Gestern widmete sich die "Kronen Zeitung" wieder mal der Gesundheit. "3 Stiche schützen" lautete die Hauptbotschaft des Artikels im Blattinneren. Denn "spätestens im Herbst drohen zwei Grippewellen gemeinsam aufzutreten", die normale saisonale Grippe und die Schweinegrippe. "Gegen beide können und sollten wir uns mittels Impfungen schützen."
Der derart umworbene Leser erhält vom „Sozialmediziner Prof. Dr. Kunze“ gleich die beruhigende Versicherung, dass sich die beiden Impfungen "sehr gut miteinander vertragen." Worauf dieser Erfahrungswert beruht, wird nicht verraten. Zumal es dazu auch noch keine konkreten Untersuchungen gibt, wird es wohl die Intuition des Professors sein. Nach einer mir vorliegenden Presse-Erklärung von Baxter werden "Ende Juli, Angang August" gerade mal die ersten Impfstoff-Dosen fertig. Einen Impfstoff, der in Österreich erst in diesen Tagen einlangt und der noch nicht einmal zugelassen ist, von dem wird es wohl schwerlich bereits Daten zur Verträglichkeit einer Kombination mit anderen Impfstoffen geben.
Es ist demnach auch nicht möglich, jetzt gleich zum nächsten Impfarzt zu laufen und sich schon mal einen oder zwei Stiche verpassen zu lassen. Die Krone geht auf diesen kleinen Wermutstropfen kurz ein: Der Impfstoff gegen die Neue Grippe, heißt es, "ist vorläufig zwar in nicht sehr großen Mengen vorhanden," das macht aber nichts, denn "Österreich ist dennoch gut gerüstet, weil ein Vertrag mit der Firma Baxter besteht."
Der Generaldirektor für Öffentliche Gesundheit, Hubert Hrabcik, geht im Krone-Interview davon aus, dass insgesamt 16 Mio. Impfstoff-Dosen bei Baxter bezogen werden. Das wären zwei Dosen pro Einwohner und eine 100 prozentige Durchimpfungsrate. Für diese tolle Vorsorge-Leistung überschlägt er Kosten von 100 Mio. Euro – doch Krone-Leser, keine Angst: „die Kosten werden von den Krankenversicherungen übernommen“.
Autor des Artikels ist Dr. Wolfgang Exel, der langjährige "Chefarzt" der Krone und Leiter des Gesundheits-Resorts. Er ist über die im Besitz seiner Familie stehende "Pract-Consult Gesundheitsmedien-Beratung GmbH" auch Minderheiten-Gesellschafter der "Ärztekrone Verlagsgesellschaft". Die anderen Anteile liegen bei zwei Privatstiftungen, die Beteiligungen im Bereich der Pharma-PR halten, sowie beim Mediaprint-Verlag, der zu 70 Prozent dem "Krone-Verlag" gehört.
Bereits seit längerem ergibt sich durch diese Konstellation eine recht offene Kooperationsbasis zwischen Kronen-Zeitung und Werbebotschaften der pharmazeutischen Industrie. Wer in der „Ärztekrone Verlagsgesellschaft“ Anzeigen schaltet, hat gar keine schlechten Chancen, dass sich dies auch auf freundliche Berichterstattung im - bezogen auf die Verkaufsauflage der Kronen Zeitung in Österreich - mächtigsten Boulevard-Medium der Welt auswirkt.
Auch im aktuellen Artikel strecken ein Apotheker und eine freundlich lächelnde Blondine das rezeptpflichtige Arzneimittel Tamiflu, sowie eine Grippeschutzmaske dem Fotografen entgegen. "Die Grippesaison rückt näher - Tamiflu und Masken sind der Renner", lautet der zugehörige Bildtext im typischen Krone-Stil. Herrscht doch hier seit langem die Gewissheit, dass man eine Tatsache nur behaupten muss, damit sie in der Folge auch tatsächlich wahr wird.
Wie hat sich die Schweinegrippe in Österreich nun in der Realität entwickelt? Innerhalb der letzten zwei Wochen stieg die Zahl der Betroffenen von 60 auf 140. Die meisten brachten die Viren vom Urlaub – vor allem aus Mallorca – mit und landeten dann in Österreich flugs in eigenen Isolierzimmern im Spital. Dort langweilten sie sich zwei bis drei Tage und wurden dann wieder nach Hause geschickt. Bislang sind keine ernsten Verläufe bekannt geworden.
In den USA, wo bislang die konkretesten Erfahrungen mit der „neuen Grippe“ bestehen, weiß man, dass deren Komplikationsrate nur bei einem Viertel der normalen saisonalen Grippe liegt. Gesundheits-Minister Stöger kündigte an, dass ab der nächsten Woche „keine grundsätzliche Hospitalisierung mehr“ vorgesehen ist. „Denn das machen wir bei der normalen Grippe ja auch nicht.“
Bis zum Herbst werden wir - ungeachtet der realen Bedrohung - dennoch mit einem Feuerwerk fantasievoller Medienarbeit zur Schweinegrippe beglückt werden. Dafür sorgt schon die über das langjährige Zusammenspiel bei der „Zecken-Impfung“ wie frisch geschmiert laufende Achse zwischen Krone und Baxter.
Ich bin schon gespannt, wann der Druck der Krone als so groß empfunden wird, dass im Gesundheits-Ministerium tatsächlich die ersten Impfstoffe in größeren Mengen geordert werden.
Bislang existiert mit Baxter nur ein Vorvertrag - der noch zu Zeiten der Vogelgrippe-Hysterie abgeschlossen wurde und erst „abberufen“ werden muss. Und allein dieser Vorvertrag hat in den letzten Jahren schon 30 Mio. Euro gekostet. Wenn hier - laut Hrabcik - noch ein Bonus von 100 Mio. Euro auf Kosten der Steuerzahler möglich ist, wird sich die Kampagnen-erfahrene Krone verlässlich in die Riemen werfen.
So viel ist sicher.
