Bert Ehgartner live

Dienstag, 19. Dezember 2017

Ein begnadeter Extremist

Hat es überhaupt eine messbare Auswirkung, was wir essen? Macht es einen Unterschied, ob wir uns aus der „schnellen Küche“ bedienen oder ausgefeilten Diätplänen folgen? Gibt es Vitamine und Spurenelemente, die uns geistig und körperlich länger fit halten, eine Anti-Alzheimer-, eine Anti-Herztod-Diät? Was bringt der Griff zur Diät-Margarine wirklich? Senkt fettarme Ernährung den Cholesterinspiegel, und wenn ja – ist es überhaupt sinnvoll, den Cholesterinspiegel zu senken? 

Die Lehre von der richtigen Ernährung kann auch ins Absurde ausarten

Die Antworten auf diese Fragen sind nicht leicht zu finden im Dschungel der diversen Ernährungslehren. In kaum einem anderen Fach gibt es derartig wenig Zurückhaltung, sich selbst als Experte aufzuspielen, wie hier. Jede Buchhandlung hat eigene Abteilungen, deren Regale bis zur Decke mit Ernährungsratgebern angefüllt sind. Vom Fünf-Elemente-Kochbuch bis zum Ratgeber für die Darmsanierung, von der klassischen Weight-Watcher-Fibel bis zum aktuellen Fit-mit-Fett-Knaller. Ein regelrechter Overkill an kunterbunten Argumenten mit oft recht drastischen Auswirkungen für empfängliche Gemüter.

Die Verwirrung und der Extremismus der diversen Ernährungslehren erreichte in der Person meines Nachbarn Markus einen einsamen Höhepunkt. Vor zehn Jahren, als er hierher in die Gegend zog, um vom großstädtischen Hotelgewerbe ins Fach des Biobauern zu wechseln, war er gerade Vegetarier geworden. Mit dem Feuereifer des frisch Konvertierten begann er, spätestens nach jedem dritten Satz, mit seinen Brandreden gegen Fleisch und Wurst. Der Mensch sei entwicklungsgeschichtlich ganz eindeutig ein Vegetarier, der Hang zum Fleisch die nicht überwundene Erbschuld aus Kannibalismus- und Raubtiergenen. Mit jedem Bissen belasten wir uns mit dem Leid der Tiere, und energetisch sei Fleisch sowieso minderwertig. Er selbst schaffte sich auf seinem Hof einige Kühe und eine Schar Ziegen an und begann mit der Herstellung von Käse.


"Wer zum Teufel braucht die Böcke?"

Die erste depressive Phase kam, als er seinen Hof bis oben hin voll mit Tieren hatte. „Was soll ich tun?“, fragte er verzweifelt. „Sie brauchen Nachwuchs, sonst geben sie keine Milch. Was aber soll ich mit dem ganzen Nachwuchs anfangen? Und wer, zum Teufel, braucht diese ganzen Stiere und Böcke?“ Schwersten Herzens machte er einen Deal mit dem Nachbarbauern, der ihm den Abtransport und die Schlachtung der überzähligen Tiere abnahm. „Für mein Karma“, meinte Markus, „ist das natürlich eine Katastrophe.“

Dass er mit diesem Dilemma nicht wirklich zu einer befriedigenden Lösung kam, zeigten immer mehr Indizien, die sich in seinem Wohnzimmer ansammelten. Ein Aura-Photo zeigte Markus‘ Kopf in einer rotgelben Wolke, „mit klaren Verunreinigungen, hier an der Peripherie“, wie er mit sorgenvoller Miene erläuterte. Kristalle sollten die bösen Energien blockieren. Und bei allen kniffligen Entscheidungen ernährungs-technischer Art wurde immer häufiger ein Pendel zu Rate gezogen, das entschied, ob bestimmte Speisen des Teufels waren oder nicht. Daneben las er eine Menge Ernährungsbücher und entdeckte bei sich selbst von der Eiweiß-Allergie bis zur Candida-Durchseuchung seines Darmes jede nur denkbare unerwünschte Nahrungsmittel-Nebenwirkung.

Schließlich hatte auch den Milchprodukten die Stunde geschlagen. Sein Ernährungslehrer – eine Kapazität allerersten Ranges – habe davon abgeraten, und er könne das voll nachempfinden. Blöderweise hatte er gerade seine Käserei mit einem EU-Kredit modern ausgebaut, und das Geschäft begann immer besser zu laufen.

Man muss Job und Privatleben trennen können, lautete sein pragmatischer Beschluss. Wenn er gezwungen war, die Käsemischung zu kosten, spuckte er fortan die Reste in die Katzenschüssel.

