Dass binnen einem halben Jahr nun zwei Kinder an einer Gehirnentzündung nach Zeckenstich gestorben sind, ist eine schlimme Sache, die mich sehr beschäftigt.
Umso mehr ärgere ich mich, wie schlecht der medizinische Wissensstand hier ist. Außer "Impfen, Impfen, Impfen!" hört man nichts Essentielles von Seiten der Experten. Keine Rede von einer halbwegs umfassenden Aufarbeitung der Krankengeschichten, keine Erhebung möglicher Risikofaktoren - dafür Stolz über eine Weltrekord-Impfquote, die auf Angst-Propaganda beruht. Doch ob die FSME-Impfung die Todesfälle verhindert hätte, ist höchst ungewiss.
Die Mitteilungen des Wiener Instituts für Virologie beschränken sich vor allem darauf, die gemeldeten Fälle zu zählen und die Meldeorte fehlerfrei einem der neun Bundesländer zuzuordnen. Wenn man den Leiter des Instituts zu Details fragt, die darüber hinaus gehen, so versichert er glaubhaft, dass er auch nicht mehr weiß als in der Zeitung steht. Und das ist nicht grad viel.
Die meldenden Ärzte selbstständig zu kontaktieren, die genaue Krankengeschichte aufzunehmen, die Eltern der Todesopfer zu den Begleitumständen und ihren (Nicht-)Impfentscheidungen zu befragen - all das fällt niemandem ein.
Und so ist die statistische Aufbereitung der jährlichen FSME-Fälle, die regelmäßig vom Virologie-Institut zum Frühlingsbeginn präsentiert wird, nicht viel mehr als eine Werbeaktion für die FSME Impfung. Nachdem die Herstellerfirma Baxter ein langjähriger treuer Sponsor des Virologie-Instituts ist, ist das vielleicht auch so beabsichtigt.
Totale Ignoranz
Für jemand, der an einer guten wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeckenstich-bedingten FSME Fälle interessiert ist, sind das alles jedoch höchst frustrierende Umstände.
Kärnten, das Bundesland, in dem der aktuelle Todesfall aufgetreten ist, hat mit einer Impfquote von 93 Prozent wohl den Weltrekord bei einer Impfung, die von den Menschen selbst zu bezahlen und zu organisieren ist.
Eine Impfung, von der weder die genaue Wirksamkeit, noch die Dauer des Schutzes, noch die Nebenwirkungen, welche über Rötungen und Fieber hinausgehen, im Detail bekannt sind.
Gute Vergleichsstudien mit physiologisch neutraler "Placeboimpfung" in der Kontrollgruppe gibt es nicht. Und wenn die Hersteller mal eine Studie finanzieren, so ist damit bei weitem noch nicht gesagt, dass diese auch erscheint. Ich erinnere mich dazu an die Aussage der damaligen Forschungsleiterin bei Baxter, als ich sie bat, mir eine kürzlich durchgeführte Studie zu schicken. Die Dame lehnte ab und begründete dies mit folgendem denkwürdigen Satz: "Wir machen Studien ja nicht, um diese zu veröffentlichen, sondern damit unsere Impfungen zugelassen werden."
Nachdem das einmal gelungen ist und ein Impfstoff am Markt ist, wird die Erfassung von selteneren Nebenwirkungen dann vollständig dem Zufall überlassen. Zwar besteht seit vielen Jahren eine gesetzliche Meldepflicht von allen medizinischen Auffälligkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang zu einer Impfung auftreten. Doch die meisten Ärzte wissen nichts davon. Weder von der Meldepflicht noch von der Tatsache, dass Allergien, chronische Entzündungen oder Autoimmun-Erkrankungen überhaupt von einer voran gegangenen Impfung stammen können. Sie wissen auch nicht, dass es vollkommen gleichgültig ist, ob sie selbst es für wahrscheinlich oder unwahrscheinlich halten, ob das Symptom durch die Impfung ausgelöst wurde, oder nicht. Allein der zeitliche Zusammenhang genügt für die Meldepflicht an die zuständige Stelle im Gesundheitsministerium. Nichtmeldung ist sogar strafbar. Doch niemand klärt die Ärzte auf, niemand ahndet Verstöße. Und niemand denkt auch nur im Traum daran, die gemeldeten Nebenwirkungen - nach dem Vorbild Deutschlands - in einer öffentlichen zugänglichen Datenbank im Internet zu publizieren.