Bert Ehgartner live
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Freitag, 31. Juli 2009
Mittwoch, 29. Juli 2009
Niedrigere Zielwerte beim Blutdruck bringen keine Vorteile
Dauer und Art der Therapie von Bluthochdruck hängt unmittelbar davon ab, welche Zielwerte die Ärzte für ihre Patienten anstreben. Viele Jahre lagen diese im Bereich von 140 bis 160 mmHg beim systolischen Wert, sowie bei 90 bis 100 mmHg beim diastolischen Wert. Im Lauf der letzten Jahre neu eingeführte Leitlinien empfehlen den Ärzten aber häufig, den Blutdruck auf niedrigere Zielwerte zu senken. Eine soeben veröffentlichte systematische Cochrane-Review untersuchte, ob dieses Vorgehen das Krankheits- und Sterberisiko der Betroffenen reduziert. Das Ergebnis: Die medikamentöse Senkung des Blutdrucks unter eine Grenze von 140/90 bringt keine Vorteile.
Dieses Ergebnis war insofern überraschend, als epidemiologische Studien einen direkten Zusammenhang zwischen Herzkrankheiten und Blutdruck zeigen. Allerdings gilt diese Korrelation vor allem für den höheren Blutdruck-Bereich und wird bei nur mäßig erhöhten Werten schwächer. Ein wirklicher harter Grenzwert wurde bislang noch nicht wissenschaftlich etabliert. Auf Konsensus-Meetings von Hypertonie-Experten wurden aber dennoch zuletzt immer niedrigere Zielwerte beschlossen und in die Leitlinien aufgenommen. Etwa zur Jahrtausendwende wurden auch einige prospektive randomisierte Studien gestartet, um den Wert der aggressiveren Blutdruck-Senkung wissenschaftlich zu prüfen. Theoretisch wäre es ja auch möglich, dass die Nebenwirkungen der Medikamente deren Nutzen übertreffen.
Für die westlichen Gesundheitssysteme sind diese Fragen auch ökonomisch von großer Bedeutung, da schon bisher mehr als ein Drittel der Bevölkerung im Alter über 45 Jahren als Hypertoniker definiert sind. Jede weitere Absenkung der Grenzwerte würde wiederum Millionen von Menschen „Medikamenten-pflichtig“ machen. In den Leitlinien der „Deutschen Hypertonie Gesellschaft“ wird bei leicht erhöhten Werten (> 140/90), sofern keine anderen Risikowerte vorliegen (Übergewicht, Rauchen, Blutzucker, etc.) die „Veränderung der Lebensweise für einige Wochen“ angeraten. Wenn dies keinen Erfolg bringt - oder sich für den Patienten als undurchführbar erweist, wird in der Folge eine Behandlung mit Antihypertensiva angeraten. Sobald Risikofaktoren vorhanden sind, wird die Therapie sofort begonnen.
Bei einem diastolischen Zielwert von weniger als 90 mmHg, der über längere Zeit nicht erreicht wird, würde also ein Patient mit einem Wert von 92 mmHg von seinem Arzt entweder eine höhere Dosis Blutdruck senkender Medikamente oder ein zusätzliches Mittel verordnet bekommen.
„Es ist auch wichtig zu wissen, dass 30 bis 40 Prozent der Patienten in den von uns untersuchten Studien diese Zielwerte dennoch nicht erreichen“, schreiben die Cochrane Autoren. „Und das, obwohl dafür bis zu drei oder vier blutdrucksenkende Medikamente eingesetzt werden.“
Insgesamt wurden in der Analyse sieben Studien mit zusammen mehr als 22.000 Teilnehmern ausgewertet. In den Gruppen, die einen niedrigeren Zielwert anstrebten wurde der Blutdruck im Mittel um -4/-3 mmHg gesenkt. Dies hatte jedoch weder auf das Herzinfarkt-, Schlaganfall-, oder Herzschwäche-Risiko, noch auf die Gesamt-Sterblichkeit einen signifikant günstigen Einfluss. Dasselbe gilt für chronisches Nierenversagen.
Möglich wäre sogar ein ungünstiger Einfluss durch die Nebenwirkungen der Medikamente. Dies, kritisieren die Autoren, sei jedoch schwer zu prüfen gewesen, da die Informationen über schwere Nebenwirkungen und die Gründe für einen Abbruch der Studienteilnahme, in sechs der sieben eingeschlossenen Arbeiten fehlten.
Für Patienten mit Nierenkrankheiten oder Diabetes gelten in den meisten Leitlinien noch niedrigere Zielwerte für eine erfolgreiche Therapie. Sie sind mit „weniger als 130/80“ relativ einheitlich festgesetzt. Das Dreierteam, das die Cochrane-Review durchführte – zwei Wissenschaftler der University of British Columbia in Vancouver, einer von der Universidad de Costa Rica – wollen sich in einer neuen Arbeit dieser speziellen Gruppe widmen und sehen, ob zumindest den Hochrisiko-Patienten die niedrigeren Zielwerte einen Nutzen bringen.
