Bert Ehgartner live

Montag, 24. Februar 2020

Infektion mit neuen Coronaviren verläuft großteils harmlos

Das neuartige Coronavirus ist in Europa gelandet und breitet sich aus. Tausende Verdachtsfälle werden geprüft. Und ständig steigt die Zahl der Infizierten. Ein Land nach dem anderen meldet Ausbrüche. Je mehr in den Medien berichtet wird, desto stärker fühlen sich viele Menschen bedroht. Daraus entsteht wiederum das Bedürfnis nach Aktionen. Und somit werden die Quarantäne-Maßnahmen laufend ausgedehnt, Veranstaltungen abgesagt und eine allgemeine Katastrophenstimmung vermittelt. 
Doch welche Gefahr geht tatsächlich von diesen Viren aus? Wie hoch ist das Risiko ernsthafter Verläufe von Lungenentzündung und sonstiger Komplikationen? Und wie könnte ein rationaler Umgang mit der weltweiten Verbreitung dieser Viren aussehen?


Coronaviren sind die häufigsten Auslöser von Erkältungen (Foto:CDC/Dr. Fred Murphy)

Im Journal der US-Ärztegesellschaft ist die bislang größte Übersichtsarbeit zur Covid19-Epidemie erschienen. Bei 72.314 bestätigten Infektionen ist der bisherige Verlauf der Krankheit bei 81% der Betroffenen mild - vergleichbar einem grippalen Infekt. 14% hatten einen schweren Verlauf, bei 5% bestand bzw. besteht Lebensgefahr. Das Sterberisiko wird mit 2,3% angegeben.
Bei den Ausbrüchen in der Provinz Hubei mit dem Zentrum in der Stadt Wuhan lag die Sterblichkeit bei 2,9%, außerhalb der Provinz Hubei nur noch bei 0,4%.

Dies ist damit zu erklären, dass zu Beginn hauptsächlich die schwer Erkrankten getestet wurden. Später jedoch viel mehr leichte Fälle - und damit sank auch das Sterberisiko. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine hohe Dunkelziffer an leicht erkrankten ohne besondere Symptome gibt, ist hoch. Insofern ist die zweite Zahl mit dem niedrigen Sterberisiko eher die obere Grenze. Das höhere Sterberisiko gilt speziell für Risikogruppen, wie ältere Menschen mit angeschlagener Immunabwehr.
Im Schnitt ergibt sich für die Bevölkerung ein ähnliches Szenario wie bei einer normalen Grippewelle mit einem durchschnittlichen Sterberisiko von 0,1 - 0,4%. Das besondere ist bloß, dass diese Epidemie sozusagen unter dem Vergrößerungsglas stattfindet, wo jeder neue Fall für Aufregung sorgt.
Man kann nur hoffen, in dieser überhitzten Stimmung nicht selbst involviert zu werden. Das größte Risiko dieser Coronavirus-Epidemie ist es wohl, positiv getestet, dann wochenlang in Quarantäne genommen und von Ärzten in Seuchenschutz-Montur mit antiviralen Medikamenten traktiert zu werden.


UPDATE 29.2. - Großveranstaltungen absagen, Grenzen schließen, Quarantäne ausdehnen?

Mehrere Länder haben bekannt gegeben, dass sie ihre Quarantäne-Maßnahmen ausdehnen, um die weitere Verbreitung der Covid-19-Epidemie möglichst zu verhindern. Weltweit werden ganze Krankenhaus-Abteilungen gesperrt und für die exklusive Behandlung infizierter Menschen reserviert. Das zieht enorme Ressourcen aus einem ohnehin bereits überlasteten Gesundheitssystem ab.

