Studien durchgeführt, um diesen Verdacht zu prüfen und ihn schließlich auch bestätigten: Anscheinend ist es für das Immunsystem der Kinder von Vorteil, die Viren - ohne pharmazeutische Schützenhilfe - kennen zu lernen. Dann erwerben sie über den immunologischen Kontakt auch das Rüstzeug, mit stark veränderten Viren klarzukommen. Jene Kinder, die keine saisonale Grippe-Impfung erhielten, profitierten über den Kontakt mit anderen Influenza-Stämmen und hatten gegenüber der neuartigen Variante zumindest einen Teilschutz erworben. Das Immunsystem war vorgewarnt und die Krankheit verlief zumeist mild. Die Impfung hingegen stört offenbar diesen Lerneffekt des Immunsystems.
Eine Gruppe von Virologen und Kinderärzten der Erasmus Universität Rotterdam untersuchten diesen Zusammenhang mit einem recht drastischen Experiment. Dafür setzten die Wissenschaftler Mäuse verschiedenen Impfungen und nachfolgenden Infektionen aus. Der entscheidende „Elchtest“ für die Tiere war eine Konfrontation mit Vogelgrippe Viren vom Typ H5N1. Dieser besonders gefährliche Virustyp galt als Dummy für eine neuartige tödliche Mutation der Influenzaviren.
Die Überlebenschancen der Mäuse, die in diesem Experiment eingesetzt wurden, standen nicht sonderlich gut:
Was denken Sie, war die einzige Variante, bei der die armen Versuchsmäuse dieses Experiment überlebten?
Folgendes: Das Überlebensrezept bestand darin, dass die Mäuse ungeimpft eine normale Grippe durchmachten. Sie wurden krank und erholten sich wieder. Und siehe da: Danach waren sie plötzlich gegen die ansonsten stets tödlichen H5N1 Vogelgrippe-Viren gewappnet.
Sie hatten weniger Viren in der Lunge, erkrankten weniger heftig und die meisten Tiere überlebten den Kontakt mit der Influenza-Mutation.
Und dieser Lerneffekt des Immunsystems erklärt nach Ansicht der holländischen Mediziner auch die unterschiedlichen Verläufe, die während der Schweinegrippe Pandemie beobachtet wurden. Länder mit geringer Impfmoral bei der saisonalen Grippe-Impfung - wie beispielsweise Österreich, Holland oder Deutschland, kamen mit der Pandemie am besten zurecht.
Länder wie die USA, wo die „Flu-Shots“ bereits ab einem Alter von 6 Monaten empfohlen und von der Bevölkerung auch angenommen werden, hatten hingegen während der Schweinegrippe-Pandemie eine vergleichsweise hohe Sterblichkeit.
Wer seine Kinder gegen Grippe impft, geht demnach also das Risiko ein, dass diese nur eine "Scheinimmunität" gegen die in der Impfung enthaltenen Antigene erhalten, sich jedoch keine breitere Immunität gegen nachfolgende andersartige Grippeviren ausbilden kann. Und wenn dann doch einmal mutierte Viren kommen, verkehrt sich der vermeintliche Schutz ins Gegenteil.
Glücksspiel Influenza Impfung
Kaum eine Impfung hat einen so schlechten Ruf wie die Influenza-Impfung. Besonders skeptisch sind hier die Österreicher. Die Durchimpfungsrate, errechnet auf Basis der abgegebenen Impfdosen, betrug während der Saison 2017/18 magere 6,4 Prozent. „Im Vergleich zum Vorjahr war das zwar eine Steigerung von fast einem Prozent, insgesamt ist die Rate aber nach wie katastrophal", hieß es von Seiten des Verbands der Impfstoffhersteller.
