Bert Ehgartner live

Samstag, 3. Oktober 2020

Wie sinnvoll ist die Influenza-Impfung in der Corona-Zeit?

Politiker fordern die Gratis-Grippeimpfung. Doch viele Apotheken sind jetzt schon ausverkauft. Für alle, die sich Sorge machen, dass sie zu kurz kommen, liefere ich hier ein paar Argumente, die in den offiziellen Informationen fehlen.

Kinder sind eine Haupt-Zielgruppe der Werbung für die 
Gratis-Grippeimpfung in der Coronazeit (Foto: Ehgartner)


1.) Die Wirksamkeit der Impfung 

Sie ist - gelinde gesagt - verbesserungsbedürftig. Laut Schätzung des Robert Koch Instituts gab es in den Jahren 2012 bis 2019 gerade dreimal eine signifikante Wirksamkeit. Dies betraf jedoch nicht die "ganze" Impfung, sondern nur den Subtyp Influenza A (H1N1). Die Wirksamkeit lag hier zwischen 48% und 61%.

Bei allen anderen Komponenten sind die Resultate nicht signifikant und damit wenig aussagekräftig. 

Interessant ist auch die Spannweite, die weit in den negativen Bereich hinein reicht. Wer sich etwa 2013 impfen ließ, hatte tendenziell ein 66% höheres Risiko an Influenzaviren des Subtyps H3N2 zu erkranken. 

Einschätzung der Wirksamkeit: mäßig bis sehr schlecht (Robert Koch Institut)


2.) Impfung von Babys und Kleinkindern

Eine der raren gut gemachten Studien untersuchte, ob die Influenza-Impfung vor der speziell bei Babys gefürchteten Mittelohrentzündung schützt. Über zwei Saisonen wurden Babys geimpft - und mit einer Kontrollgruppe verglichen, die eine Placebo-Impfung mit neutraler Salzwasser-Lösung bekamen. Die Studie zeigte, dass Influenza-geimpfte Kinder ein signifikant höheres Risiko hatten, an schweren Verläufen von Mittelohrentzündungen zu erkranken. Die Eltern der geimpften Kinder mussten zudem doppelt so viele Pflegetage aufwenden, wie die Eltern der Babys in der Kontrollgruppe.


3.) Impfung älterer Menschen

Die USA sind eines der impffreudigsten Länder. Speziell für ältere Menschen wurde die Influenza-Impfung zuletzt immer massiver beworben.  Die Impfrate kletterte stetig von 15% im Jahr 1980 auf zuletzt 65%. In Altersheimen werden sogar Werte über 75% erreicht.

Eine über 20 Jahre laufende Analyse (Simonsen et al.) ergab jedoch nicht das geringste Indiz dafür, dass die Impfung auf das Sterberisiko einen positiven Effekt hatte. “Unsere Ergebnisse stellen die derzeitigen Konzepte infrage, wie ältere Menschen am besten vor dem Grippetod geschützt werden können”, erklärten die Autoren einigermaßen deprimiert im Schlusswort ihrer Studie. 

In einer 2017 veröffentlichten Arbeit aus den Niederlanden wurden mehr als 4.000 Menschen im Alter über 60 Jahren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf Influenza und Grippe ähnliche Erkrankungen (ILI: influenza like illness) untersucht. Bei allen Erkrankungsfällen wurden Abstriche genommen und die Erreger identifiziert. 

  • Insgesamt erkrankten in der ersten Saison 7,2 Prozent der Teilnehmer an ILI. Unter diesen Personen wurden bei 18,9% Influenza-Viren gefunden. 
  • In der zweiten Saison erkrankten deutlich mehr Studienteilnehmer, nämlich 11,6 Prozent. Bei einem Drittel der Erkrankten war der Nachweis von Influenzaviren positiv. 
  • Bei einem Sechstel der Erkrankten wurde mehr als ein Erreger gefunden. 