Hier ein Zitat aus dem Kommentar des Epidemiologen John Watkins aus der aktuellen Ausgabe des British Medical Journal:

Die Schweinegrippe-Pandemie von 2009 hat uns gelehrt, dass die Eindämmung einer weltweit verbreiteten Krankheit sinnlos ist. Angesichts der Tatsache, dass die meisten der aus China (und anderen Ländern) exportierten Fälle von Covid-19 unentdeckt bleiben, wäre es an der Zeit zuzugeben, dass eine globale Pandemie auf uns zukommt. Die WHO zögert noch. Doch sobald die Krankheit als globale Pandemie anerkannt ist, können die Nationen, der Handel und das Gesundheitswesen in eine rationalere Phase eintreten, in der die Ressourcen auf die Bedürftigsten ausgerichtet werden.
Das Gesundheitssystem in Großbritannien ist, wie das in vielen Ländern, bereits für die routinemäßigen Anforderungen an der Belastungsgrenze. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, wie wir die Leistungen neu organisieren, um sie zu bewältigen. Wir sollten von der Annahme ausgehen, dass sich der Großteil der Bevölkerung mit wenigen oder gar keinen ernsthaften Folgen an dem Virus ansteckt. Achten wir deshalb darauf, medizinische Ressourcen für die Behandlung des kleinen Prozentsatzes von Menschen zu reservieren, die ernsthaft erkranken.


UPDATE 27.2. - Wie wird auf die Viren getestet? 

Spezifische Antikörper-Tests gibt es noch keine. Die sind in Entwicklung. Derzeit werden Schnelltests durchgeführt. Bei den Virus-verdächtigen Personen werden meist zwei Verfahren nacheinander angewandt: Zum einen wird ein Nasen-Abstrich genommen bzw. die Nase ausgewaschen. Recht unangenehm kann die zweite Methode sein. Bei der Bronchoalveolären Lavage wird über eine Bronchoskopie (Schlauch durch die Luftröhre in die Lunge) Salzwasser in die Lunge gegeben und dann wieder abgesaugt. Wenn man Glück hat, reicht den Ärzten aber ein ordentlicher Husten-Auswurf (Sputum).
Die Proben werden dann mit Schnelltests untersucht. Dafür wird RT-PCR eingesetzt, um genetische Kopien der Corona-Virensequenz zu finden. Je nach Qualität der Abstrich-Entnahme oder auch durch Zufall kann Virus-Erbgut übersehen werden.
Deshalb wären Antikörper-Tests zuverlässiger. Doch dazu müssen die Patienten die Krankheit bereits durchgemacht haben. Derzeit sind diese Tests noch zu ungenau, weil man ja immunologisch bereits Kontakt mit anderen Coronaviren hatte - und die spezifische Unterscheidung fehlt.

Wie sinnvoll sind die Quarantäne Maßnahmen?

Die ergebnislose Suche nach dem "Patienten Null" in Italien hat deutlich gemacht, dass es wahrscheinlich "subklinische" Verläufe gibt von Menschen, die infiziert sind, aber keine Symptome haben.
Die enorme Letalität von mehr als 2%, die am Anfang der Epidemie aus China gemeldet wurde, ist mittlerweile deutlich gesunken. Neue Angaben aus China nennen eine Quote von 0,4%. Und auch das ist wohl deutlich zu hoch gegriffen. Denn 80% der Verläufe sind mild oder sogar sehr mild. Das heißt die meisten dieser Personen werden überhaupt nicht getestet werden. Sie können aber natürlich die Viren weiter geben.
Die Quarantäne ist extrem aufwändig und bringt in dieser Situation gar nichts. Es handelt sich dabei eher um eine politisch motivierte Maßnahme, um den Eindruck zu erwecken, es werde alles nötige getan.
Wenn sich die Infektion - wie zu erwarten ist - weiter ausbreitet und alle Leute, die positiv getestet werden in die Krankenhäuser aufgenommen werden, so wird das dazu führen, dass junge Menschen mit milden Symptomen, die gut genug zu Hause bleiben könnten, den älteren Infizierten, die wirklich Hilfe brauchen, die Betten weg nehmen.