Kurz darauf bezeichnete sich Markus selbst als „Geprüften Ernährungs-berater“ und hängte zur Beglaubigung eine Urkunde an die Wand. Zu einem Vortrag im Extrazimmer des Kirchenwirtes kamen immerhin dreißig Leute, allesamt Freunde und Kunden, die er wochenlang bei jedem Einkauf auf diesen Termin eingeschworen hatte. Und Markus, der noch nie zu den zurückhaltenden Rednern gehört hatte, legte sich mit Feuereifer rhetorisch ins Zeug und wetterte gegen Fleisch und tierische Fette. Milch und Käse kamen dabei in etwa so gut weg, als wenn ein Mullah über die Segnungen des Alkohols referierte. Der Erfolg war durchschlagend – und die nächste Depression direkte Folge.

„Ich gehe pleite“, klagte er bei meinem Besuch etwa eine Woche nach dem Vortrag. „Du bist bald der einzige, der noch bei mir einkauft.“ Dann folgte eine lange Klage über die Charakterschwäche und Verlogenheit der Menschen, denn er hatte einige seiner Kunden beim Konkurrenz-Käseladen parken sehen. „Wenn es mir wenigstens gelungen wäre, sie zu überzeugen, dass Milchprodukte krank machen. Aber nein, ich habe sie nur verschreckt, sie trauen sich nicht mehr zu mir!“


Das Heidelbeer-Abenteuer

Markus zog daraus zwei Konsequenzen. Auch wenn es ihn wirklich schmerze, müsse er seine Tätigkeit als Ernährungsexperte wohl zurückstellen. Und auch wenn es mich schmerze, müsse er mich leider dringend um ein Darlehen anpumpen. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma liege nämlich – wie er nun klar erkannt hatte –, in einer Umstrukturierung seiner Produktpalette. Weg von Käse und Milch, hin zu den Heidelbeeren. Und zwar im großen Stil.

Daraufhin hörte ich einen Privatvortrag über den ungeheuren ernährungsphysiologischen Wert von Heidelbeeren. Keine andere Frucht habe derart hochwertige Inhaltsstoffe, mache gleichzeitig schlank und schütze vor Krebs und Herztod. Falls ich ihm das Darlehen verweigerte, sei er außerdem gezwungen, den Hof zu schließen und als Büßer nach Indien zu ziehen. – Das konnte ich nun wirklich nicht riskieren.

Die Heidelbeer-Plantage steht nun bereits das vierte Jahr und bringt nur Verdruss, wie mir Markus regelmäßig mit unverhohlen vorwurfsvollem Unterton – schließlich habe ich ihn ja erst in dieses Abenteuer hineingeritten – berichtet. Die Beeren gedeihen nämlich nicht. Zwar war er gewarnt worden, dass sie als Heiden- und Waldbewohner ein saures Milieu bräuchten. Dafür habe er aber schließlich auch den ganzen Boden ausgetauscht. Eine Heidenarbeit – und schweineteuer obendrein. Im zweiten Jahr kamen dann die Rehe und fraßen die frischen Triebe bis aufs Holz ab. Da war er gezwungen, in einen Wildzaun zu investieren. Und im Vorjahr, als endlich einige Eimer Ernte einzusammeln gewesen wären, war praktisch über Nacht alles weg. Gestohlen von den Vögeln!

Ob derartige Katastrophen mithalfen, oder ob sich seine Ernährungslehre von allein zum Selbstläufer in den Radikal-Extremismus entwickelte, ist schwer abzuschätzen. Jedenfalls hat es Markus mittlerweile bei den erlaubten Lebensmitteln auf eine Liste gebracht, die er an den Fingern einer Hand aufzählen kann. Aktuellster Neuzugang auf seiner Bannliste ist, wie er kürzlich mit dem Selbstbewusstsein eines tief in seiner eigenen Weisheit ruhenden Fakirs mitteilte, der Dinkel.

Er habe nun erkannt, dass es sich bei diesem Getreide um das ungesunde Resultat jahrhundertelanger Elitezüchtung handle. Die Energie des Ursprünglichen sei dabei völlig verloren gegangen. Er könne deshalb nur noch zwei Getreidesorten guten Gewissens empfehlen: Kamut und Einkorn.

Auch von seiner äußeren Erscheinung her gleicht Markus immer mehr einem drahtigen ledergegerbten Fakir. Den Verkauf seiner Käse-Spezialitäten erledigt er mit der stoischen Abgeklärtheit eines vegetarischen Kellners, der den Gästen Blutwurst servieren muss. Sorgen über Mangelernährung mache er sich – trotz seines radikal eingeschränkten Speiseplanes – aber nicht. Noch nicht.

Denn immerhin setze er große Hoffnungen auf die diesjährige Heidelbeer-ernte. „Apropos Heidelbeeren“, kommt er schließlich auf den Anlass seines Besuches zu sprechen. „Nachdem ja eigentlich du mir die ganze Sache eingebrockt hast, wäre es höchste Zeit, dir mal Gedanken über die Finanzierung eines Vogelschutznetzes zu machen.“

Bei diesem Artikel handelt es sich um den Beginn des Ernährungs-Kapitels aus meinem aktuellen Buch "Der Methusalem-Code", das kürzlich im Verlag Ennsthaler erschienen ist. 