Die Grippewelle von 2017/18 war eine der stärksten der vergangenen Jahrzehnte. Sie begann rund um Weihnachten und dauerte ungewöhnlich lange bis Ende März. In Deutschland wurden bis Jahresmitte 2018 mehr als 270.000 Influenza-Fälle gemeldet. Im gesamten Jahr 2017 waren es dagegen nur 95.977 Meldungen. Nach Angaben der „Arbeitsgemeinschaft Influenza“ sind 1.287 Menschen in Deutschland an Grippe verstorben. „Diese offiziellen Zahlen zur aktuellen Grippesaison beschreiben wohl längst nicht das tatsächliche Infektionsgeschehen“, erklärte STIKO-Vorsitzender Thomas Mertens gegenüber der Ärztezeitung. Er geht von zehnmal höheren tatsächlichen Grippezahlen aus und von rund 12.000 Influenza bedingten Todesfällen. Bei derartigen Ungenauigkeiten stellt sich allerdings die Frage, warum überhaupt eine bundesweites - aus Steuergeldern finanziertes Influenza-Überwachungssystem notwendig ist, wenn dann die „tatsächlichen Zahlen“ ums Zehnfache abweichen.
Der Großteil der Erkrankungen wurde vom Influenza Typ B - vom Stamm Yamagata - ausgelöst. Die H1N1 Variante vom Influenza Typ A, die in den Vorjahren vorgeherrscht hatte, war nur mehr für rund 25 bis 30% der Fälle verantwortlich. Blöd war allerdings, dass von den Impfstoffen nur ein einziger auch diesen Stamm abdeckte. Und der war - als sich dies herumsprach - bald nicht mehr lieferbar. Die Schutzwirkung der Impfung lag nach Angaben der Behörden insgesamt zwischen 25 und 52%. Für die nächste Saison soll nun jedenfalls auch der Stamm Yamagata in allen Impfstoffen enthalten sein. Man wird sehen, ob diese Nachjustierung den entscheidenden Erfolg beschert, oder ob sich auch diesmal wieder ein unvorhergesehener Virenstamm breit macht.
Vorsicht vor Geimpften: Sechsmal mehr Viren in der Atemluft
Die Wirksamkeit der Impfung war nicht nur in der vergangenen Saison schlecht. Die Influenza-Impfung ist ein Dauer-Sorgenkind. Laut der unabhängigen Cochrane Collaboration bestehen bezüglich der Wirksamkeit der Influenza Impfung zwei schwarze Löcher. Für Kinder unter 2 Jahren gibt es gar keinen Nachweis der Wirksamkeit. Ebenso schlecht ist die Datenlage für Personen im Alter über 65 Jahren. Und sogar bei Menschen in Gesundheitsberufen schließen die Cochrane-Autoren:
Im Gegenteil. Aktuelle Studien weisen sogar auf ein höheres Risiko. Die Kontaktpersonen von Geimpften haben allen Grund vorsichtshalber eine Atemmaske zu tragen. Dies zeigte eine Anfang 2018 veröffentlichte Arbeit, bei der die Atemluft von 355 Personen mit Grippe-Symptomen auf Viren untersucht wurde. Jene, die aktuell und im Jahr davor die saisonale Influenza-Impfung erhalten haben, hatten im Vergleich zu nicht geimpften Grippe-Kranken eine sechsmal so hohe Virenlast in ihrer Atemluft.
Unter Impfexperten wurde diese gut gemachte Studie weitgehend ignoriert. Die Werbekampagnen laufen, wie jedes Jahr. Derzeit, so der Cochrane Impfexperte, Tom Jefferson, "gleicht die Werbung für die Influenza-Impfung eher den Praktiken von Staubsauger-Verkäufern auf Jahrmärkten".
In manchen Jahren bezieht sich das schwarze Wirksamkeitsloch der Impfung nicht nur auf Kleinkinder und Senioren, sondern dehnt sich auf die gesamte Bevölkerung aus. Als Grund für diese Abstürze nennen die Influenza-Experten die zeitverzögerten Herstellung. Der Impfstoff wird nämlich ein halbes Jahr im voraus - nach den vorherrschenden Influenza-Viren auf der Südhalbkugel - konzipiert. Und welche Typen sich dann sechs Monate später tatsächlich im Norden zeigen, ist Glückssache.