Die Auswertung zeigte, dass Personen, die aktuell gegen Influenza geimpft waren, auch tatsächlich weniger an Influenza erkrankten. Die Gesamtzahl der Erkrankungen unterschied sich jedoch nicht wesentlich. Es zeigten sich auch keine signifikanten Unterschiede in der Schwere der Erkrankung, je nachdem ob Influenza-Viren involviert waren oder nicht:

  • In der ersten Saison erkrankten 7,6% der Geimpften und 4,2% der Ungeimpften
  • In der zweiten Saison erkrankten 10,8% der Geimpften und 11,2% der Ungeimpften

Dass Viren ständig anwesend sind – auch ohne krank zu machen – zeigt eine Analyse, die 8 Wochen nach der Erkrankung durchgeführt wurde. Da fanden sich nämlich immer noch bei rund 25 Prozent der Getesteten ILI-Viren im Rachen-Abstrich. Und auch in der vollständig gesunden Kontrollgruppe waren 21,5% der Proben positiv. 


4.) Schutz gegen mutierte neuartige Viren

Während der Schweinegrippe-Pandemie wurden die Behörden in Kanada auf ein seltsames Phänomen aufmerksam: Gerade jene Kinder, die jährlich immer die Grippe-Impfung erhalten haben, erkrankten besonders schwer an der neuartigen Schweinegrippe. Wie ist das möglich? - Die Behörden organisierten gleich vier Studien zu dieser Frage, die allesamt den Verdacht bestätigten.

Wissenschaftler fanden schließlich eine plausible Erklärung für diesen Effekt: durch die saisonale Impfung wird offenbar das Immunsystem der Kinder davon abgehalten, sich mit den Influenza-Viren auseinander zu setzen. Dadurch entfällt jeglicher Trainingseffekt für das Immunsystem. Ungeimpfte Kinder, die schon mal eine Grippe durchgemacht haben, gewinnen hingegen zumindest eine Kreuzprotektion gegen neuartige Mutationen. 


5.) Auswirkungen auf die allgemeine Abwehrkraft

In einer Placebo-kontrollierten Studie aus Hongkong (Cowling et al.) wurde der Effekt der Influenza Impfung auf die generelle Abwehrkraft von Kindern gemessen. Dabei zeigte sich, dass die geimpften Kinder im Lauf der nächsten 9 Monate ein vierfach höheres Risiko auf andere virale Infekte hatten als die Kinder in der Kontrollgruppe. 

Eine Studie des US Verteidigungsministeriums (Wolff et al.) zeigte zudem, dass Soldaten nach der Influenza-Impfung ein höheres Risiko einer Coronavirus-Infektion haben.


6.) Impfung der Gesundheitsberufe

Ob die Impfung von Ärzten und Krankenpflegern ihre Patienten davor schützt an Influenza zu erkranken, ist umstritten. Die unabhängige Cochrane Collaboration sieht "keine vernünftige Basis, um die Impfung der Menschen in Gesundheitsberufen allgemein zu empfehlen."

Aktuelle Arbeiten zeigen sogar einen möglichen negativen Effekt: Ein Team von Public Health Experten der University of Maryland (Yan et al.) untersuchten die Atemluft von 142 Patienten mit nachgewiesener Influenza auf ihre Virenlast. Dabei ergab sich ein erstaunlicher Unterschied. Patienten, die davor erfolglos gegen Grippe geimpft worden waren, hatten mehr als sechsmal so viele Influenza-Viren in ihrer Ausatemluft.


"Fantastische" Effekte der Influenza-Impfung 

Pro-Studien, welche für die Influenza Impfung sprechen, gibt es auch viele. Die meisten haben bei strenger wissenschaftlicher Prüfung jedoch eine derart schlechte Qualität, dass sie nicht zur Bewertung der Impfung taugen. 

In einer deutschen Meta-Analyse sollte beispielsweise geprüft werden, ob die Influenza-Impfung Diabetikern einen Vorteil liefert. Die Autoren schlossen mehr als 1000 Artikel in ihre Übersichtsarbeit ein. Das Resultat las sich dann auch großartig. Die Zusammenfassung der Studien ergab nämlich, dass die Influenza-Impfung jeden zweiten Krankenhaus-Aufenthalt verhindert.  – Das wäre ein gewaltiger Effekt. – Bei näherer Prüfung ergaben sich dann jedoch so viele Fehler in den Studien, dass damit die gesamte Aussage fragwürdig wurde. Das Resümee der Autoren liest sich dementsprechend: 

"Aufgrund der erheblichen Fehler in den meisten der identifizierten Studien sind die verfügbaren Belege unzureichend, um das Ausmaß des Nutzens zu bestimmen, den Diabetiker aus der Impfung gegen die saisonale Grippe ziehen. Ausreichend aussagekräftige randomisierte kontrollierte Studien oder quasi-experimentelle Studien mit laborbestätigten grippespezifischen Ergebnissen sind dringend erforderlich."