Dienstag, 5. Dezember 2017

Impfungen und Autismus: Alles anders?

Vergangene Woche ist eine Studie erschienen, in der erstmals die Gehirne verstorbener Autisten auf Aluminium untersucht worden sind. Dabei fanden Wissenschaftler des Teams von Christopher Exley an der britischen Keele University Werte, die um ein Vielfaches über der Normalbelastung lagen. Besonders interessant war die Lokalisation des Aluminiums. Anders als in Alzheimer-geschädigten Gehirnen fanden sich die toxischen Metall-Partikel großteils nicht unmittelbar im Nervengewebe, sondern innerhalb von Zellen des Immunsystems: Diese waren regelrecht geladen mit Aluminium. Ähnliche Zellen sind in anderen Studien im Gewebe rund um die Einstichstelle von Impfungen gefunden worden. "Unsere Resultate sind eine neuartige Entdeckung und könnten sowohl die Herkunft des Aluminiums als auch eine mögliche Rolle im autistischen Krankheitsbild beleuchten", erklärte Exley. 

Rätsel Autismus: Die Ursachen liegen bisher vollständig im Dunklen


Insgesamt standen Exleys Team für diese Untersuchung 15 Gehirne von Menschen zur Verfügung, die mit einer Diagnose von Autismus verstorben waren. Bei fünf dieser Gehirne waren Proben aus verschiedenen Gehirnregionen vorhanden, hier waren genaue Analysen möglich. Der Aluminiumgehalt lag im Schnitt zwischen 2,3 und 3,8 Mikrogramm Aluminium pro Gramm Gehirn-Trockenmasse. Die Spitzenwerte erreichten deutlich mehr als 10 Mikrogramm.
In einem Interview am Rande eines Experten Hearings in Paris erklärte Exley: "Wir haben bisher mehr als 100 menschliche Gehirne auf Aluminium untersucht und in dieser aktuellen Arbeit fanden wir so hohe Werte, wie zuletzt nur in einer Studie bei Menschen, die an der Alzheimer Krankheit verstorben sind."
Nun stelle sich natürlich die Frage, woher bei Menschen im jugendlichen Alter von 13, 14 oder 15 Jahren derartig hohe Kontaminationen stammen. Eine mögliche Antwort darauf bietet laut Exley die Lage der Aluminium Partikel. "Nur ein kleiner Teil des Aluminiums befand sich innerhalb von Nervenzellen, so wie wir das aus unseren bisherigen Studien kannten. Der Großteil des Aluminiums im Gehirngewebe der Autisten lag intra-zellulär in verschiedenen Arten von Entzündungszellen vor. Es ist wahrscheinlich, dass das Aluminium - als Ladung der Immunzellen - über die Blut- und Lymphgefäße in das Gehirn eingewandert ist."
Für Exley bedeuten seine Ergebnisse einen neuartigen Zugang in der Forschung nach den Ursachen von Autismus. "Das heißt nun nicht, dass Aluminium der Auslöser von Autismus ist, aber es ist ziemlich sicher, dass Aluminium in der Entstehung dieser Krankheit eine Rolle spielt."


 Mögliche Quelle des Aluminiums: Impfungen

Mehr als zwei Drittel der Impfstoffe, die Babys ab dem 3. Lebensmonat (und in den USA ab dem 1. Lebenstag) verabreicht werden, enthalten Aluminium. An der Einstichstelle versammeln sich Millionen von Immunzellen, darunter auch Fresszellen, welche Aluminium-Partikel aufnehmen und versuchen es zu entsorgen. Im Tierversuch zeigten der Pathologe Romaine Gherardi und sein Team von der Universität Paris, dass dieses Aluminium im Organismus "ähnlich des Mechanismus eines Trojanischen Pferdes", wie es Gherardi bezeichnet, verschleppt wird, die Blut-Hirn-Schranke überwindet und in geringen Mengen auch ins Gehirn gelangen kann.
Jedoch, erklärte mir Romain Gherardi in einem Interview, gäbe es auch eine spezielle Risikogruppe: "Diese Art der Immunreaktion mit der exzessiven Verschleppung von Aluminium betrifft nur einen geringen Prozentsatz der Menschen, die hier genetisch besonders empfänglich sind. Vielleicht gelingt es, diese Risikogruppe vorab mit Hilfe von Tests zu identifizieren." Dann, so Gherardi, sei es möglich, diese Menschen von Aluminium-haltigen Impfstoffen auszunehmen, oder - dort wo es keine Alternativen ohne Aluminium gibt - das Risiko und den Nutzen sorgsam abzuwägen.
"Bevor wir diese Untersuchung gemacht haben, dachte ich nicht daran, dass Aluminium-haltige Impfungen irgend etwas mit der Entstehung von Autismus zu tun haben", sagt Exley. "Nun bin ich extrem beunruhigt, dass sich diese Variante doch als möglich zeigt. Deshalb sollten wir dringend bei allen Impfstoffen sicher stellen, dass wir auch Aluminium-freie Alternativen verfügbar haben."