Seit Jahren fordert die Cochrane Collaboration, dass die Auswirkungen der Influenza Impfung in einer gut gemachten Vergleichsstudie zwischen Geimpften und Ungeimpften gemessen werden. Nur so wäre eine objektive Bewertung der Impfung möglich. Tatsächlich weiß man bisher nicht einmal annähernd, wie viele Krankheitstage sich ein durchschnittlicher gesunder Erwachsener durch eine Impfung erspart. Wenn man sich überhaupt etwas erspart.
Die Hersteller der Impfstoffe sehen keinen Anlass, so eine Studie zu finanzieren. Offenbar erscheint ihnen das Risiko zu groß, dass die Resultate einer derartigen Arbeit ihnen einen nachhaltigen finanziellen Schaden zufügen könnten. Es läge also an den Gesundheitsbehörden, hier tätig zu werden und so eine Studie öffentlich zu finanzieren. Schließlich werden auch viele Millionen an Steuergeld an Zuschüssen für die jährlichen Influenza-Impfaktionen bezahlt. Höchste Zeit, sollte man meinen, dass diese Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft werden. Bislang konnten sich die Behörden jedoch nicht zu einer relevanten Aktivität aufraffen.
Dieser Artikel ist ein kurzer Ausschnitt aus dem Influenza-Kapitel in meinem aktuellen Buch "Gute Impfung - Schlechte Impfung", das im Oktober 2018 im Verlag Ennsthaler erschienen ist. (417 Seiten, 24,90€)
Foto: Andre Borges/Agência Brasília |
Das, was wir gemeinhin als „Grippe“ bezeichnen kann vollständig unterschiedliche Ursachen haben. Es gibt mehr als 200 Viren, die Grippe oder grippale Infekte auslösen können. „Und auch wenn dies oft behauptet wird: Ohne Labortest können Ärzte die beiden Krankheiten nicht seriös auseinander halten“, erklärte mir Tom Jefferson, langjähriger Leiter der Impfabteilung der angesehenen Cochrane-Gruppe.
In der Tat haben zahlreiche Studien die Ansicht widerlegt, dass nur die „echten“ Influenzaviren ernsthafte Krankheiten machen, die grippalen Infekte hingegen banal verlaufen. Bei kranken älteren Menschen zeigten sich beispielsweise die so genannten RS-Viren genauso oft als Verursacher eines Spitalsaufenthalts wie Influenzaviren. Noch extremer war das Verhältnis bei Kindern. Eine umfangreiche US-Studie zeigte, dass Influenzaviren hier im Jahresschnitt gerade einmal drei Prozent aller Klinikeinweisungen bei Atemwegsinfektionen verursachten und damit in der Rangliste der Krankheitserreger deutlich hinter RS-Viren, Noroviren oder Parainfluenza-Viren lagen.
Besonders eindrucksvoll war dieser Unterschied während der Schweinegrippe-Pandemie von 2009/2010, wie eine Erhebung des nationalen slowenischen Gesundheitsinstituts in Ljubljana, ergab. Während die Influenza-Viren vorherrschten, kam es bei Kindern kaum zu Fällen von Bronchitits oder anderen Atemwegsinfekten, die einer Behandlung im Krankenhaus erforderten. Als die Grippesaison zu Ende ging und die RS-Viren dominierten, stiegen die stationären Aufnahmen hingegen um das Fünffache an.
Auch ein historischer Überblick zur Sterblichkeit der vergangenen hundert Jahre in den USA belegt, dass der Einfluss der Influenza grob überschätzt wird. Studienautor Peter Doshi vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston wies nach, dass nicht einmal in den berühmten Grippejahren von 1957/58 (Hongkong-Grippe) und 1968/69 (asiatische Grippe) ein merkbarer Anstieg der Gesamtsterblichkeit erkennbar war. “Deutlich zeigte sich hingegen, dass mit den Fortschritten in der medizinischen Versorgung, der Hygiene und des allgemeinen Lebensstandards das Sterberisiko stark absinkt”, erklärt Doshi. “Die Bedrohung durch eine Influenza-Pandemie wird extrem überschätzt.”