Sonntag, 19. Juli 2009
Grippeexperte warnt vor Schweinegrippe-Hysterie
Der Grippeexperte Tom Jefferson, der für die internationale Cochrane Collaboration alle wissenschaftlichen Studien zum Thema Influenza auswertet, hält die Grippeviren für "systematisch überschätzt". Derzeit grassiere weltweit eine weitgehend unbegründete Schweinegrippe-Hysterie. Tatsächlich sehe er keinen grundsätzlichen Unterschied zu einer normalen saisonalen Grippewelle, sagte Jefferson gegenüber dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe Anfang Mai eigens ihre Pandemie-Definition geändert, um die Schweinegrippe zur Pandemie erklären zu können. Das Kriterium, dem zufolge es sich bei einer Pandemie um eine Krankheit mit hoher Sterblichkeit handeln müsse, sei dazu einfach gestrichen worden. "Ich finde es verrückt, welche Katastrophen uns Jahr für Jahr von den Grippeexperten vorausgesagt werden", sagte Jefferson im SPIEGEL. "Bislang ist keine von ihnen jemals eingetroffen." Um die Idee von der drohenden Influenza-Pandemie hätten WHO, Gesundheitsbehörden, Pharmaindustrie und Virologen im Laufe der Jahre eine ganze Maschinerie aufgebaut. "Alles, was es jetzt noch brauchte, um diese Maschinerie in Gang zu bringen, war ein kleines, mutiertes Virus." Tatsächlich sei das Influenza-Virus weitaus weniger bedeutsam als zumeist behauptet. So fielen die 10.000 bis 30.000 jährlichen "Grippetoten" in Deutschland keinesfalls alle der Influenza zum Opfer. Es gebe vielmehr über 200 weitere Erreger, die alle grippeähnliche Symptome verursachen könnten. Nur in sieben Prozent der Fälle seien Influenza-Viren der Krankheitsauslöser. Zur Zahl der "Grippetoten" würden auch die anderen Erreger deutlich beitragen. Dass sich Forschung und Öffentlichkeit ausschließlich für Influenza interessieren, erklärt Jefferson damit, dass es einzig gegen dieses Virus pharmazeutische Mittel gebe: "Mit den anderen Erregern lässt sich kein großes Geld verdienen." Allerdings werde die Wirksamkeit von Grippeimpfstoffen gemeinhin weit überschätzt. "An der erhöhten Sterblichkeit während der Wintermonate ändert die Grippeimpfung gar nichts", erklärte Jefferson. Zudem wirke sie gerade bei Kindern und alten Menschen kaum - und damit genau bei jenen Gruppen, für die eine Impfung besonders empfohlen wird. Statt auf eine Impfung mit ungewisser Wirksamkeit und auf das Medikament Tamiflu zu setzen, das die Krankheitsdauer im Durchschnitt nur um einen Tag verkürzt, empfiehlt Jefferson, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Das sei nachweislich der beste Schutz vor einer Infektion - nicht nur mit dem Schweinegrippe-Virus.
Freitag, 17. Juli 2009
Fernsehbericht zum Schweinegrippe-Debakel 1976
Hier ein sehr interessanter Fernsehbeitrag zur Schweinegrippe der 1979 von CBS ausgestrahlt wurde:
Schweinegrippe: Volles Risiko!
In den branchen-internen Medien der Impfstoff-Hersteller herrscht unverhohlene Freude über die Massenbestellungen für Schweinegrippe-Impfstoffe, die nun aus fast allen Industrieländern eintreffen. Frankreich hat gestern eine Order über 94 Mio. Dosen abgeschickt, Deutschland bestellte diese Woche 50 Mio. Dosen. Großbritannien hat nach Angaben der Behörden Vorkehrungen getroffen, um die halbe Bevölkerung durchzuimpfen. Das geht sich aus, errechneten die Organisatoren dieser Massen-Kampagne, wenn ein Doktor pro Stunde zumindest 30 Leute "schafft" und dazu noch freiberufliche Impfärzte angeheuert werden. Die Impfstoffe werden nach kurzen Tests von der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA im Schnellverfahren binnen fünf Tagen zugelassen. Ihre Sicherheit ist höchst ungewiss.
Die britische Times beschrieb das so:
In der kürzlich veröffentlichten Empfehlung der WHO, die von deren Impfexperten (im Beisein zahlreicher Vertreter der Impfstoff-Hersteller) ausgearbeitet wurde, wird das Sicherheitsrisiko ebenfalls erwähnt:
Abermilliarden an Steuergeldern werden derzeit investiert, um eine weitgehend mild verlaufende Vireninfektion, die bislang in Europa gerade mal ein rundes Dutzend Todesfälle gefordert hat, zu bekämpfen. Nach den Erfahrungen, die die USA 1976 beim bislang ersten Schweinegrippe-Debakel gemacht haben, steht die Wahrscheinlichkeit meiner Ansicht nach etwa hundert zu eins, dass die Impfkampagnen deutlich mehr Schaden anrichten als die Gripperl-Viren selbst.
Damit nicht die Impfstoff-Hersteller den gesamten Kuchen absahnen, hat sich auch der Schweizer Roche-Konzern nochmal ordentlich ins Zeug gelegt, um sein – volkstümlich als "Grippefresserkapseln" beworbenes Arzneimittel Tamiflu unter die Leute zu bringen. Der Einfachheit halber wurden dafür die Gesundheitsministerien mit Lieferunfähigkeit bedroht, wenn nicht sofort am selben Tag noch geordert werde.
In der ARD-Sendung "Kontraste" wurde das am Beispiel Deutschlands dokumentiert:
Die Gesundheitspolitiker unter Druck zu setzen, damit diese Steuer-Milliarden für eine höchst unsichere Versicherungsaktion ausgeben, ist eine Marketing-Maßnahme, die sich weltweit bewährt hat.
Willige Handlanger, die diese Botschaft aufgreifen finden sich genug. Weil in Österreich bislang noch keine genauen Zahlen zu Impfstoff-Bestellungen offenbart wurden, kräht beispielsweise der freiheitliche "Ärztesprecher" Karlsböck via APA:
Bleibt bloß die Gegenfrage: "Was ist eigentlich bisher passiert?"
Und als Zusatz: "Wer übernimmt eigentlich die Haftung für mögliche ernsthafte Nebenwirkungen der Hauruck-Impfungen?"
1976 mussten die USA den Impfstoff-Herstellern versichern, dass diese von einer Produkthaftung ausgenommen werden, andernfalls würden die Impfstoffe nicht produziert.
In der Folge wurden binnen zehn Wochen rund 45 Millionen Amerikaner geimpft.
Nach Dutzenden Todesfällen und tausenden Fällen von Nebenwirkungen, darunter rund 500 Fälle von Guillain-Barre-Syndrom (GBS) – einer Störung des Immunsystems die zu Lähmungen führt – wurde die Kampagne abrupt abgebrochen. Der von der Impfindustrie erwirkte Haftungsausschluss erwies sich - im Sinne der finanziellen Selbstvorsorge - somit als die mit Abstand intelligenteste Aktion im ganzen Schweinegrippe-Theater.
Harvey Fineberg, Leiter des "Institute of Medicine", beschrieb die Vorkommnisse damals im seinem Report "The Epidemic that never was - Policy-making and the swine-flu scare". Er gab darin auch einige Warnungen für die Zukunft mit:
Die britische Times beschrieb das so:
The first patients in the queue for the jab may understandably be a little nervous at any possible side effects.