Medienecho auf Exleys Studie: Schweigen und Aggression

Die Frage, ob Impfungen an der Entstehung von Autismus beteiligt sind, ist eine der brisantesten, die man im Bereich der Medizin stellen kann. Ergibt sich in den Studien ein Nullergebnis, so ist offenbar alles in Ordnung und es gibt ein breites Medienecho. Finden Wissenschaftler jedoch Resultate, die einen Zusammenhang nahe legen, so tritt gespannte Stille ein.
Die meisten großen Medien warten ab, während aggressive Blogger voran schreiten. Wenn es um die Ehrenrettung von Impfungen geht, sind meist die Science-Blogs zur Stelle. Und allen voran ein prominenter US-Blogger mit dem Pseudonym Orac, der unter dem Titel "Christopher Exley: Wie er mit schlechter Wissenschaft versucht, Aluminium in Impfstoffen zu dämonisieren" eine seiner berüchtigten Frontalattacken reitet.

Christopher Exley wird von anonymen Bloggern heftig angegriffen

Die Kritik beginnt bei den Financiers der Studie, dem "Childrens Medical Safety Research Institute". Dabei handelt es sich um eine privat finanzierte Organisation, welche sich speziell dem Sponsoring Industrie-unabhängiger Forschung im Bereich des Impfwesens widmet. Für Orac handelt es sich dabei um "die tollwütigsten Impfgegner, die ich je gesehen habe". Studien, die von dieser Organisation bezahlt werden, seien deshalb vorn vornherein verdächtig.
Des weiteren wirft er Exley vor, dass seine Messergebnisse unzuverlässig seien, weil der Aluminiumgehalt der einzelnen Messungen stark - manchmal um das zehnfache - variiert.
Chris Exley entgegnete mir gegenüber zu dieser Kritik: "Dieser Mensch hat offenbar keine Ahnung von derartigen Abläufen. Denn Aluminium ist nunmal nicht gleichmäßig im Gehirngewebe verteilt."

Schließlich argumentiert Orac, dass die Resultate nicht vergleichbar seien, weil Exley in seiner Arbeit keine gleichaltrige Kontrollgruppe gewählt hat. Exley entgegnet dem, dass seine Gruppe bislang mehr als 100 Gehirne auf Aluminium untersucht habe, mehr als jedes andere Forschungsinstitut weltweit. Und dabei ergaben sich Referenzwerte in Bezug auf Aluminium mit Normalwerten im Bereich von weniger als 1 Mikrogramm pro Gramm Trockenmasse. "Wenn wir nun im Hinterhaupt-Lappen eines 15-jährigen Autismus-Patienten einen Mittelwert von 8,74 Mikrogramm finden, so stellt sich schon die Frage, woher das kommt."


Der berühmte "Fall Wakefield"

Aggressive Kritik und bösartige Vorwürfe sind im Impfbereich nicht die Ausnahme, sondern die Regel, wenn es um die Diskussion kritischer Forschungsbeiträge geht. Und speziell wenn es um den Vorwurf geht, Impfungen könnten ein Risiko für Autismus darstellen, so ist das Gelände ohnehin weitgehend verbrannt.
Alle erinnern sich an den "Fall Andy Wakefield". Der britische Magen-Darm-Spezialist war ein aufstrebender junger Wissenschaftler am "Royal Free Hospital" in London. Ihm fiel auf, dass Kinder mit Entwicklungsstörungen wie z.B. Autismus häufig auch an chronischen Darmentzündungen und Koliken leiden. Und viele Eltern berichteten, dass die Probleme nach der MMR-Impfung (Masern-Mumps-Röteln)  begonnen hatten.
Wakefield schrieb also im Jahr 1998 seinen berühmten "Early Report" im Journal Lancet und berichtete über 12 Fälle von Kindern, die sich zunächst normal entwickelt hatten, dann aber einen starken Einbruch erlitten, Fähigkeiten wieder verlernten, teilweise auch zu sprechen aufhörten. Bei acht dieser Kinder war Autismus diagnostiziert worden. Alle zwölf Kinder litten an schweren Koliken, Durchfällen und Verdauungsstörungen.
In acht der zwölf Fälle waren laut Eltern die Probleme kurz nach der MMR-Impfung aufgetreten. Wakefield sagte auf Pressekonferenzen und in Interviews, dass er die Dreifach-Impfung für einen Risikofaktor für Autismus hält und plädierte dafür, vorsichtshalber einzeln zu impfen. Die Medien berichteten breit über seinen Verdacht - die Impfquote in Großbritannien fiel steil ab. Wakefield geriet daraufhin stark unter Beschuss. Ihm wurde vorgeworfen, er hätte die Studie verfälscht, unethische Methoden angewendet und rund 50.000 Pfund an privaten Forschungsgeldern angenommen, von denen weder seine Co-Autoren noch das Journal etwas wussten. Gegen ihn wurde ein Berufsverbot ausgesprochen, seine Studie wurde zurück gezogen. "Sie haben meine Karriere komplett zerstört", erklärte Wakefield, der alle Vorwürfe des wissenschaftlichen Fehlverhaltens bis heute zurück weist. Wakefield war gezwungen vollständig neu anzufangen. Im Jahr 2001 wanderte er mit seiner Frau und vier Kindern in die USA aus.