Ebenso wie der Schutzeffekt der Influenza-Impfung. Eine Analyse der Sterblichkeit in den USA während der vergangenen beiden Jahrzehnte ergibt nicht das geringste Indiz dafür, dass die Impfung überhaupt einen Effekt hatte. Obwohl sich die älteren Menschen heute viel öfter impfen lassen und die Impfrate von 15 Prozent im Jahr 1980 auf zuletzt 65 Prozent gestiegen war, ergab sich kein Rückgang bei den Todesfällen durch Influenza. “Unsere Ergebnisse stellen die derzeitigen Konzepte infrage, wie ältere Menschen am besten vor dem Grippetod geschützt werden können”, erklärten die Autoren im Schlusswort ihrer Studie.
Tatsächlich bestätigen die Zahlen, dass nur die spanische Grippe vom Nachkriegswinter 1918/19 sich überhaupt in einem Anstieg der Gesamtsterblichkeit bemerkbar machte.
Was machte die Spanische Grippe so gefährlich?
Zunächst einmal verlief die Krankheit so ungewöhnlich, dass viele Ärzte sie zunächst gar nicht für eine Influenza hielten, sondern an eine Rückkehr von Cholera oder Typhus dachten. Das begann schon mit dem Beginn des Ausbruchs, der nicht in die normale Grippesaison fiel, sondern bereits im Spätsommer 1918 startete und bis zum späten Frühjahr 1919 andauerte.
Eines der ersten Todesopfer war der spanische König. Tuberkulosekranke – wie etwa Franz Kafka – traf die Grippe besonders hart. Aderlässe und Blutegel kamen zu neuen Ehren. Naturheiler brauten Wundermittel aus Tollkirschen. Und dennoch war kein Kraut gewachsen. Edith Schiele starb als sie im 6. Monat schwanger war. Ihr Mann Egon steckte sich bei ihr an und folgte ihr kurz darauf ins Grab.
Während normale Grippewellen die Gefährdungskurve eines „U“ bilden – also für Kleinkinder und alte Menschen das höchste Risiko bedeuten, wurden hier speziell Menschen in der Blüte ihres Lebens, zwischen 20 und 40 Jahren dahingerafft. Im Jahr 2005 isolierten Wissenschaftler der US-Behörde CDC Originalviren von einem Influenzaopfer, das im Permafrost von Alaska konserviert worden war. Und hier zeigte sich bei Experimenten, dass die Viren bei Affen noch immer dieselben Symptome auslösen konnten, wie damals.
Todesursache der "spanischen Grippe" war ein sogenannter Zytokinsturm – eine extrem heftige Reaktion des Immunsystems, welche befallenes Gewebe im Körper regelrecht verwüstet. Also eine Überreaktion, die zwar die Infektion stoppt, dabei aber so großen Schaden – vor allem an den Lungen – anrichtet, dass sie für die Betroffenen gefährlicher war als die Viren selbst.
Auch der Grund, warum das Immunsystem – speziell bei jungen Erwachsenen – derart hysterisch reagierte, scheint nun geklärt. Eine Arbeitsgruppe um den Evolutionsbiologen Michael Worobey an der Universität von Arizona in Tucson rekonstruierte das Virus von 1918 und klärte auch dessen Entstehung durch Genanalysen auf. Dabei wurde klar, dass sich kurz vor dem Ausbruch eine vollständig neuartige Mischung mit Anteilen von Pferde- und Vogelviren gebildet hatte, die später als H1N1 Typus kategorisiert wurde. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren hatten schon mit deren Vorgängern Bekanntschaft gemacht und hatten deshalb einen gewissen Schutz vor der neuen Variante. Die Altersgruppe der über 20-jährigen war in ihrer Kindheit – im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts – jedoch ausschließlich mit H3N8 Viren konfrontiert. Und hier reagierte das Immunsystem nun vollkommen überrascht und in fataler Weise falsch.