In der kürzlich veröffentlichten Empfehlung der WHO, die von deren Impfexperten (im Beisein zahlreicher Vertreter der Impfstoff-Hersteller) ausgearbeitet wurde, wird das Sicherheitsrisiko ebenfalls erwähnt:
Since new technologies are involved in the production of some pandemic vaccines, which have not yet been extensively evaluated for their safety in certain population groups, it is very important to implement post-marketing surveillance of the highest possible quality.
Abermilliarden an Steuergeldern werden derzeit investiert, um eine weitgehend mild verlaufende Vireninfektion, die bislang in Europa gerade mal ein rundes Dutzend Todesfälle gefordert hat, zu bekämpfen. Nach den Erfahrungen, die die USA 1976 beim bislang ersten Schweinegrippe-Debakel gemacht haben, steht die Wahrscheinlichkeit meiner Ansicht nach etwa hundert zu eins, dass die Impfkampagnen deutlich mehr Schaden anrichten als die Gripperl-Viren selbst.
Damit nicht die Impfstoff-Hersteller den gesamten Kuchen absahnen, hat sich auch der Schweizer Roche-Konzern nochmal ordentlich ins Zeug gelegt, um sein – volkstümlich als "Grippefresserkapseln" beworbenes Arzneimittel Tamiflu unter die Leute zu bringen. Der Einfachheit halber wurden dafür die Gesundheitsministerien mit Lieferunfähigkeit bedroht, wenn nicht sofort am selben Tag noch geordert werde.
In der ARD-Sendung "Kontraste" wurde das am Beispiel Deutschlands dokumentiert:
Kontraste liegen E-mails vor, die Roche an Gesundheitsministerien verschickte. Als die Pandemiestufe 4 ausgerufen wurde, forderte Roche zum Kauf von Tamiflu auf. Das Angebot galt nur ganz kurz: mit Frist von heute 17.Uhr könnten noch ca. 650.000 Packungen Tamiflu gekauft werden. Wenn man das Angebot nicht annehme, der Hinweis, Zitat:
„Es ist absehbar, dass wir in eine Lieferunfähigkeit geraten könnten.“
Die nächste Mail kam prompt zur Pandemiestufe 5. Roche erhöht den Druck. Und wieder heißt es:
„Wir räumen den Ländern neuerlich eine Frist bis heute 15 Uhr ein.“
Die Gesundheitspolitiker unter Druck zu setzen, damit diese Steuer-Milliarden für eine höchst unsichere Versicherungsaktion ausgeben, ist eine Marketing-Maßnahme, die sich weltweit bewährt hat.
Willige Handlanger, die diese Botschaft aufgreifen finden sich genug. Weil in Österreich bislang noch keine genauen Zahlen zu Impfstoff-Bestellungen offenbart wurden, kräht beispielsweise der freiheitliche "Ärztesprecher" Karlsböck via APA:
"Ich frage mich ernsthaft, was noch alles passieren
muss, bis unser Gesundheitsminister die Schweinegrippe endlich zurKenntnis nimmt"
Bleibt bloß die Gegenfrage: "Was ist eigentlich bisher passiert?"
Und als Zusatz: "Wer übernimmt eigentlich die Haftung für mögliche ernsthafte Nebenwirkungen der Hauruck-Impfungen?"
1976 mussten die USA den Impfstoff-Herstellern versichern, dass diese von einer Produkthaftung ausgenommen werden, andernfalls würden die Impfstoffe nicht produziert.
In der Folge wurden binnen zehn Wochen rund 45 Millionen Amerikaner geimpft.
Nach Dutzenden Todesfällen und tausenden Fällen von Nebenwirkungen, darunter rund 500 Fälle von Guillain-Barre-Syndrom (GBS) – einer Störung des Immunsystems die zu Lähmungen führt – wurde die Kampagne abrupt abgebrochen. Der von der Impfindustrie erwirkte Haftungsausschluss erwies sich - im Sinne der finanziellen Selbstvorsorge - somit als die mit Abstand intelligenteste Aktion im ganzen Schweinegrippe-Theater.
Harvey Fineberg, Leiter des "Institute of Medicine", beschrieb die Vorkommnisse damals im seinem Report "The Epidemic that never was - Policy-making and the swine-flu scare". Er gab darin auch einige Warnungen für die Zukunft mit:
„Versprechen wir uns nicht zuviel von unseren Möglichkeiten, denken wir stets auch an das Unerwartete und rechnen wir niemals damit, dass die Experten später – wenn die Dinge sich überraschend ändern – auch noch zu dem stehen, was sie vorher gemeinsam empfohlen haben.“
Montag, 6. Juli 2009
Das Tiroler Prostata-Experiment
In Tirol läuft seit 20 Jahren ein weltweit einzigartiges und heftig umstrittenes Früherkennungs-Programm für Prostatakrebs an dem mehr als 75 Prozent der Männer teilnehmen. Bert Ehgartner bat den Leiter des Innsbrucker Prostata-Zentrums Wolfgang Horninger und den US-amerikanischen Präventions-Experten Russell Harris zur Konfrontation.
Standard: Bei meiner letzten Gesundenuntersuchung wurde – ohne mich vorher darüber zu informieren – ein PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs durchgeführt. Die Ärztin erklärte mir, das sei ein Gratis-Service meiner Versicherung. Wie beurteilen Sie ein solches Service?
Horninger: Der Arzt müsste einen Mann, der zu einer Routine-Untersuchung kommt, jedenfalls informieren, dass es diese Möglichkeit gibt und die Zustimmung einholen. Dann gehört erwähnt, dass es problematisch ist, den Test zu machen, wenn der Mann nicht dazu bereit ist, sich später im Falle eines alarmierenden Wertes weiteren diagnostische Maßnahmen zu unterziehen. Es gehört klar über den Nutzen und die möglichen Schäden aufgeklärt.
