Bert Ehgartner live

Dienstag, 9. Februar 2010

US-Pharma "inspirierte" Sawicki's Ende

PhRMA nennt sich die „Vereinigung der Forschenden und Produzierenden Pharmaindustrie der USA“ ("Pharmaceutical Research and Manufacturers of America"). Sie publiziert jährlich ein umfangreiches Papier, in dem über die diversen Hemmnisse berichtet wird, die den Interessen der PhRMA schaden. Unter anderem findet sich darin eine „Prioritiy Watch List“ von Staaten, welche Patente verletzen, den Marktzugang für innovative Produkte beschränken oder deren Institutionen billige Generika gegenüber den Original-Medikamenten bevorzugen.

Nach 2008 hat es Deutschland auch 2009 wieder geschafft, in dieser Pharma-Liste im oberen Rang der PhRMA-Feinde genannt zu werden. Während Österreich beispielsweise nur auf der gewöhnlichen „Watch List“ steht, gilt für Deutschland die Einstufung als „Priority“-Schurkenstaat.

Was die PhRMA hier zusammen trägt, gilt als Vorschlag für das Büro des US Trade Representatives (USTR), das dann die offizielle Watch-List fest legt. Seit 1974 wird dieser schöne Brauch gepflegt, um das "intellektuelle Eigentum" US-amerikanischer Interessen international zu schützen. Zur Umsetzung dient ein Gesetz, das zuletzt im Oktober 2008 vom scheidenden Präsident Georg W. Bush noch einmal erweitert und verschärft wurde: den so genannten „International Intellectual Property Protection and Enforcement Act of 2008“. Das Gesetz erlaubt es dem globalen Supercop USA, weltweit gegen den Diebstahl oder die Gefährdung geistigen Eigentums vorzugehen. Aufgabe des „US Trade Representatives“ ist es, Aktionspläne zu entwerfen, die den Ländern auf der „Priority Watch List“ entsprechende Handlungen zum Abbau der Missstände vorschreiben. Gleichzeitig wird die USA durch das Gesetz ermächtigt, mit Zwangsmaßnahmen gegen diese Länder vorzugehen, wenn die Korrekturen nicht weisungsgemäß vorgenommen werden.

Im März 2009 entschied die Obama-Administration, gegen den Antrag der PhRMA, Deutschland offiziell auf diese „Priority Watch List“ zu setzen.
Hinter den Kulissen wurde aber ordentlich verhandelt. Dies wird im Pharma-Papier auch konkret beschrieben. Die Gespräche hatten den Zweck,

…to address concerns and encourage a common understanding between developed countries on questions related to innovation in the pharmaceutical sector.
Immerhin ging es ja um einiges:
 Germany’s approach to regulating innovative products represents a substantial impediment to innovation in one of the biggest and most developed pharmaceutical markets in the world

Als besonderer Stein des Anstoßes galt den Amerikanern offenbar das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). In den fünf Seiten, die die PhRMA Deutschland widmet, wird das IQWiG einundzwanzig Mal erwähnt. Und das kein einziges mal lobend.
Mehrere (allerdings anonym bleibende) Quellen berichten mir, dass die Deutsche Regierung von den Vertretern der US-Wirtschaft massiv unter Druck gesetzt wurde, um den Wünschen der PhRMA nach Änderungen - vor allem im IQWiG nach zu kommen.

Dass dies auf deutscher Seite nicht ohne Wirkung blieb, zeigt die Reaktion der deutschen Wirtschaftsminister, die bei ihrer gemeinsamen Konferenz vom 18. zum 19. Juni 2009 in Potsdam unter anderem die „Kosten- und Nutzenbewertung von Arzneimitteln" diskutierten. In seiner damaligen Funktion als Wirtschaftsminister von Niedersachsen war übrigens der jetzige FDP Gesundheitsminister Philipp Rösler einer der Unterzeichner das Abschlusspapiers.

Hier im einzelnen die Positionen der US-PhRMA und die erstaunlich synchronen Erkenntnisse der deutschen Wirtschaftsminister

PhRMA-Papier:
Market access barriers that undermine the value and benefit of pharmaceutical patents are the greatest concern for PhRMA members operating in Germany.
Wirtschaftsminister:
Die Wirtschaftsministerkonferenz sieht mit Sorge, dass das bisherige Vorgehen des IQWiG zu erheblicher Verunsicherung in der pharmazeutischen Industrie geführt hat.

PhRMA:
Germany maintains several measures that discriminate against innovative pharmaceutical products as compared to generic products, thereby denying fair and equitable market access to U.S. interests …
Cost benefit evaluations will be implemented and executed by IQWiG. Recent decision making by IQWiG has shown extremely poor performance due to lack of transparency of process and no recognition of international health technology assessment protocol or studies developed by companies.
Wirtschaftsminister:
Nach Auffassung der Wirtschaftsministerkonferenz genügt die vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vorgeschlagene Methodik zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln den Anforderungen … nicht. Außerdem wird sie weder dem Ziel einer effizienten Versorgung mit innovativen Arzneimitteln gerecht noch ist sie volkswirtschaftlich hinnehmbar.

PhRMA:
PhRMA is encouraged by actions taken by the German Ministry of Health in terms of moving towards greater transparency in IQWiG’s operations, as well as greater patient access to information. However, these actions have led to few concrete improvements in the German market.
Wirtschaftsminister:
Die Bundesregierung wird gebeten, die Anregungen der Wirtschaftsministerkonferenz in ihre weiteren Überlegungen mit einzubeziehen und verstärkt beim IQWiG auf die Berücksichtigung der geäußerten Kritik hinzuwirken.

Vergleichsweise simpel, in der Sache aber ebenso entschlossen klingen im Vergleich die Argumente der "AG Gesundheit" der CDU/CSU Bundestagsfraktion:
„Wir schlagen vor, die Arbeit des IQWiG als Dienstleister im Gesundheitswesen neu zu ordnen. Entscheidend für die Akzeptanz für die Arbeit des IQWiG bei Patienten, Leistungserbringern und Herstellern sind eine stringente wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit und das höchstmögliche Maß an Transparenz bei allen Entscheidungen. Diese Neuausrichtung muss sich auch an der personellen Spitze des Hauses niederschlagen.“

Die maßgeblichen Gesundheitspolitiker der Koalition waren sich also einig, dass Peter Sawicki für die Freunde aus Übersee, ebenso wie für die heimische Pharmaindustrie nicht mehr tragbar ist - und dass es Zeit wurde, beim IQWiG die Zügel fester anzuziehen.

Bloß kann man das ja nicht in der Öffentlichkeit so rund heraus verkünden.

Wie es in der Folge weiter ging?

Die Wirtschaftsminister, die Pharmaindustrie, die CDU/CSU-Abgeordneten, der Gesundheitsminister Rösler, sie alle hatten bekanntlich großes Glück:
Denn wie durch ein Wunder fanden sich bei einer internen Prüfung (die von Sawicki selbst eingeleitet wurde) in den Finanzen des Institutsleiters einige Posten, die gegen diesen verwendet werden konnten. So etwa zwei Tankstellen-Belege auf denen auch jeweils ein Kanister Rasenmäher-Benzin mit drauf stand: Der Sachschaden machte immerhin 25,10 Euro aus.

Rasenmäher sei Dank, so jemand ist selbstverständlich für eine seriöse Gesundheitspolitik in Deutschland untragbar.

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