Ein 'berühmter' Fehler, der recht häufig ist, berücksichtigt beispielsweise den besseren Gesundheitszustand der geimpften Personen nicht ausreichend. Da werden beispielsweise die Bewohner eines Altenheimes, die zum Impftermin erscheinen, mit jenen verglichen, die das nicht tun. Dabei wird jedoch ignoriert, dass jene, die fit und geistig gesund sind, in höherer Zahl beim Impfarzt erscheinen, als Personen, die dement und bettlägerig sind. Insofern wundert es dann nicht, wenn die Impfung einen Überlebensvorteil heraus findet. Manche Studien finden eine Vervielfachung des Sterberisikos in der ungeimpften Kontrollgruppe. Andere stellen sogar fest, dass die Impfung vor Treppenstürzen und Oberschenkelfrakturen schützt. 

Diese Fehler sind so häufig, dass es dafür einen eigenen Fachbegriff gibt: den "Healthy Vaccinee Effekt". Um den Fehler zu vermeiden, ist es unbedingt notwendig, dass eine Kontrollgruppe von möglichst ähnlichem Alter und Gesundheitszustand ausgewählt wird, am besten durch Zufalls-Zuteilung (Randomisierung) in die Impf- oder Kontrollgruppe.

Viele der schlecht gemachten Studien sind von den Impfstoff-Herstellern finanziert - und es drängt sich der Verdacht auf, dass die Verfälschung hin zu einem positiven Effekt der Influenza-Impfung durchaus erwünscht ist. Zu einer unabhängig finanzierten gut gemachten prospektiven Studie, welche die Sinnhaftigkeit der Influenza Impfung zweifelsfrei ermittelt, kam es bisher - aus Mangel an Sponsoren - jedoch nie. Und hierin liegt auch ein eklatantes Versagen der Gesundheitspolitik. 


Politiker fordern Gratis Grippe-Impfung

Zahlreiche Politiker, speziell aus dem linken und grünen Lager fordern nun die kostenlose Grippe-Impfung für alle, um das Gesundheitswesen in Zeiten von Corona zu entlasten. 

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: "Wir können es uns leisten, diesen allen Versicherten kostenfrei zur Verfügung zu stellen." Ähnlich äußerte sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Kordula Schulz-Asche: "Wir müssen mit einer präventiven Strategie in die kalte Jahreszeit gehen, um steigende Grippe- und Covid-19-Infektionen zu verhindern", sagte sie der Welt am Sonntag. 

Die Ärztin und SPÖ Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner fordert von Seiten der Opposition vehement die Gratis-Grippe Impfung für alle Österreicher. Beim grünen Gesundheitsminister Rudi Anschober rennt sie damit wohl offene Türen ein. Schließlich ließ er sich im Vorjahr - als eine der ersten Amtshandlungen - öffentlich gegen Influenza impfen. 

Alle Vorstöße haben eines gemein: Sie liefern keinerlei Belege dafür, dass der Nutzen der Impfung den möglichen Schaden übersteigt. Sie glauben einfach fest daran. 


Versteckter Lobbyismus

Wissenschaftler wie Tom Jefferson, langjähriger Leiter der Cochrane-Impfgruppe, verdammen - wie viele andere kritische Impfexperten – das wissenschaftliche Niveau der meisten Influenza-Studien. "Derzeit kann niemand sagen, ob man sich auch nur einen Tag Krankenstand erspart, wenn man sich impfen lässt", erklärt Jefferson. "Es kann nämlich auch genau das Gegenteil passieren."

Eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung von Nutzen und Schaden der Influenza Impfung würde einen Bruchteil dessen kosten, was nun für die Gratis-Grippeimpfung an Steuergeld ausgegeben werden soll. Dafür hat sich Herr Lauterbach jedoch noch nie eingesetzt. Ebensowenig wie die österreichische Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. 

Warum das so ist? 

Eine Möglichkeit wäre, dass Lauterbach, Rendi-Wagner & Co extrem uninformiert sind und z.B. die oben angeführten Schwächen der Influenza-Impfung nicht kennen. 