Harris: Es wird höchste Zeit, dass es sich bis zu den Ärzten herumspricht, dass es ethisch unverantwortlich ist, wenn Tests ohne informierte Einwilligung durchgeführt werden. Die Leute werden dadurch ja oft in eine Kaskade von Nachfolgehandlungen hineingetrieben, die sie selbst gar nicht überblicken können und auch nicht wollten.
Standard: Sie organisieren seit 20 Jahren in Tirol ein Prostatakrebs-Früherkennungsprojekt. Wie halten Sie es da mit der Aufklärung?
Horninger: Am Anfang stand viel Medienarbeit, wo wir über unser Projekt berichteten. Mittlerweile kommen die Männer selbst und sagen, sie wollen den PSA-Test machen. Ich frage sie dann persönlich, ob Sie sich über die Vor- und Nachteile auch wirklich im Klaren sind. Manche wollen dann noch mehr Information und die kriegen sie von mir. Wie es allerdings die anderen Urologen in Tirol mit der Aufklärung halten, weiß ich nicht. Das ist schon ein Problem, dass es hier keine allgemeinen Regeln gibt.
Harris: Wir haben im Vorsorgeprogramm der USA dazu eine Broschüre geschaffen, die den Männern in einfacher Sprache und mit Graphiken erklärt, was der Test bringt. Den Männern muss 15 Minuten Zeit gegeben werden, das zu lesen, so dass sie dann dem Arzt gezielte Fragen stellen können. Wir sollten die Leute aber auch nicht offensiv drängen, sich der Debatte zu stellen. Ich denke, dass es derzeit eine Art Prostata-Overkill gibt. Dem Thema wird zu viel Bedeutung beigemessen. Es gibt so viele Dinge die für die Gesundheit bedeutsamer sind als dieses Screening.
Horninger: In Tirol empfehlen wir den Test für Männer in der Altersgruppe von 45 bis 75 Jahren. Wenn jemand einen Prostatakrebs-Fall in der Familie hat, raten wir bereits ab 40 zum ersten PSA Test.
Harris: Ich möchte Ihnen raten, dieses Programm zu beenden. Forschung zu diesem Thema ist okay. Aber auch nur wenn es im Rahmen kontrollierter Studien stattfindet. Für so ein breites Screening, wie Sie es hier durchführen, ist der Nutzen nicht belegt.
Horninger: Nach den Daten ist ein Massenscreening wirklich nicht sinnvoll. Wir sind dabei, das in die Richtung zu ändern, dass wir dieses Service jenen Männern, die das für sich wünschen, nach vorheriger guter Aufklärung auf einer individuellen Basis ermöglichen. Es ist wie in der Formel 1. Unser Ding läuft und nun geht es darum, das Programm zu optimieren. Wir müssen die Überdiagnose reduzieren. Die Diagnosen müssen zuverlässiger werden und die Qualität der Therapie gehört weiter verbessert. Wir investieren hier viel Forschungsarbeit.
Harris: Da stimme ich Ihnen zu. Allerdings bringen Studien wenig Erkenntnis, wenn es keine Kontrollgruppe gibt, mit der ich die Ergebnisse zuverlässig vergleichen kann.
Horninger: Wir haben in Tirol enorm dazu gelernt. 1999 haben wir 557 Biopsien durchgeführt, im Vorjahr waren es nur noch 392. Bei 78 Prozent der Krebsfälle konnten wir den Tumor vollständig entfernen, und es traten keine Metastasen auf. Als wir begannen, lag diese Rate nur bei 25 Prozent. Wir haben ein hoch spezialisiertes kleines Chirurgen-Team mit enormer Routine bei diesen schwierigen Eingriffen. Die Rate der Männer die später inkontinent oder impotent sind, haben wir auf ein Minimum reduziert. In Gesamt-Österreich ist die Sterblichkeit bei Prostatakrebs im letzten Jahrzehnt um 3,2 Prozent gesunken, bei uns in Tirol aber um 7,3 Prozent. Wir haben damit etwa 370 Männern den Krebstod erspart. Das sind Erfolge, die wir zweifelsfrei belegen können
Harris: In den großen internationalen Studien hat sich gezeigt, dass Screening zwar die Todesfälle an Prostatakrebs leicht reduziert. Allerdings zum Preis einer enormen Übertherapie mit Biopsien, Bestrahlungen, chirurgischen Eingriffen. Und die Gesamt-Sterblichkeit war in den Screening-Gruppen sogar höher. Sie haben in Tirol sehr viel in die Therapie investiert und bieten hier eine erstklassige Versorgung. Das erkenne ich durchaus an und es ist wahrscheinlich, dass Ihre guten Ergebnisse eher darauf zurückzuführen sind.
Standard: Im Bundesschnitt sind die Tiroler Daten aber tatsächlich eindrucksvoll.
Harris: Das kann man nicht vergleichen. In Tirol wurden bereits vor zwei Jahrzehnten innovative Therapien eingeführt, die in Rest-Österreich viel später kamen. Es bildete sich ein kleines Team hoch motivierter Spezialisten. Die technische Ausstattung ist auf höchstem Niveau. Aus dem Vergleich lässt sich kein Argument für das Screening ableiten, weil die Voraussetzungen in Tirol insgesamt ganz andere sind.
Standard: Sind Sie jemals gefragt worden, Ihre Expertise zum Thema Prostata-Früherkennung und Therapie in ein bundesweites Programm einzubringen?
Horninger: Ich glaube, dass es schwierig wäre, unser Programm beispielsweise nach Burgenland zu transferieren. Man braucht dafür exzellente Radiologen, die im Ultraschall der Prostata über langjährige Erfahrung erfügen. Heute ist es damit möglich, sehr kleine Tumoren zu finden. Es braucht eine gute Therapie-Einheit zur Bestrahlung, die möglichst wenig unerwünschte Nebenwirkungen erzeugen. Und es braucht natürlich erfahrene Chirurgen. Bei uns machen die Radikaloperation nur zwei Personen. Mein Chef und ich. Das ist wie beim Tennis. Um gut zu sein, muss man jeden Tag den Aufschlag trainieren.
Standard: Und wie gehen Sie damit um, dass etwa die Hälfte der Männer bei denen Sie einen Tumor finden, davon nie erfahren hätten, wenn man nicht danach gesucht hätte?