Somit erfolgt Aufklärung zur FSME Impfung weiterhin vor allem über PR-Kampagnen, TV-Werbung, sowie als Information getarnte, bezahlte Werbetexte in den Boulevard-Medien.
Ich habe hier im Blog eine der wenigen guten epidemiologischen Arbeiten zum Verlauf der FSME bei Kindern besprochen, die in Österreich existieren. Peter Fritsch hat mit Kollegen von der Meduni Graz die Daten der letzten 24 Jahre seit Einführung der FSME-Impfung in Österreich aufbereitet. In der Steiermark, dem mit Abstand am meisten von der über die Zecken verbreitete Infektion betroffenen Bundesland, waren in dieser Zeit insgesamt 116 Kinder erkrankt. Davon mussten sechs Kinder intensivmedizinisch betreut werden. Bis auf einen einzigen Fall heilte die Krankheit folgenlos ab. Ein zum Zeitpunkt der Erkrankung fünf Jahre altes Mädchen trug bleibende Schäden davon.
Insgesamt waren von den 116 Patienten 112 vollkommen ungeimpft. Zwei Kinder hatten eine Impf-Dosis, ein erkranktes Kind zwei, und eines die komplette Basis-Immunisierung mit drei Impfdosen. Damit erkennt man, dass die FSME-Impfung sehr gut vor dem Auftreten dieser von Zecken übertragenen viralen Infektion schützt.
Ausgerechnet der eine schwere Fall des Mädchens, das bis heute unter Lähmungen und anderen Gesundheitsproblemen leidet, war jedoch das Kind mit der vollständigen Impf-Serie. Die Autoren der steirischen Studie nahmen an, dass der schwere Verlauf genetisch bedingt war, und das Mädchen an einer höheren Empfänglichkeit gegen diese Viren litt.
Dass es nun binnen eines halben Jahres zu zwei Todesfällen bei Kindern gekommen ist, ist höchst ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich ist, dass beide Kinder geimpft, die Grundimmunisierung mit den drei Teilimpfungen aber nicht abgeschlossen wurde. Die Eltern waren keine Impfgegner. In einem Fall riet angeblich sogar der behandelnde Impfarzt wegen schwerer Nebenwirkungen von einer weiteren FSME-Impfung ab.
Ich fasse hier zusammen, was ich über die Todesfälle in Erfahrung bringen konnte:
Der Fall des Salzburger Kindes
Im September starb - kurz vor seinem 6. Geburtstag - ein Kind in Salzburg an Meningitis. Die Eltern tschechischer Herkunft wohnten im Flachgau, einem Gebiet, in dem FSME selten ist, aber doch vorkommt.
Am 21. Mai 2007, im Alter von 18 Monaten wurden das Kleinkind gegen FSME geimpft, am 4. Juni erfolgte die zweite Impfung. An sich ist der Abstand von nur zwei Wochen zwischen den Impfterminen ungewöhnlich. Wahrscheinlich wurde nach einem "Schnell-Schema" geimpft, um das Kind noch für die aktuelle Saison zu schützen.
Warum die dritte Impfung dann nicht mehr erfolgt ist, konnte mir niemand sagen. Auch nicht, ob das Kind nach den Impfungen möglicherweise unter Nebenwirkungen gelitten hat und die Eltern deshalb die Grund-Immunisierung nicht fertig machten.
Ob das Kind vor dem Ausbruch der Krankheit im Spätsommer 2011 überhaupt von einer Zecke gestochen wurde, gilt als wahrscheinlich, aber nicht als vollständig sicher. FSME Viren können theoretisch auch über andere Quellen - wie z.B. Rohmilch - übertragen werden. Die Eltern konnten sich nicht an einen konkreten Zeckenstich erinnern. Doch das ist nicht ungewöhnlich. Speziell die Stiche von Nymphen - dem zweiten Entwicklungsstadium der Zecken - werden häufig übersehen.