Andrew Wakefield: Sein Ansehen und seine Karriere wurden vollständig zerstört


Löst die MMR-Impfung tatsächlich Autismus aus?

Wer die Frage, ob Autismus etwas mit Impfungen zu tun hat, bei Google eingibt, wird viele tausende Treffer finden, die sich alle auf den Fall Wakefield beziehen. Und in minimalen Variationen wird unzählige Male dieselbe Geschichte erzählt: Der Zusammenhang sei falsch und längst widerlegt. Denn er gründet auf einem Wissenschaftsbetrug. Die MMR Impfung habe, so wie alle anderen Impfungen, rein gar nichts mit Autismus zu tun.
Wakefield schlug zurück und präsentierte in seinem Dokumentarfilm "Vaxxed" den Fall des Whistleblowers William Thompson, eines langjährigen Mitarbeiters der US-Gesundheitsbehörde CDC, der sich selbst und die Behörde beschuldigte, Studien verfälscht zu haben. Resultate hätten gezeigt, so Thompson, dass bei Buben afroamerikanischer Herkunft ein signifikantes Risiko besteht, nach der MMR-Impfung an Autismus zu erkranken. Sie hätten diese Unterlagen jedoch verschwinden lassen, um einen möglichen Einfluss der Impfung zu vertuschen. Den CDC-Mitarbeitern sei, so Thompson, als interne Begründung der Behörde genannt worden, "dass der Fall Wakefield schon genug Schaden angerichtet habe und deshalb mit solchen ungünstigen Daten kein weiteres Öl ins Feuer geschüttet werden sollte."

Tatsächlich zeigen die Ausführungen des CDC-Mitarbeiters Thompson, wie parteiisch und unwissenschaftlich die US-Behörde den möglichen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus untersucht hat. Das statistisch signifikante Risiko bei afroamerikanischen Jungen hätte niemals unterschlagen werden dürfen.
Dies andererseits, wie Wakefield es versuchte, als einen Beweis dafür zu nehmen, dass die MMR-Impfung Autismus auslöst, ist ebenfalls vollständig verfehlt. Denn wenn Wakefield diesem Resultat schon so viel Beweiskraft zuspricht, so würde das im Umkehrschluss ja auch bedeuten, dass die MMR-Impfung bei allen anderen Bevölkerungsgruppen - also bei afroamerikanischen Mädchen, sowie bei Kindern beider Geschlechter aus asiatischer oder europäischer Herkunft - KEIN RISIKO für Autismus darstellt. Und damit wäre die MMR-Impfung beim Großteil der Bevölkerung frei gesprochen.

In diese Richtung weisen auch einige epidemiologische Studien. Am bekanntesten ist eine japanische Arbeit, die den Umstand nutzte, dass die MMR-Impfung im Verwaltungsbezirk Yokohama nur einige wenige Jahre verwendet, ab dem Jahr 1993 dann komplett ausgesetzt wurde. Dennoch entwickelte sich dort die Autismus-Rate vollständig unbeeinflusst und stieg - so wie in den meisten anderen Ländern weltweit - stark an. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die MMR-Impfung ein wichtiges Risiko für die Entstehung von Autismus darstellt", schlossen die japanischen Wissenschaftler.

Tatsächlich scheint die wahrscheinlichste Erklärung für das Resultat in der von Thompson an die Öffentlichkeit gebrachten CDC-Studie, dass es sich dabei um einen Zufallsfund handelt, einen statistischen Ausreißer, wie er bei großen epidemiologischen Arbeiten immer passieren kann. Für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der US-Behörde war die Aktion dennoch verheerend, belegt sie doch klar deren Voreingenommenheit in Fragen der Impfstoff-Sicherheit. Wie soll man einer Behörde vertrauen, wenn diese willkürlich unangenehme Daten verschwinden lässt? Und wie sicher sind derart kontrollierte, von der Behörde empfohlene Impfungen?


Was ist mit den anderen Impfungen?