Horninger: Ich weiß nicht, ob das stimmt. Dabei handelt es sich um Rechenmodelle. Ob ein Krebs ohne Bedeutung für einen Menschen ist, weiß man erst, wenn dieser Patient an einer anderen Krankheit stirbt. Die Biopsie gibt uns leider nur sehr ungenaue Hinweise, wie es konkret um den Tumor steht und wie gefährlich er ist. Das Problem ist ungelöst.
Harris: Aber das sind doch keine Rechenmodelle. Dieses Ergebnis stammt aus der Praxis und ist eine der Erkenntnisse aus der im März publizierten Langzeitstudie mit 182.000 Teilnehmern. In der Screening-Gruppe wurden um 45 Prozent mehr Fälle von Prostatakrebs gefunden als in der Kontrollgruppe. Und natürlich auch behandelt. Bei der Biopsie werden mit der Nadel nach dem Zufallsprinzip Proben entnommen. Ebenso zufällig wird dann Krebs entdeckt oder eben nicht. Man weiß aus den Autopsiestudien, dass ein sehr hoher Prozentsatz der verstorbenen Männer einen Tumor hatten, ohne es zu wissen. Screening hat ein hohes Schadenspotenzial und führt zu enormer Überdiagnose.
Horninger: Sie könnten natürlich recht haben. Wir kennen das Problem und wir müssen uns dem stellen. Wir haben es über eine Verfeinerung der Messmethoden geschafft, viele unnötige Biopsien zu vermeiden. Wir zeichnen die Werte über die Jahre genau auf und beobachten die Entwicklung. So haben wir etwa Männer, die seit vielen Jahren einen sehr hohen PSA-Wert von fünf haben. Damit wissen wir, dass das Risiko, an einem Krebs zu leiden, bei 26 Prozent liegt. Aber wenn der Wert gleich bleibt, so scheint es sich nicht um eine aggressive Form zu handeln und wir können unnötige Behandlungen vermeiden.
Russell Harris, (65) ist Professor für Public Health an der Universität von North Carolina in Chapel Hill. Sein Medizinstudium absolvierte er an der Johns Hopkins Universität in Baltimore. Harris war viele Jahre Mitglied der „US Preventive Services Task Force“ und eines der Masterminds des evidenz-basierten Programms zur Gesundheitsvorsorge in den USA, das international beispielgebend war. Harris ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Wolfgang Horninger (45) ist Oberarzt an der Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck. Seit 2007 leitet er das Europäische Prostatazentrum in Innsbruck. Er absolvierte Auslands-Aufenthalte an der Johns Hopkins Universität in Baltimore sowie an der Cornell University in New York, wo er an neuen chirurgischen Techniken zur schonenden potenz-erhaltenden Prostata-Entfernung forschte. Der gebürtige Oberösterreicher veröffentlichte bislang mehr als hundert Studien in internationalen Fachjournalen.
INFO-Kasten
An Prostatakrebs sterben etwa drei von 100 Männern. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich die Zahl der Krebsfälle nahezu verdoppelt. Die Ursache dafür liegt in einem verstärkten Screening. Beim Ende Juni in Baden abgehaltenen Kongress für evidenzbasierte Prävention kam es zu einer heftigen Debatte darüber, ob bei dieser Früh-Erkennung von Prostatakrebs über Reihen-Untersuchungen der Nutzen oder der Schaden überwiegt. Als Suchinstrument fungiert dabei ein Bluttest auf Prostata-spezifische Antigene (PSA-Test), der nur eine beschränkte Aussage-Kraft hat. Zum einen übersieht er einen Teil der Tumoren, zum anderen liefert er häufig falschen Alarm, obwohl alles in Ordnung ist. Zur Abklärung sind Biopsien nötig. Dabei werden unter Ultraschall-Kontrolle mittels Endoskop vom Enddarm aus mit einer Stanznadel aus der Prostata etwa zehn Gewebeproben entnommen. Wird dabei ein Tumor diagnostiziert, ist es nur schwer möglich, dessen Gefährlichkeit einzustufen. Therapiert wird mit Bestrahlung, Hormonbehandlung, Chemotherapie oder der chriurgischen Entfernung der Prostata. Bei der Operation besteht das Risiko, dass Nerven verletzt werden. Bis zu fünf Prozent leiden danach unter Inkontinenz, ein hoher Prozentsatz bleibt impotent.
Dies ist die Langversion eines Artikels, der in der heutigen Ausgabe des Standard in der Medizinbeilage veröffentlicht wurde.
Fotos: Standard/Regine Hendrich
Standard: Bei meiner letzten Gesundenuntersuchung wurde – ohne mich vorher darüber zu informieren – ein PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs durchgeführt. Die Ärztin erklärte mir, das sei ein Gratis-Service meiner Versicherung. Wie beurteilen Sie ein solches Service?
Horninger: Der Arzt müsste einen Mann, der zu einer Routine-Untersuchung kommt, jedenfalls informieren, dass es diese Möglichkeit gibt und die Zustimmung einholen. Dann gehört erwähnt, dass es problematisch ist, den Test zu machen, wenn der Mann nicht dazu bereit ist, sich später im Falle eines alarmierenden Wertes weiteren diagnostische Maßnahmen zu unterziehen. Es gehört klar über den Nutzen und die möglichen Schäden aufgeklärt.
Harris: Es wird höchste Zeit, dass es sich bis zu den Ärzten herumspricht, dass es ethisch unverantwortlich ist, wenn Tests ohne informierte Einwilligung durchgeführt werden. Die Leute werden dadurch ja oft in eine Kaskade von Nachfolgehandlungen hineingetrieben, die sie selbst gar nicht überblicken können und auch nicht wollten.
Standard: Sie organisieren seit 20 Jahren in Tirol ein Prostatakrebs-Früherkennungsprojekt. Wie halten Sie es da mit der Aufklärung?