Warum die Infektion so ungewöhnlich schwer verlaufen ist, weiß niemand. Den Experten, die ich befragt habe, waren weder Grunderkrankungen noch sonstige Risikofaktoren bei dem Kind bekannt.
Nicht beantwortet wurde die Frage, wie hoch der Antikörper-Titer des Kindes war. Denn nach zweimaliger Impfung entwickeln laut Aussagen von Impfexperten "98 Prozent der Kinder eine Serokonversion - also Antikörper - und gelten über die Saison als geschützt."
Der aktuelle Todesfall des Kärntner Mädchens
Das 9-jährige Mädchen aus Ledenitzen am Faaker See starb am Dienstag dieser Woche im Landeskrankenhaus Klagenfurt, wohin es wegen des schweren Verlaufes aus Villach überstellt wurde.
Eine ursächliche Therapie stand nicht zur Verfügung, erklärte mir der zuständige Primar, Wilhelm Kaulfersch: "FSME Immunglobuline sind im Vorjahr vom Markt genommen worden, weil sich heraus gestellt hat, dass sie recht unsicher sind und eine Krankheit sogar noch verstärken können."
Das Kärntner Mädchen war ebenfalls geimpft worden. Allerdings nur einmal, weil es, wie Kaulfersch berichtet, "die Impfung sehr schlecht vertragen hat". Angeblich, so Kaulfersch, hat sogar der behandelnde Arzt der Familie von einer nochmaligen Impfung abgeraten.
Ich fragte Kaulfersch, ob diese Unverträglichkeit möglicherweise in Zusammenhang steht mit dem nunmehrigen tödlichen Verlauf der Infektion. "Da habe ich keine Ahnung", entgegnete er, "ich bin doch kein Wissenschaftler."
Nun heißt es, dass das Mädchen noch leben würde, wenn die zwei fehlenden FSME-Impfungen der Basis-Immunisierung - entgegen den Bedenken des Hausarztes - verabreicht worden wären.
Die mit FSME befassten Wissenschaftler raten jedenfalls eifrig zur Impfung und legen ansonsten weiter ihre Hände in den Schoß. Geforscht wird scheinbar nur dann, wenn von Baxter oder Novartis, den Herstellern der beiden Impfstoffe, ein bezahlter Auftrag kommt.
Für die laufende Impfaktion sind die aktuellen Fälle jedenfalls eine enorme Werbung. Im ganzen Land strömen die Menschen mit ihren Kindern zu den Impfärzten. Und vielleicht gelingt es ja, die Weltrekord-Quote der österreichischen "Zeckenimpf-Aktion" noch etwas weiter in die Höhe zu schrauben.
Das beschämende Wissens-Vakuum rundum kümmert niemand.
Bert Ehgartner live
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Samstag, 28. April 2012
Freitag, 13. April 2012
Keuchhusten: Impfschutz schwindet rasch
Die Analyse eines Keuchhusten-Ausbruchs in den USA zeigt, dass der Schutz durch die Impfung schneller schwindet, als bisher gedacht. Anstatt Ursachenforschung zu betreiben, fordern Impfexperten nun häufigere Auffrischungen.
Einige Krankheiten vor denen die Sechsfachimpfung schützt (z.B. Diphtherie, Polio), sind so selten, dass ein Flugzeug-Absturz in den eigenen Vorgarten vergleichsweise wahrscheinlicher ist. Andere Krankheiten (z.B. Hepatitis B) mit bestimmtem Risikoverhalten oder besonders elenden Lebensbedingungen verbunden. Die Infektion mit Keuchhusten-Bakterien ist im Vergleich dazu relativ häufig, spezielle Risikofaktoren sind nicht bekannt. Es kann jeden treffen und speziell für Babys im ersten Lebensjahr ist das mitunter lebensgefährlich.