Doch bedeutet dies nun, dass mit einem Schlag die Frage geklärt ist, dass Impfungen gar nichts mit Autismus zu tun haben? Sicherlich nicht. Es scheint auf Grund der wissenschaftlichen Datenlage bloß recht unwahrscheinlich, dass die Masern-, Mumps- und Röteln Impfungen eine bedeutsame Rolle spielen.
Doch es gibt zahlreiche andere Impfungen während des ersten Lebensjahres, die den Babys laut Impfplan gegeben werden. Impfungen, die sich von der MMR Impfung deutlich unterscheiden.
Bei der MMR Impfung handelt es sich um eine Lebendimpfung, die lebende, abgeschwächte Masern-, Mumps- und Rötelnviren enthält. Die MMR-Impfung wird laut Impfplänen meist erst zu Beginn des zweiten Lebensjahres verabreicht. Davor haben die Babys schon eine ganze Serie anderer Impfungen erhalten, die inaktivierte - also abgetötete - Wirkstoffe enthalten.

Diese Impfstoffe benötigen in den meisten Fällen Wirkverstärker (Adjuvantien). Im Normalfall handelt es sich dabei um die Aluminium-Verbindungen Aluminiumhydroxid und Aluminiumphosphat. Die in Europa meistverwendete Sechsfachimpfung Infanrix hexa enthält beispielsweise gleich alle beiden Metallverbindungen.
Diese Wirkverstärker dienen dazu, das Immunsystem zu alarmieren und eine möglichst starke, nachhaltige Immunreaktion auszulösen. Dies führt meist zur Bildung ausreichender Antikörper-Titer und zum Schutz vor den spezifischen Krankheiten.
Ohne Wirkverstärker würden moderne Impfstoffe deutlich schlechter oder gar nicht funktionieren.

Wie steht es nun um das Gesundheits-Risiko dieser weltweit angewendeten Impfstoffe, die nicht nur zwei Mal - wie die MMR Impfung - sondern um ein Vielfaches häufiger gegeben werden?
Welchen Einfluss hat das bekannt toxische Aluminium auf die Mechanismen, die zur Entstehung von Autismus führen?
Die Antwort ist ebenso eindeutig wie beschämend: Wir wissen es nicht! Mögliche Zusammenhänge wurden bislang noch gar nicht untersucht.

Wir leisten uns den Luxus, die Neugeborenen einem über die Jahre immer massiver gewordenen Impfprogramm zu unterziehen und können wesentliche Fragen zur Sicherheit dieser Intervention nicht beantworten.

Und wenn unbequeme Forschungsresultate eintreffen, wie zuletzt jene der britischen Alu-Experten, wird wütend die "Impfgegner-Keule" ausgepackt und eine konstruktive Diskussion von vorn herein unterbunden.
Schöne neue Science-Welt.



Wenn Ihnen der Artikel interessant und wichtig erscheint, würde

ich mich über einen kleinen Beitrag zu meiner Arbeit sehr freuen. 
 
Bert Ehgartner steht auch für Vorträge, Filmvorführungen, etc. zur Verfügung. 
Nähere Informationen finden Sie auf dieser Seite


Donnerstag, 5. Oktober 2017

Schmutzimpfung statt Schutzimpfung

Die Angst vor Keimen im Haushalt, ein neues Einsatzgebiet für Impfungen und das wirkliche Risiko, das von Antibiotika-Kuren ausgeht: Wichtige Themen in meinem Buch "Die Hygienefalle", die auch im Interview für die deutsche Fachzeitschrift "Kinderkrankenschwester" zur Sprache kommen. 

Kinder brauchen Schmutz: ein artenreiches Mikrobiom ist
ein wichtiges Fundament unserer Gesundheit (Foto: Ehgartner)


Worum geht es in der Hygienefalle? Sterile Lebensmittel, übertriebene Körperhygiene, zu viele Putzmittel im Haushalt?

Bert Ehgartner: Ja, auch. Vor allem aber um unseren generellen Umgang mit Keimen. Die Grundprinzipien der Hygiene umzusetzen war eine der segensreichsten Leistungen unserer Zivilisation. Doch dann haben wir gewaltig übers Ziel geschossen und der Krieg gegen Viren und Bakterien wurde zu einem Leitmotiv unseres Verständnisses von Gesundheit. Damit sind wir gewaltig in die Hygienefalle getappt.

Sie meinen die Überverschreibung von Antibiotika und das damit verbundene Risiko von Resistenzen und Krankenhauskeimen?

Bert Ehgartner: Die Resistenzbildung ist eine Nebenwirkung der Überverschreibung. Viel problematischer ist allerdings die Hauptwirkung der Antibiotika: Das Massensterben, das sie bei unseren mikrobiellen Mitbewohnern auslösen. Wir beherbergen zehnmal mehr Bakterien als wir menschliche Zellen haben. Die genetische Vielfalt unserer Mitbewohner übersteigt unsere eigenen Gene um das Hundertfache. Und wir wissen heute, dass wir einen kunterbunten Austausch an Information pflegen. Unsere Gesundheit hängt davon ab, dass unser Mikrobiom möglichst vielfältig ist und ein stabiles, symbiotisches Verhältnis zu den Zellen des Immun- und Nervensystems pflegt. Deshalb ist die Tendenz der Kinderärzte „zur Sicherheit“ Antibiotika zu geben, gemeingefährlich.