Horninger: Am Anfang stand viel Medienarbeit, wo wir über unser Projekt berichteten. Mittlerweile kommen die Männer selbst und sagen, sie wollen den PSA-Test machen. Ich frage sie dann persönlich, ob Sie sich über die Vor- und Nachteile auch wirklich im Klaren sind. Manche wollen dann noch mehr Information und die kriegen sie von mir. Wie es allerdings die anderen Urologen in Tirol mit der Aufklärung halten, weiß ich nicht. Das ist schon ein Problem, dass es hier keine allgemeinen Regeln gibt.
Harris: Wir haben im Vorsorgeprogramm der USA dazu eine Broschüre geschaffen, die den Männern in einfacher Sprache und mit Graphiken erklärt, was der Test bringt. Den Männern muss 15 Minuten Zeit gegeben werden, das zu lesen, so dass sie dann dem Arzt gezielte Fragen stellen können. Wir sollten die Leute aber auch nicht offensiv drängen, sich der Debatte zu stellen. Ich denke, dass es derzeit eine Art Prostata-Overkill gibt. Dem Thema wird zu viel Bedeutung beigemessen. Es gibt so viele Dinge die für die Gesundheit bedeutsamer sind als dieses Screening.
Horninger: In Tirol empfehlen wir den Test für Männer in der Altersgruppe von 45 bis 75 Jahren. Wenn jemand einen Prostatakrebs-Fall in der Familie hat, raten wir bereits ab 40 zum ersten PSA Test.
Harris: Ich möchte Ihnen raten, dieses Programm zu beenden. Forschung zu diesem Thema ist okay. Aber auch nur wenn es im Rahmen kontrollierter Studien stattfindet. Für so ein breites Screening, wie Sie es hier durchführen, ist der Nutzen nicht belegt.
Horninger: Nach den Daten ist ein Massenscreening wirklich nicht sinnvoll. Wir sind dabei, das in die Richtung zu ändern, dass wir dieses Service jenen Männern, die das für sich wünschen, nach vorheriger guter Aufklärung auf einer individuellen Basis ermöglichen. Es ist wie in der Formel 1. Unser Ding läuft und nun geht es darum, das Programm zu optimieren. Wir müssen die Überdiagnose reduzieren. Die Diagnosen müssen zuverlässiger werden und die Qualität der Therapie gehört weiter verbessert. Wir investieren hier viel Forschungsarbeit.
Harris: Da stimme ich Ihnen zu. Allerdings bringen Studien wenig Erkenntnis, wenn es keine Kontrollgruppe gibt, mit der ich die Ergebnisse zuverlässig vergleichen kann.
Horninger: Wir haben in Tirol enorm dazu gelernt. 1999 haben wir 557 Biopsien durchgeführt, im Vorjahr waren es nur noch 392. Bei 78 Prozent der Krebsfälle konnten wir den Tumor vollständig entfernen, und es traten keine Metastasen auf. Als wir begannen, lag diese Rate nur bei 25 Prozent. Wir haben ein hoch spezialisiertes kleines Chirurgen-Team mit enormer Routine bei diesen schwierigen Eingriffen. Die Rate der Männer die später inkontinent oder impotent sind, haben wir auf ein Minimum reduziert. In Gesamt-Österreich ist die Sterblichkeit bei Prostatakrebs im letzten Jahrzehnt um 3,2 Prozent gesunken, bei uns in Tirol aber um 7,3 Prozent. Wir haben damit etwa 370 Männern den Krebstod erspart. Das sind Erfolge, die wir zweifelsfrei belegen können
Harris: In den großen internationalen Studien hat sich gezeigt, dass Screening zwar die Todesfälle an Prostatakrebs leicht reduziert. Allerdings zum Preis einer enormen Übertherapie mit Biopsien, Bestrahlungen, chirurgischen Eingriffen. Und die Gesamt-Sterblichkeit war in den Screening-Gruppen sogar höher. Sie haben in Tirol sehr viel in die Therapie investiert und bieten hier eine erstklassige Versorgung. Das erkenne ich durchaus an und es ist wahrscheinlich, dass Ihre guten Ergebnisse eher darauf zurückzuführen sind.
Standard: Im Bundesschnitt sind die Tiroler Daten aber tatsächlich eindrucksvoll.
Harris: Das kann man nicht vergleichen. In Tirol wurden bereits vor zwei Jahrzehnten innovative Therapien eingeführt, die in Rest-Österreich viel später kamen. Es bildete sich ein kleines Team hoch motivierter Spezialisten. Die technische Ausstattung ist auf höchstem Niveau. Aus dem Vergleich lässt sich kein Argument für das Screening ableiten, weil die Voraussetzungen in Tirol insgesamt ganz andere sind.
Standard: Sind Sie jemals gefragt worden, Ihre Expertise zum Thema Prostata-Früherkennung und Therapie in ein bundesweites Programm einzubringen?
Horninger: Ich glaube, dass es schwierig wäre, unser Programm beispielsweise nach Burgenland zu transferieren. Man braucht dafür exzellente Radiologen, die im Ultraschall der Prostata über langjährige Erfahrung erfügen. Heute ist es damit möglich, sehr kleine Tumoren zu finden. Es braucht eine gute Therapie-Einheit zur Bestrahlung, die möglichst wenig unerwünschte Nebenwirkungen erzeugen. Und es braucht natürlich erfahrene Chirurgen. Bei uns machen die Radikaloperation nur zwei Personen. Mein Chef und ich. Das ist wie beim Tennis. Um gut zu sein, muss man jeden Tag den Aufschlag trainieren.
Standard: Und wie gehen Sie damit um, dass etwa die Hälfte der Männer bei denen Sie einen Tumor finden, davon nie erfahren hätten, wenn man nicht danach gesucht hätte?
Horninger: Ich weiß nicht, ob das stimmt. Dabei handelt es sich um Rechenmodelle. Ob ein Krebs ohne Bedeutung für einen Menschen ist, weiß man erst, wenn dieser Patient an einer anderen Krankheit stirbt. Die Biopsie gibt uns leider nur sehr ungenaue Hinweise, wie es konkret um den Tumor steht und wie gefährlich er ist. Das Problem ist ungelöst.