Nun ist seit langem bekannt, dass die Impfung erst recht langsam den nötigen Immunschutz aufbaut. Erst mit der letzten Teilimpfung, die rund um den ersten Geburtstag gegeben wird, erreicht sie eine Schutzrate von mehr als 90 Prozent.
Wenn die Impfung erst im zweiten Lebensjahr eine gute Wirksamkeit erreicht, so eignet sie sich wenig, Spitalseinweisungen, Komplikationen und Todesfälle während der schwierigsten Zeit - in den ersten zwölf Monaten - zu vermeiden.
Nun zeigte die genaue Analyse eines großen Keuchhusten-Ausbruchs in den USA, dass die Wirkung der Impfung auch deutlich kürzer anhält, als bisher angenommen wurde. In der Altersgruppe von 2 bis 7 Jahren liegt die Schutzrate demnach bei 41%, im Alter von 8 bis 12 Jahren (wo die meisten Fälle auftraten) bei katastrophalen 24% und erst mit den Auffrischungsimpfungen in der Schule steigt die Schutzrate in der Gruppe der 13 bis 18 jährigen wieder auf 78%.
Diese Daten stammen "aus dem Leben" und nicht aus dem relativ künstlichen Umfeld einer von den Herstellern kontrollierten Zulassungs-Studie. Und wenn Impfexperten verlautbaren, dass die Keuchhusten-Impfung generell eine Schutzwirkung von "deutlich über 90 Prozent" habe, so wissen wir nun, dass diese Angabe bestenfalls für die Zeit kurz nach der Impfung gilt.
Konsequenz: "Mehr impfen!"
Die Autoren der US-Studie empfehlen als Konsequenz aus diesen Ergebnissen, den Impfplan zu überprüfen und häufiger gegen Keuchhusten zu impfen. Auch in der EU raten Impfexperten zu zusätzlichen Auffrischungs-Impfungen.
Nun werden in den USA bis zum 18. Lebensjahr aber bereits sechs Keuchhusten-Impfungen empfohlen. In Deutschland und Österreich stehen fünf auf den Impfplänen. Zudem gilt seit kurzem für Erwachsene die Empfehlung, die Impfung alle fünf Jahre aufzufrischen.
Eine Solo-Keuhhusten-Impfung wird derzeit jedoch gar nicht angeboten. Wer die Empfehlung befolgen möchte, muss die Dreierkombi (mit Diphtherie und Tetanus) oder die Viererkombi (inkl. Polio) kaufen. Und da scheuen sogar besonders impffreudige Menschen zurück, weil bei Diphtherie und Tetanus ein zu kurzer Abstand zwischen den Auffrischungen das Risiko unangenehmer Nebenwirkungen erhöht.
Ein interessanter Aspekt ergibt sich durch die Aussage des Leiters der erwähnten US-Studie David Witt in einem Artikel der Agentur Reuters. Dort heißt es:
Besonders überrascht war Witt also, dass die Mehrzahl der Fälle in voll geimpften Kindern aufgetreten sind, und nicht, so wie von ihm erwartet, bei nur unvollständig oder gar nicht geimpften Kindern.
Demnach stellt sich die Frage, ob die vielmalige Impfung der Kinder möglicherweise den Aufbau eines nachhaltigen Immunschutzes vielleicht sogar behindert.
Als die Keuchhusten-Impfung verbannt war
Die meisten Menschen, die mit den Pertussis-Bakterien in Kontakt kommen, scheinen nicht - oder nur sehr leicht zu erkranken. Dies zeigte sich, als von den 70er bis in die 90er Jahre in einigen Ländern - wie etwa Deutschland, Japan, England, Schweden und Russland über einen längeren Zeitraum nicht gegen Keuchhusten geimpft wurde. Grund für die Maßnahme waren heftige öffentliche Diskussionen über gemeldete schwere Nebenwirkungen nach Pertussis-Impfung und der Verdacht, dass die damalige Ganzzell-Impfung vermehrt Gehirnentzündungen auslösen könnte.