Trägt diese Praxis auch Mitschuld am Anstieg der chronischen Krankheiten?

Bert Ehgartner: Jedenfalls. Die Mehrzahl dieser Krankheiten hat ja eine gemeinsame Wurzel: Ein überaggressives aus der Bahn geworfenes Immunsystem. Und speziell in der Kindermedizin wird laufend das heranwachsende Immunsystem manipuliert. Auch durch Impfungen. Sie gelten als „Heilige Kuh“ der Medizin und manche werden heute noch nach Rezepten hergestellt, die beinahe 100 Jahre alt sind. Hier braucht es dringend eine Modernisierung, eine tabulose Überprüfung von Nutzen und Risiko aller Impfungen. Stattdessen überlassen wir die Forschung komplett der Industrie, während die Behörden auf der faulen Haut liegen.

Wie können wir uns nun aus der Hygienefalle befreien?

Bert Ehgartner: Wir brauchen ein neues Verständnis für Gleichgewicht und Symbiose. Dazu gehört der Friedensschluss mit Viren und Bakterien. 99,9 Prozent sind nicht gefährlich, sondern nützlich und lebensnotwendig. Unser Problem ist heute eher die Abwesenheit vieler Keime. Und hier muss die Wissenschaft ansetzen. Denkbar wäre, dass künftige Impfungen das Immunsystem nicht mehr aggressiv machen und vorwarnen gegen bestimmte Infekte, sondern sie könnten Kontakte herstellen, die verloren gegangen sind. Schmutzimpfung statt Schutzimpfung!

Das Interview erschien in der Zeitschrift "Kinderkrankenschwester" (Ausgabe 03/17, Seite 110). Geführt hat das Interview der Berliner Medizinjournalist Hardy-Thorsten Panknin.

Sonntag, 17. September 2017

Die Trickkiste der Agrochemie


Bis zum Jahresende müssen die EU-Gremien entscheiden, ob es eine Neuzulassung des weltweit meist verwendeten Herbizids Glyphosat geben wird. Wichtigstes Kriterium für die Einschätzung ist die Frage, ob das Unkrautgift beim Menschen Krebs auslöst, oder nicht. Die Behörden stehen auf Seite der Agroindustrie - mit einer Ausnahme…

 
Auf etwa einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen wird regelmäßig Glyphosat eingesetzt: Und deshalb findet es sich auch überall: im Obst, im Getreide, im Wein und im Bier (Foto: Mnolf)

Entdeckt wurde Glyphosat 1950 vom Schweizer Chemiker Henri Martin und fand zunächst Anwendung bei der Reinigung von Rohren. Der US-Konzern Monsanto, der mit dem Verkauf von DDT und Agent Orange groß geworden war, testete die Eignung der Chemikalie als Wasserenthärter. Mitarbeiter stießen 1969 schließlich auf dessen Hauptwirkung, die sogleich patentiert wurde: Glyphosat hemmt die Bildung lebensnotwendiger Aminosäuren im pflanzlichen Stoffwechsel und wirkt damit als Totalherbizid: es tötet Pflanzen jeglicher Art binnen kurzem ab. Unkräuter am Acker ebenso wie im Schrebergarten oder entlang der Bahngleise.
Seit das Patent von Monsanto im Jahr 2000 abgelaufen ist, setzen mehr als 90 Chemiefirmen weltweit Glyphosat in ihren Produkten ein. Laut Bundesamt für Ernährungssicherheit wurden im Jahr 2016 rund 312 Tonnen Glyphosat-haltige Herbizide in Österreich verkauft, weltweit sind es 720.000 Tonnen. Nach einer in Deutschland durchgeführten Befragung von 900 Landwirten ergab sich, dass 39 Prozent der Ackerfläche zumindest einmal jährlich mit Glyphosat gespritzt wird. In Österreich dürfte es ähnlich sein.


Eine Behörde gegen alle 

Der Verdacht, dass Glyphosat auch bei Mensch und Tier die Gesundheit schädigt und Krebs auslöst, wurde von allen internationalen Gesundheitsbehörden – auch der österreichischen AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) –  unisono mit „Nein“ beantwortet. Dann jedoch – im März 2015 – veröffentlichte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO eine gegenteilige Expertise: Die grundsätzliche Stoffeigenschaft der Kanzerogenität wurde bestätigt, ebenso eine starke Beweislage für Gentoxizität, die Fähigkeit das DNA-Erbgut zu schädigen. Und seither ist der Teufel los.
Lobbyisten fordern nun vehement, der IARC – oder gleich der ganzen WHO -  die Förderungsgelder zu streichen. Die Gesundheitsbehörden – allen voran das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – versuchen sich in einer Umdeutung der IARC Einschätzung. Diese hätte nur ein generelles theoretisches Gefahrensignal bewertet, teilte BfR Präsident Andreas Hensel der Presse mit: „Bei unserer Einschätzung ging es hingegen um die konkreten Risiken, die für Verbraucher bestehen.“ – Eine Einschätzung der der angesehene IARC-Experte Christoph Portier umgehend widersprach: „Es ist schwierig für mich die Risikobewertung, die Sie für Krebs vorgenommen haben, zu beurteilen. Denn Sie haben keine Risikobewertung für Krebs gemacht!“