Harris: Aber das sind doch keine Rechenmodelle. Dieses Ergebnis stammt aus der Praxis und ist eine der Erkenntnisse aus der im März publizierten Langzeitstudie mit 182.000 Teilnehmern. In der Screening-Gruppe wurden um 45 Prozent mehr Fälle von Prostatakrebs gefunden als in der Kontrollgruppe. Und natürlich auch behandelt. Bei der Biopsie werden mit der Nadel nach dem Zufallsprinzip Proben entnommen. Ebenso zufällig wird dann Krebs entdeckt oder eben nicht. Man weiß aus den Autopsiestudien, dass ein sehr hoher Prozentsatz der verstorbenen Männer einen Tumor hatten, ohne es zu wissen. Screening hat ein hohes Schadenspotenzial und führt zu enormer Überdiagnose.
Horninger: Sie könnten natürlich recht haben. Wir kennen das Problem und wir müssen uns dem stellen. Wir haben es über eine Verfeinerung der Messmethoden geschafft, viele unnötige Biopsien zu vermeiden. Wir zeichnen die Werte über die Jahre genau auf und beobachten die Entwicklung. So haben wir etwa Männer, die seit vielen Jahren einen sehr hohen PSA-Wert von fünf haben. Damit wissen wir, dass das Risiko, an einem Krebs zu leiden, bei 26 Prozent liegt. Aber wenn der Wert gleich bleibt, so scheint es sich nicht um eine aggressive Form zu handeln und wir können unnötige Behandlungen vermeiden.
Russell Harris, (65) ist Professor für Public Health an der Universität von North Carolina in Chapel Hill. Sein Medizinstudium absolvierte er an der Johns Hopkins Universität in Baltimore. Harris war viele Jahre Mitglied der „US Preventive Services Task Force“ und eines der Masterminds des evidenz-basierten Programms zur Gesundheitsvorsorge in den USA, das international beispielgebend war. Harris ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Wolfgang Horninger (45) ist Oberarzt an der Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck. Seit 2007 leitet er das Europäische Prostatazentrum in Innsbruck. Er absolvierte Auslands-Aufenthalte an der Johns Hopkins Universität in Baltimore sowie an der Cornell University in New York, wo er an neuen chirurgischen Techniken zur schonenden potenz-erhaltenden Prostata-Entfernung forschte. Der gebürtige Oberösterreicher veröffentlichte bislang mehr als hundert Studien in internationalen Fachjournalen.
INFO-Kasten
An Prostatakrebs sterben etwa drei von 100 Männern. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich die Zahl der Krebsfälle nahezu verdoppelt. Die Ursache dafür liegt in einem verstärkten Screening. Beim Ende Juni in Baden abgehaltenen Kongress für evidenzbasierte Prävention kam es zu einer heftigen Debatte darüber, ob bei dieser Früh-Erkennung von Prostatakrebs über Reihen-Untersuchungen der Nutzen oder der Schaden überwiegt. Als Suchinstrument fungiert dabei ein Bluttest auf Prostata-spezifische Antigene (PSA-Test), der nur eine beschränkte Aussage-Kraft hat. Zum einen übersieht er einen Teil der Tumoren, zum anderen liefert er häufig falschen Alarm, obwohl alles in Ordnung ist. Zur Abklärung sind Biopsien nötig. Dabei werden unter Ultraschall-Kontrolle mittels Endoskop vom Enddarm aus mit einer Stanznadel aus der Prostata etwa zehn Gewebeproben entnommen. Wird dabei ein Tumor diagnostiziert, ist es nur schwer möglich, dessen Gefährlichkeit einzustufen. Therapiert wird mit Bestrahlung, Hormonbehandlung, Chemotherapie oder der chriurgischen Entfernung der Prostata. Bei der Operation besteht das Risiko, dass Nerven verletzt werden. Bis zu fünf Prozent leiden danach unter Inkontinenz, ein hoher Prozentsatz bleibt impotent.
Dies ist die Langversion eines Artikels, der in der heutigen Ausgabe des Standard in der Medizinbeilage veröffentlicht wurde.
Fotos: Standard/Regine Hendrich
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Hier gibt es die plastische Antwort. Auf einem neuen Weinplateau:
Samstag, 4. Juli 2009
Artikel zu Diabetes, Impfungen und PSA-Screening
In letzter Zeit zeigen sich immer öfter Fachmedien an meinen Artikeln interessiert. In der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (106/27)findet sich in der Rubrik Medizinreport ein Bericht zur aktuellen Diskussion bei Diabetes Typ 2: Ist Hyperglykämie oder Hypoglykämie risikoreicher?
In der aktuellen Ausgabe der Fach-Zeitschrift "Das österreichische Gesundheitswesen" (ÖKZ) ist ein Beitrag publiziert, der sich den neuartigen und alten Adjuvantien in Impfstoffen widmet. Hier geht es zum PDF-Download des Artikels mit dem Titel: "Zweischneidige Schwerter"
PS: Am kommenden Montag erscheint in der Medizin-Beilage des Standard ein Streitgespräch zum Nutzen der breit organisierten Früherkennung von Prostatakrebs, das ich vergangene Woche beim Europäischen Kongress für evidenzbasierte Prävention in Baden moderiert habe. Kontrahenten sind der Leiter des Innsbrucker Prostatazentrums Wolfgang Horninger, sowie Russell Harris, der US-amerikanische Veteran der evidenz-basierten Gesundheits-Vorsorge.
In der aktuellen Ausgabe der Fach-Zeitschrift "Das österreichische Gesundheitswesen" (ÖKZ) ist ein Beitrag publiziert, der sich den neuartigen und alten Adjuvantien in Impfstoffen widmet. Hier geht es zum PDF-Download des Artikels mit dem Titel: "Zweischneidige Schwerter"
PS: Am kommenden Montag erscheint in der Medizin-Beilage des Standard ein Streitgespräch zum Nutzen der breit organisierten Früherkennung von Prostatakrebs, das ich vergangene Woche beim Europäischen Kongress für evidenzbasierte Prävention in Baden moderiert habe. Kontrahenten sind der Leiter des Innsbrucker Prostatazentrums Wolfgang Horninger, sowie Russell Harris, der US-amerikanische Veteran der evidenz-basierten Gesundheits-Vorsorge.