Die Industrie reagierte und entwickelte besser verträgliche azelluläre Impfstoffe gegen Keuchhusten. In der Zwischenzeit war die öffentliche Stimmung umgeschlagen. Die Presse schrieb nun nicht mehr über Nebenwirkungen, sondern über Keuchhusten-Ausbrüche.
Und der Reihe nach nahmen fast alle Länder die neue azelluläre Impfung wieder in ihre nationalen Impfpläne auf.
Die impffreie Zeit unterschied sich in den Ländern beträchtlich, betrug beispielsweise in Japan cirka sieben, in (West-) Deutschland sogar 17 Jahre.
In dieser Zeit kam es zwar vermehrt zu Ausbrüchen von Keuchhusten. Dennoch stieg die Inzidenz - laut Robert Koch Institut - aber im schlimmsten Jahr gerade mal auf 0,16 Prozent an (160 Fälle auf 100.000 Einwohner).
In den russischen Statistiken ist während der impffreien Zeit zwar ein größeres Auf und Ab bei den Fällen - im Schnitt aber kaum ein Anstieg zu erkennen. In Japan war der Zenit bei Keuchhusten bei einer Inzidenz von rund 0,01 Prozent erreicht, um danach wieder deutlich abzufallen.
Und obwohl sicherlich zahlreiche Keuchhusten-Fällen von den Ärzten übersehen und nicht gemeldet wurden - die Dunkelziffer also wohl beträchtlich ist - war von einer massenhaften Ausbreitung der Krankheit wenig zu merken. Wie die Krankheits-Zahlen zeigen, erkrankte nur ein Bruchteil der Menschen an Keuchhusten. Ganz im Gegensatz beispielsweise zu den Windpocken, die ungeimpft fast jedes Kind durchmacht.
Es muss also Schutzfaktoren vor Keuchhusten geben, wenn die Infektion vom Immunsystem der meisten Menschen problemlos abgewehrt wird oder so wenig Symptome verursacht, dass niemand an Keuchhusten denkt.
Mich würde brennend eine gute wissenschaftliche Aufarbeitung jener impffreien Jahre interessieren. Die meisten Publikationen, die mir dazu bekannt sind, widmeten sich lediglich der Zunahme an Keuchhusten-Fällen und forderten mit kaum verhohlener Empörung die Wieder-Einführung der Impfung.
Was aber ist mit den Verdachtsfällen bezüglich der Gehirnentzündungen? - Hat sich das bestätigt?
Wie hat sich die Impfpause sonst ausgewirkt?
Gab es auffällige Gemeinsamkeiten bei jener Minderheit der Kinder und Erwachsenen, die an Keuchhusten erkrankten?
Was könnten hier Schutz- was könnten Risikofaktoren sein?
Und wer ist nun im Lauf des Lebens besser vor Keuchhusten geschützt:
Ungeimpfte Kinder, welche die Infektion unauffällig - mit leichtem Husten - durch gemacht haben, oder geimpfte Kinder, bei denen der Impfschutz nachgelassen hat oder gänzlich verschwunden ist?
Das wären alles interessante Fragen für neugierige Gesundheitswissenschafter.
Status Quo ist allerdings, dass niemand irgend einen Handlungsbedarf sieht, "weil es eh eine Impfung gibt."
Nur ab und zu zeigt eine wissenschaftliche Arbeit, wie trügerisch dieser Schutz ist und wie wenig wir in Wahrheit über diese Krankheit wissen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, würden
wir uns über einen kleinen Beitrag zu unserer Arbeit sehr freuen.
Einige Krankheiten vor denen die Sechsfachimpfung schützt (z.B. Diphtherie, Polio), sind so selten, dass ein Flugzeug-Absturz in den eigenen Vorgarten vergleichsweise wahrscheinlicher ist. Andere Krankheiten (z.B. Hepatitis B) mit bestimmtem Risikoverhalten oder besonders elenden Lebensbedingungen verbunden. Die Infektion mit Keuchhusten-Bakterien ist im Vergleich dazu relativ häufig, spezielle Risikofaktoren sind nicht bekannt. Es kann jeden treffen und speziell für Babys im ersten Lebensjahr ist das mitunter lebensgefährlich.
