Wie ein Zufallsbefund eine Schwangerschaft in puren Horror verwandelte.
„Eigentlich“, sagt die 42-jährige Bauingenieurin Florence H. aus Erlaa, NÖ, „bräuchte nach so einem Erlebnis die gesamte Familie eine Therapie“. So ein Schock sagt sie, wirke jahrelang nach, „und jede Erleichterung wird immer wieder überlagert von einer tiefen Erschöpfung.“ Neben ihr spielt ihre jüngste, 15 Monate alte Tochter Solveig, die es nicht geben würde, wenn alles nach dem Plan der Ärzte gelaufen wäre. Mittlerweile liegt ihre Krebs-Diagnose fünf Jahre zurück, ein genügend langer Zeitraum, um offiziell von Heilung zu sprechen.
Florence H. war damals mit Fabian schwanger, ihrem zweiten Kind. In der 20. Woche fand ihr Gynäkologe einen kleinen Polypen am Gebärmutterhals und entfernte diesen. Mehr als eine Woche später rief der Arzt an und bat Florence, sie sollte mit ihrem Mann Reinhold sofort in die Praxis kommen. Dort eröffnete er ihnen, dass das Gewächs sich als extrem bösartiger Tumor erwiesen hätte. Er empfahl die sofortige Abtreibung des Fötus und eine Total-Entfernung der Gebärmutter. Dann hätte sie vielleicht noch eine Chance. Aber nur, wenn es rasch geht.
Die beiden waren geschockt. Es folgte ein dreitägiger Diagnose-Marathon im Wiener AKH, bei dem unter anderem auch noch ein sorgfältiger Abstrich von der verdächtigen Stelle am Gebärmutterhals genommen wurde. Das Ergebnis war ernüchternd: „Pap V“ heißt, dass im Abstrich Zellen des bösartigen Tumors gefunden wurden.
Florence wollte keine Abtreibung. Als nächste Option nannten die Ärzte eine Kaiserschnitt-Entbindung in der 29. Schwangerschaftswoche mit Inkubator und sofortiger Krebstherapie. Die Chance, dass ihr Baby gesund wäre, stünden dann bei etwa 50 Prozent. „Ich sah mich mit künstlichem Darmausgang, einer großen Narbe am Bauch und einem behinderten Baby und da war ich mir plötzlich sicher, dass ich diese Krebstherapie niemals überlebt hätte“, erzählt Florence H.. Gemeinsam mit ihrem Mann beschloss sie, den Krebs zu ignorieren und das Baby möglichst zum Termin zu bekommen, so als ob alles ganz normal wäre.
Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass der Tumor wieder nachgewachsen war, größer als der Polyp mit dem alles angefangen hatte.
Fabian ist heute ein gesunder, aufgeweckter Fünfjähriger (Fotos: B. Ehgartner)
Der Geburtstermin rückte näher und schließlich fanden die beiden im St. Josef-Krankenhaus eine Gynäkologin, die sich auf eine ambulante Geburt ohne Kaiserschnitt einlassen wollte. Die Gynäkologin war dann aber gar nicht da, als die Wehen, drei Wochen vor dem Termin einsetzten, sondern ein diensthabender Oberarzt. Vom Tumor sagten sie ihm nichts. Schließlich gingen die Presswehen los. „Und dann ging alles ganz rasch“, erzählt H. „Als erstes kam der Tumor und dann das Baby.“ – Der Oberarzt war völlig überrascht. „Während der Presswehen rief ich ihm noch zu, er soll das Gewebe aufheben, aber er hat es einfach weg geschmissen.“ Fabian, das Baby, war mit 2,39 kg sehr zart, galt aber nicht als Frühgeburt, und so verließen die drei rasch das Krankenhaus.
Nach der Geburt wollte sich Florence H. nun endgültig der Krebstherapie stellen. Erstaunlicherweise ergab der nächste Abstrich aber nur noch „Pap IV“ und binnen weniger Wochen war der Test sogar bei „Pap II“ angelangt. „Und das ist schon fast jungfräulich.“
Mittlerweile ist mit Solveig das dritte Kind gekommen. Die Geburt verlief ganz unspektakulär und entspannt. Alle in der Familie H. sind nun gesund. Doch manchmal, in schwarzen Stunden, tauchen plötzlich Gefühle aus der Vergangenheit auf, die nur sehr sehr schwer auszuhalten sind…
Dieser Artikel erschien im Rahmen der profil Coverstory "Gesund bis der Arzt kommt. Näheres zur Problematik der Früherkennung des Zervix-Karzinoms finden Sie in meinem Artikel "Vorsorge mit Abstrichen".
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