UPDATE 26.2. - Todesfälle in Italien

Bis zum 26. 2. sind die Todesfälle in Italien auf zwölf gestiegen. Was weiß man über diese Personen?
Gemeinsam ist ihnen, dass alle Todesfälle bei älteren Menschen aufgetreten sind, die meisten mit Begleitkrankheiten. Bei einigen ist es nicht gewiss, ob die Infektion oder die Begleitkrankheit die Todesursache darstellen.
Hier eine Übersicht zu dem, was über diese Menschen bekannt ist:
  • Der erste italienische Todesfall wurde am Freitag, dem 21. 2. gemeldet. Er betraf einen 78-jährigen Pensionisten aus der Region Padua. Der Mann lag bereits aus anderen Gründen im Krankenhaus und war offenbar dort infiziert worden.
  • Am Samstag starb eine 75-jährige Frau aus Codogno. 
  • Am Sonntag starb ein älterer Krebspatient, bei dem es unsicher ist, ob die Infektion die Todesursache war.
  • Am Montag starb ein 62-jähriger Dialyse-Patient aus Castiglione d'Adda, ebenfalls Lombardei. 
  • Aus derselben Stadt stammte ein 80-jähriger, der in einem Krankenhaus in Mailand verstarb. Dort war er allerdings nicht wegen der Virus-Infektion, sondern wegen eines Herzinfarktes eingewiesen worden.
  • Weiters starben am Montag ein 88-jähriger Mann aus Caselle Landi und ein 84-jähriger aus Bergamo. 
  • Am Dienstag traten weitere drei Todesfälle in der Lombardei auf, die Personen waren 83, 84 und 91 Jahre alt. 

Erste Übersichtsarbeit aus Wuhan 

Bisher gibt es relativ wenige genauere Übersichtsarbeiten.
Eine erschien am 20. 1. 2020: Chinesische Wissenschaftler veröffentlichten eine erste Übersicht zum damaligen Stand. Fast alle Betroffenen stammten aus der Provinz Wuhan.
291 Patienten waren infiziert - beim Großteil verlief die Erkrankung mild, heißt es im Bericht. Nur 63 dieser Patienten hatten ernsthafte Verläufe von Lungenentzündung.
6 Personen sind gestorben - alle älter als 60 Jahre. Sie hatten bereits vor der Infektion mit den neuartigen Coronaviren schwere Begleiterkrankungen. Zitiert werden im Bericht: Darmkrebs, chronische Lebererkrankung, Nierenversagen, Herzmuskelentzündung sowie andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Fieber, Husten, Heiserkeit

Vergangene Woche erschien im British Medical Journal ein weiterer Bericht aus China, in dem eine Gruppe von Patienten (N=62) analysiert wurde, die außerhalb der Provinz Wuhan leben, sich aber von Kontaktpersonen aus oder in Wuhan infiziert haben. Es waren keine Original-Fälle jener Patienten dabei, die sich in der Nähe des berüchtigten Fischmarktes infiziert haben.
Diese Gruppe entspricht also viel mehr dem Risiko, welches auch Europäer erwartet, wenn sie sich infizieren sollten.

Die Patienten waren im Mittel 41 Jahre alt. Nur ein einziger Patient musste auf einer Intensivstation behandelt werden. Gestorben ist niemand.
Zwei Patienten entwickelten im Verlauf der Krankheit Atemnot.
Die häufigsten Symptome waren Fieber (77% der Patienten), Husten (81%), Kopfschmerzen (34%), Muskelschmerzen und allgemeine Schwäche (52%) sowie Durchfall (8%).
Bei mehr als der Hälfte der Patienten stieg das Fieber nicht über 38 Grad. Nur 8 der 62 Patienten hatten Fieber über 39 Grad.


Wie kann man sich schützen?

Coronaviren sind normale Erkältungsviren, welche eine große Bandbreite von Symptomen auslösen können. Und so wie es aussieht, unterscheiden sich die neuen Viren nur unwesentlich von jenen Coronaviren, die bereits seit mindestens hundert Jahren hier heimisch sind. Die Verläufe von Lungenentzündung sind großteils unkompliziert. Risikogruppen sind - so wie auch bei Influenza und anderen Erkältungsviren - ältere Personen mit Vorerkrankungen.

Als geeignete Vorsorge gilt - wie auch bei den meisten anderen Erkältungsviren:
  • Öfter mal Hände waschen, wenn man an öffentlichen Orten unterwegs ist. Von den eigenen Händen geht (nach dem angenießt werden) das größte Infektionsrisiko aus.
  • Warme bzw. heiße Getränke trinken - kalte Limos meiden (Viren halten Wärme über Körpertemperatur schlecht aus)
  • Ab in die Sonne - wenn sie mal scheint. Sonnenstrahlen stärken die Abwehrkräfte