Nun ist seit langem bekannt, dass die Impfung erst recht langsam den nötigen Immunschutz aufbaut. Erst mit der letzten Teilimpfung, die rund um den ersten Geburtstag gegeben wird, erreicht sie eine Schutzrate von mehr als 90 Prozent.
Wenn die Impfung erst im zweiten Lebensjahr eine gute Wirksamkeit erreicht, so eignet sie sich wenig, Spitalseinweisungen, Komplikationen und Todesfälle während der schwierigsten Zeit - in den ersten zwölf Monaten - zu vermeiden.
Nun zeigte die genaue Analyse eines großen Keuchhusten-Ausbruchs in den USA, dass die Wirkung der Impfung auch deutlich kürzer anhält, als bisher angenommen wurde. In der Altersgruppe von 2 bis 7 Jahren liegt die Schutzrate demnach bei 41%, im Alter von 8 bis 12 Jahren (wo die meisten Fälle auftraten) bei katastrophalen 24% und erst mit den Auffrischungsimpfungen in der Schule steigt die Schutzrate in der Gruppe der 13 bis 18 jährigen wieder auf 78%.
Diese Daten stammen "aus dem Leben" und nicht aus dem relativ künstlichen Umfeld einer von den Herstellern kontrollierten Zulassungs-Studie. Und wenn Impfexperten verlautbaren, dass die Keuchhusten-Impfung generell eine Schutzwirkung von "deutlich über 90 Prozent" habe, so wissen wir nun, dass diese Angabe bestenfalls für die Zeit kurz nach der Impfung gilt.
Konsequenz: "Mehr impfen!"
Die Autoren der US-Studie empfehlen als Konsequenz aus diesen Ergebnissen, den Impfplan zu überprüfen und häufiger gegen Keuchhusten zu impfen. Auch in der EU raten Impfexperten zu zusätzlichen Auffrischungs-Impfungen.
Nun werden in den USA bis zum 18. Lebensjahr aber bereits sechs Keuchhusten-Impfungen empfohlen. In Deutschland und Österreich stehen fünf auf den Impfplänen. Zudem gilt seit kurzem für Erwachsene die Empfehlung, die Impfung alle fünf Jahre aufzufrischen.
Eine Solo-Keuhhusten-Impfung wird derzeit jedoch gar nicht angeboten. Wer die Empfehlung befolgen möchte, muss die Dreierkombi (mit Diphtherie und Tetanus) oder die Viererkombi (inkl. Polio) kaufen. Und da scheuen sogar besonders impffreudige Menschen zurück, weil bei Diphtherie und Tetanus ein zu kurzer Abstand zwischen den Auffrischungen das Risiko unangenehmer Nebenwirkungen erhöht.
Ein interessanter Aspekt ergibt sich durch die Aussage des Leiters der erwähnten US-Studie David Witt in einem Artikel der Agentur Reuters. Dort heißt es:
In early 2010, a spike in cases appeared at Kaiser Permanente in San Rafael, and it was soon determined to be an outbreak of whooping cough -- the largest seen in California in more than 50 years. Witt had expected to see the illnesses center around unvaccinated kids, knowing they are more vulnerable to the disease. "We started dissecting the data. What was very surprising was the majority of cases were in fully vaccinated children. That's what started catching our attention," said Witt.
Besonders überrascht war Witt also, dass die Mehrzahl der Fälle in voll geimpften Kindern aufgetreten sind, und nicht, so wie von ihm erwartet, bei nur unvollständig oder gar nicht geimpften Kindern.
Demnach stellt sich die Frage, ob die vielmalige Impfung der Kinder möglicherweise den Aufbau eines nachhaltigen Immunschutzes vielleicht sogar behindert.