Eine zweite Möglichkeit wäre, dass diese Politiker nebenher als Lobbyisten der Pharmaindustrie arbeiten und sich damit schon jetzt für Jobs in der Wirtschaft in Stellung bringen, falls die Politik-Karriere demnächst enden sollte.

Die zweite Möglichkeit erscheint mir wahrscheinlicher. 


PS: Wenn Ihnen dieser Blog interessant und wichtig erscheint, würde ich mich über einen kleinen Beitrag zu meiner Arbeit sehr freuen.



Bert Ehgartner steht auch für Vorträge, Filmvorführungen, etc. zur Verfügung. 
Nähere Informationen finden Sie auf dieser Seite


6 Kommentare:

  1. Vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit! Wie immer.

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  2. Ich kann mich diesem Kommentar nur anschließen - Chapeau!

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  3. ...vielen Dank Bert E. für diesen wertvollen Beitrag.

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  4. Ach du liebe Zeit. Ehgartner zitiert Studien aus 2003, oder auch mal 2005. Das ist ja total veraltet.
    Wie wärs mit einem update?
    Und für Kinder >2 Jhr <18 Jhr gibt es ja einen nasalen Lebendimpfstoff. Da braucht es ca 7 Impfungen, um einen Influenza Fall zu vermeiden. Na und der bekommt dann auch keine Mittelohrentzündung- oder?

    Anders als die Vorposter ist das kein wertvoller Beitrag - sondern ein völlig veralteter Beitrag.Und mittlerweile sind ja auch weitere Impfstoffe (zB konj.Pneumokokken Impfstoffe) zugelassen worden- in der EU Anfang 2002.Und diese schützen ja auch vor Mittelohrentzündung.

    Info dazu: https://www.hno-aerzte-im-netz.de/krankheiten/mittelohrentzuendung-akut/vorbeugende-tipps.html

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    1. Die Arbeit aus 2003 ist eine der wenigen randomisierten Salzwasser-Placebo kontrollierten Studien, die es zur Influenza-Impfung gibt. Das ist die eigentliche Schande: dass es immer mehr eingerissen ist, aktive Placebos zu verwenden, die selbst ein Nebenwirkungsrisiko haben. Aber klar: damit kann man einen Großteil der Nebenwirkungen der zu prüfenden Impfung tarnen.

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  5. Das stimmt ja auch nicht. Auch Kochsalz 0,9% als Placebo hat ein Nebenwirkungsrisiko.
    Und die eine uralt Studie die genannt ist, hat ja die Wirksamkeit der Influenza Impfung auf die Vermeidung von Mittelohrentzündung gelegt. Das ist aber gar kein primärer Zielpunkt. Primärer Zielpunkt der Influenza Impfung ist die Reduktion von Influenza Infektionen.

    Und dazu man muss ja nicht uralt Studien mit komischem Studiendesign nehmen.

    Da gibts doch etliche neuere Studien

    zB diese: Phosphat Puffer als Placebo

    https://www.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT00630331?term=placebo&cond=Influenza+Vaccine&draw=2&rank=4

    Und bei clinicaltrials.gov das ist die US-Liste von Klinischen Studien, in der EU gibts auch eine Liste und in Japan auch.

    Aber wenn man da nur unter Flumist- das ist der US Handelsname von Fluenz- also des nasalen Impfstoffes findet man 32 Studien, die als Placebo PBS =phospate buffered saline verwenden.

    Um fachlich den Wert einer Impfung zu beurteilen, darf man nicht eine 17 Jhr alte Studie nehmen, sondern muss den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung hernehmen, und da kann man leicht feststellen, dass das vielgebrauchte Argument, es gäbe praktisch keine Placebo kontrollierten Studien bei Impfstoffen schlicht falsch ist.

    Tja Herr Ehgartner- ist ja nicht so schwierig in Datenbanken herauszufinden, dass es eigentlich doch eine beträchtliche Anzahl Placebo kontrollierter Influenza Impfstudien gibt.
    Und nachdem es historisch schon riesige Studien gab, bei denen Kochsalz als Placebo verwendet wurde, ist es aus ethischen Gründen verständlich, dass man bei Impfstoffstudien als Verum einen neuen Impfstoff einsetzt und als Placebo einen anderen Impfstoff gleichen Aussehens- dabei bleibt die Verblindung erhalten und die Placebo Gruppe hat dann halt auch Impfschutz gegen eine andere Infektion. So profitieren beide Gruppen.

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