Worobey schließt daraus, dass der frühe virale Kontakt in der Kindheit den wichtigsten Schutz vor neuartigen Virenvarianten darstellt. „Das wird in den derzeitigen Impfstoff-Strategien aber überhaupt nicht bedacht.“
Wenn Geimpfte ein höheres Risiko haben
Mediziner und Schulbehörden in Kanada machten während der Schweinegrippe-Pandemie eine interessante Beobachtung, die für zukünftige Ereignisse lehrreich sein könnten: Sie bemerkten, dass die meisten Kinder mit dem neuartigen Virentyp, der damals die Welt umrundete, problemlos zurecht kamen. Es gab jedoch eine Ausnahme: Vergleichsweise schwer erkrankten nämlich jene Kinder, die zuvor jährlich eine Grippe-Impfung erhalten hatten. Auch hier waren die – zum Glück seltenen Todesfälle – meist wieder durch einen Zytokinsturm des Immunsystems ausgelöst.
In Kanada wurden gleich vier Studien durchgeführt, um diesen Verdacht zu prüfen und ihn schließlich auch bestätigten: Anscheinend ist es für das Immunsystem der Kinder von Vorteil, die Viren - ohne pharmazeutische Schützenhilfe - kennen zu lernen. Dann erwerben sie über den immunologischen Kontakt auch das Rüstzeug, mit stark veränderten Viren klarzukommen. Jene Kinder, die keine saisonale Grippe-Impfung erhielten, profitierten über den Kontakt mit anderen Influenza-Stämmen und hatten gegenüber der neuartigen Variante zumindest einen Teilschutz erworben. Das Immunsystem war vorgewarnt und die Krankheit verlief zumeist mild. Die Impfung hingegen stört offenbar diesen Lerneffekt des Immunsystems.
Eine Gruppe von Virologen und Kinderärzten der Erasmus Universität Rotterdam untersuchten diesen Zusammenhang mit einem recht drastischen Experiment. Dafür setzten die Wissenschaftler Mäuse verschiedenen Impfungen und nachfolgenden Infektionen aus. Der entscheidende „Elchtest“ für die Tiere war eine Konfrontation mit Vogelgrippe Viren vom Typ H5N1. Dieser besonders gefährliche Virustyp galt als Dummy für eine neuartige tödliche Mutation der Influenzaviren.
Die Überlebenschancen der Mäuse, die in diesem Experiment eingesetzt wurden, standen nicht sonderlich gut:
- Wurden die Mäuse mit dem saisonalen Impfstoff geimpft und danach mit den Vogelgrippe-Viren konfrontiert, so starben sie.
- Wurden die Mäuse nicht geimpft und dann mit den Vogelgrippe Viren konfrontiert, so starben sie ebenfalls.
- Wurden die Mäuse mit saisonalem Impfstoff geimpft, danach mit saisonalen Viren infiziert, so überstanden sie im Normalfall die saisonale Grippe, starben aber ebenfalls wieder, wenn sie anschließend mit H5N1 infiziert wurden.
Was denken Sie, war die einzige Variante, bei der die armen Versuchsmäuse dieses Experiment überlebten?
Folgendes: Das Überlebensrezept bestand darin, dass die Mäuse ungeimpft eine normale Grippe durchmachten. Sie wurden krank und erholten sich wieder. Und siehe da: Danach waren sie plötzlich gegen die ansonsten stets tödlichen H5N1 Vogelgrippe-Viren gewappnet.
Sie hatten weniger Viren in der Lunge, erkrankten weniger heftig und die meisten Tiere überlebten den Kontakt mit der Influenza-Mutation.
Und dieser Lerneffekt des Immunsystems erklärt nach Ansicht der holländischen Mediziner auch die unterschiedlichen Verläufe, die während der Schweinegrippe Pandemie beobachtet wurden. Länder mit geringer Impfmoral bei der saisonalen Grippe-Impfung - wie beispielsweise Österreich, Holland oder Deutschland, kamen mit der Pandemie am besten zurecht.