Als die Keuchhusten-Impfung verbannt war
Die meisten Menschen, die mit den Pertussis-Bakterien in Kontakt kommen, scheinen nicht - oder nur sehr leicht zu erkranken. Dies zeigte sich, als von den 70er bis in die 90er Jahre in einigen Ländern - wie etwa Deutschland, Japan, England, Schweden und Russland über einen längeren Zeitraum nicht gegen Keuchhusten geimpft wurde. Grund für die Maßnahme waren heftige öffentliche Diskussionen über gemeldete schwere Nebenwirkungen nach Pertussis-Impfung und der Verdacht, dass die damalige Ganzzell-Impfung vermehrt Gehirnentzündungen auslösen könnte.
Die Industrie reagierte und entwickelte besser verträgliche azelluläre Impfstoffe gegen Keuchhusten. In der Zwischenzeit war die öffentliche Stimmung umgeschlagen. Die Presse schrieb nun nicht mehr über Nebenwirkungen, sondern über Keuchhusten-Ausbrüche.
Und der Reihe nach nahmen fast alle Länder die neue azelluläre Impfung wieder in ihre nationalen Impfpläne auf.
Die impffreie Zeit unterschied sich in den Ländern beträchtlich, betrug beispielsweise in Japan cirka sieben, in (West-) Deutschland sogar 17 Jahre.
In dieser Zeit kam es zwar vermehrt zu Ausbrüchen von Keuchhusten. Dennoch stieg die Inzidenz - laut Robert Koch Institut - aber im schlimmsten Jahr gerade mal auf 0,16 Prozent an (160 Fälle auf 100.000 Einwohner).
In den russischen Statistiken ist während der impffreien Zeit zwar ein größeres Auf und Ab bei den Fällen - im Schnitt aber kaum ein Anstieg zu erkennen. In Japan war der Zenit bei Keuchhusten bei einer Inzidenz von rund 0,01 Prozent erreicht, um danach wieder deutlich abzufallen.
Und obwohl sicherlich zahlreiche Keuchhusten-Fällen von den Ärzten übersehen und nicht gemeldet wurden - die Dunkelziffer also wohl beträchtlich ist - war von einer massenhaften Ausbreitung der Krankheit wenig zu merken. Wie die Krankheits-Zahlen zeigen, erkrankte nur ein Bruchteil der Menschen an Keuchhusten. Ganz im Gegensatz beispielsweise zu den Windpocken, die ungeimpft fast jedes Kind durchmacht.
Es muss also Schutzfaktoren vor Keuchhusten geben, wenn die Infektion vom Immunsystem der meisten Menschen problemlos abgewehrt wird oder so wenig Symptome verursacht, dass niemand an Keuchhusten denkt.
Mich würde brennend eine gute wissenschaftliche Aufarbeitung jener impffreien Jahre interessieren. Die meisten Publikationen, die mir dazu bekannt sind, widmeten sich lediglich der Zunahme an Keuchhusten-Fällen und forderten mit kaum verhohlener Empörung die Wieder-Einführung der Impfung.
Was aber ist mit den Verdachtsfällen bezüglich der Gehirnentzündungen? - Hat sich das bestätigt?
Wie hat sich die Impfpause sonst ausgewirkt?
Gab es auffällige Gemeinsamkeiten bei jener Minderheit der Kinder und Erwachsenen, die an Keuchhusten erkrankten?
Was könnten hier Schutz- was könnten Risikofaktoren sein?
Und wer ist nun im Lauf des Lebens besser vor Keuchhusten geschützt:
Ungeimpfte Kinder, welche die Infektion unauffällig - mit leichtem Husten - durch gemacht haben, oder geimpfte Kinder, bei denen der Impfschutz nachgelassen hat oder gänzlich verschwunden ist?
Das wären alles interessante Fragen für neugierige Gesundheitswissenschafter.
Status Quo ist allerdings, dass niemand irgend einen Handlungsbedarf sieht, "weil es eh eine Impfung gibt."
Nur ab und zu zeigt eine wissenschaftliche Arbeit, wie trügerisch dieser Schutz ist und wie wenig wir in Wahrheit über diese Krankheit wissen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, würden
wir uns über einen kleinen Beitrag zu unserer Arbeit sehr freuen.