Länder wie die USA, wo die „Flu-Shots“ bereits ab einem Alter von 6 Monaten empfohlen und von der Bevölkerung auch angenommen werden, hatten hingegen während der Schweinegrippe-Pandemie eine vergleichsweise hohe Sterblichkeit.
Wer seine Kinder gegen Grippe impft, geht demnach also das Risiko ein, dass diese nur eine "Scheinimmunität" gegen die in der Impfung enthaltenen Antigene erhalten, sich jedoch keine breitere Immunität gegen nachfolgende andersartige Grippeviren ausbilden kann. Und wenn dann doch einmal mutierte Viren kommen, verkehrt sich der vermeintliche Schutz ins Gegenteil.
Glücksspiel Influenza Impfung
Kaum eine Impfung hat einen so schlechten Ruf wie die Influenza-Impfung. Besonders skeptisch sind hier die Österreicher. Die Durchimpfungsrate, errechnet auf Basis der abgegebenen Impfdosen, betrug während der Saison 2017/18 magere 6,4 Prozent. „Im Vergleich zum Vorjahr war das zwar eine Steigerung von fast einem Prozent, insgesamt ist die Rate aber nach wie katastrophal", hieß es von Seiten des Verbands der Impfstoffhersteller.
Die Grippewelle von 2017/18 war eine der stärksten der vergangenen Jahrzehnte. Sie begann rund um Weihnachten und dauerte ungewöhnlich lange bis Ende März. In Deutschland wurden bis Jahresmitte 2018 mehr als 270.000 Influenza-Fälle gemeldet. Im gesamten Jahr 2017 waren es dagegen nur 95.977 Meldungen. Nach Angaben der „Arbeitsgemeinschaft Influenza“ sind 1.287 Menschen in Deutschland an Grippe verstorben. „Diese offiziellen Zahlen zur aktuellen Grippesaison beschreiben wohl längst nicht das tatsächliche Infektionsgeschehen“, erklärte STIKO-Vorsitzender Thomas Mertens gegenüber der Ärztezeitung. Er geht von zehnmal höheren tatsächlichen Grippezahlen aus und von rund 12.000 Influenza bedingten Todesfällen. Bei derartigen Ungenauigkeiten stellt sich allerdings die Frage, warum überhaupt eine bundesweites - aus Steuergeldern finanziertes Influenza-Überwachungssystem notwendig ist, wenn dann die „tatsächlichen Zahlen“ ums Zehnfache abweichen.
Der Großteil der Erkrankungen wurde vom Influenza Typ B - vom Stamm Yamagata - ausgelöst. Die H1N1 Variante vom Influenza Typ A, die in den Vorjahren vorgeherrscht hatte, war nur mehr für rund 25 bis 30% der Fälle verantwortlich. Blöd war allerdings, dass von den Impfstoffen nur ein einziger auch diesen Stamm abdeckte. Und der war - als sich dies herumsprach - bald nicht mehr lieferbar. Die Schutzwirkung der Impfung lag nach Angaben der Behörden insgesamt zwischen 25 und 52%. Für die nächste Saison soll nun jedenfalls auch der Stamm Yamagata in allen Impfstoffen enthalten sein. Man wird sehen, ob diese Nachjustierung den entscheidenden Erfolg beschert, oder ob sich auch diesmal wieder ein unvorhergesehener Virenstamm breit macht.
Vorsicht vor Geimpften: Sechsmal mehr Viren in der Atemluft
Die Wirksamkeit der Impfung war nicht nur in der vergangenen Saison schlecht. Die Influenza-Impfung ist ein Dauer-Sorgenkind. Laut der unabhängigen Cochrane Collaboration bestehen bezüglich der Wirksamkeit der Influenza Impfung zwei schwarze Löcher. Für Kinder unter 2 Jahren gibt es gar keinen Nachweis der Wirksamkeit. Ebenso schlecht ist die Datenlage für Personen im Alter über 65 Jahren. Und sogar bei Menschen in Gesundheitsberufen schließen die Cochrane-Autoren:
"Unsere Übersichtsarbeit fand keine vernünftige Basis, um die Impfung der Menschen in Gesundheitsberufen allgemein zu empfehlen."Es gibt demnach keine zuverlässigen Belege, dass die Patienten davon profitieren, wenn die Ärzte und Krankenpfleger geimpft sind.
Im Gegenteil. Aktuelle Studien weisen sogar auf ein höheres Risiko. Die Kontaktpersonen von Geimpften haben allen Grund vorsichtshalber eine Atemmaske zu tragen. Dies zeigte eine Anfang 2018 veröffentlichte Arbeit, bei der die Atemluft von 355 Personen mit Grippe-Symptomen auf Viren untersucht wurde. Jene, die aktuell und im Jahr davor die saisonale Influenza-Impfung erhalten haben, hatten im Vergleich zu nicht geimpften Grippe-Kranken eine sechsmal so hohe Virenlast in ihrer Atemluft.
Unter Impfexperten wurde diese gut gemachte Studie weitgehend ignoriert. Die Werbekampagnen laufen, wie jedes Jahr. Derzeit, so der Cochrane Impfexperte, Tom Jefferson, "gleicht die Werbung für die Influenza-Impfung eher den Praktiken von Staubsauger-Verkäufern auf Jahrmärkten".
In manchen Jahren bezieht sich das schwarze Wirksamkeitsloch der Impfung nicht nur auf Kleinkinder und Senioren, sondern dehnt sich auf die gesamte Bevölkerung aus. Als Grund für diese Abstürze nennen die Influenza-Experten die zeitverzögerten Herstellung. Der Impfstoff wird nämlich ein halbes Jahr im voraus - nach den vorherrschenden Influenza-Viren auf der Südhalbkugel - konzipiert. Und welche Typen sich dann sechs Monate später tatsächlich im Norden zeigen, ist Glückssache.
Seit Jahren fordert die Cochrane Collaboration, dass die Auswirkungen der Influenza Impfung in einer gut gemachten Vergleichsstudie zwischen Geimpften und Ungeimpften gemessen werden. Nur so wäre eine objektive Bewertung der Impfung möglich. Tatsächlich weiß man bisher nicht einmal annähernd, wie viele Krankheitstage sich ein durchschnittlicher gesunder Erwachsener durch eine Impfung erspart. Wenn man sich überhaupt etwas erspart.
Die Hersteller der Impfstoffe sehen keinen Anlass, so eine Studie zu finanzieren. Offenbar erscheint ihnen das Risiko zu groß, dass die Resultate einer derartigen Arbeit ihnen einen nachhaltigen finanziellen Schaden zufügen könnten. Es läge also an den Gesundheitsbehörden, hier tätig zu werden und so eine Studie öffentlich zu finanzieren. Schließlich werden auch viele Millionen an Steuergeld an Zuschüssen für die jährlichen Influenza-Impfaktionen bezahlt. Höchste Zeit, sollte man meinen, dass diese Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft werden. Bislang konnten sich die Behörden jedoch nicht zu einer relevanten Aktivität aufraffen.
Dieser Artikel ist ein kurzer Ausschnitt aus dem Influenza-Kapitel in meinem aktuellen Buch "Gute Impfung - Schlechte Impfung", das im Oktober 2018 im Verlag Ennsthaler erschienen ist. (417 Seiten, 24,90€)
Wenn man im Tierversuch bei Mäusen als Ergebnis bekommt, das diejenigen infizierten überleben, die nicht geimpft sind, dann sollte das auch die Verantwortlichen Gesundheitspolitikern zu denken geben. Aber die stecken mit den Pharmakonzernen und deren Lobbysten unter einer Decke. Da sie die Forschungsmilliarden der Pharma nicht riskieren wollen, wird schon mal ein oder zwei Augen zugedrückt. Es sind ja meistens nur alte schwache Menschen, die an der Grippe versterben und somit den volkswirtschaftlichen Schaden gering halten.
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