"Roundup", der Glyphosat-Bestseller von Monsanto

Für NGOs wie Greenpeace oder Global 2000, die seit Jahren die Praktiken des Saatgut- und Chemieriesen Monsanto anprangern, brachte die IARC Einschätzung Hoffnung in eine lange als ausweglos angesehene Debatte. Mit Urintests wurde gezeigt, dass bei fast allen Menschen Glyphosat nachweisbar war. „Das Gift ist tatsächlich in allen Produkten der konventionellen Landwirtschaft“, erklärte der für Global 2000 tätige Biochemiker Helmut Burtscher-Schaden. „Egal ob im Brot, im Gemüse oder im Bier.“ Die Medienresonanz war enorm.
Im Juni 2017 übergab die Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“ der EU-Kommission eine Million Unterschriften, die binnen weniger Monate gesammelt worden waren. Nun muss sich, nach EU-Recht das EU-Parlament mit dem Anliegen befassen. Die politische Brisanz der Auseinandersetzung wird mittlerweile so hoch eingeschätzt, dass die Entscheidung jedenfalls mal hinter den Termin der deutschen Bundestagswahlen am 24. September gelegt wurde.


Manipulierte Studien

Wer hat nun Recht? – Tatsache ist, und das belegt Buchautor Helmut Burtscher-Schaden (siehe Interview unten) mit einer Unzahl an Beispielen, dass Monsanto schon seit der Patentierung seiner Milliarden-Cashcow in den 1970er Jahren, ein sehr enges Verhältnis zu den US-Behörden pflegte. Dies schloss Gefälligkeits-Gutachten ein. Als offensichtlich manipulierte Tierexperimente wiederholt werden mussten, wurden ausführliche Fütterungs-Studien mit Ratten und Mäusen in Auftrag gegeben. Sobald diese – und alle anderen toxikologischen Studien – den Behörden gezeigt wurden, stellte Monsanto jeweils sofort das Ansuchen, dass diese Studien geheim sein sollten und fortan nicht mehr der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Außer den Behörden, den beteiligten Wissenschaftlern und dem Auftraggeber wusste demnach niemand, was genau die Daten ergeben hatten.
Zu diesen geheimen Studien hatte sich nun allerdings die IARC Zugang verschafft. Und nach und nach kamen immer mehr Keller-Leichen ans Tageslicht. Denn offenbar hatten jene Wissenschaftler, die bisher die Studien gesichtet hatten, eine ganze Reihe von Krebsfällen aus den Tierversuchen nicht entdeckt oder nicht als solche sehen wollen. Generell fällt auf, dass unabhängig finanzierte und vollständig publizierte Studien in der überwiegenden Mehrzahl zu einem für das Herbizid negativen Urteil kommen, dass jedoch die Hersteller-finanzierten unter Verschluss gehaltenen Studien Glyphosat ausnahmslos freisprechen.
Siegfried Knasmüller, Experte für Gentoxizität am Krebsforschungsinstitut der Medizinischen Universität Wien, hat selbst Untersuchungen mit Glyphosat durchgeführt, bei dem er ganz eindeutig Chromosomenschäden feststellte.
Er hält die Methoden der IARC jedenfalls für seriöser als die Beschwichtigung der Behörden: „Das stinkt zum Himmel. Hier gibt es ein ganz starkes politisches Interesse, das als harmlos zu bewerten.“ Welche Gefahr seiner Meinung nach von Glyphosat ausgeht: „Ich halte es für schwach karzinogen. Für jene, die damit engen Umgang haben und es inhalieren, ist Glyphosat sicherlich gefährlicher als für Konsumenten, die leicht belastetes Bier trinken oder Gemüse essen.“ Wer auf der sicheren Seite sein möchte, so Knasmüller, sollte jedenfalls Bio-Lebensmittel bevorzugen.


Alternativen im Giftschrank

Würde die Zulassung für Glyphosat nicht verlängert, so wäre dies zwar lästig für Hersteller und Anwender, doch an Alternativen mangelt es nicht. Und viele dieser Wirkstoffe sind von ihren toxischen Eigenschaften mindestens ebenso problematisch.

Die konventionelle Landwirtschaft hängt massiv am Tropf der Agrochemie (Foto: © PHILIPPE HUGUEN/AFP/GettyImages)

In der Tat, die chemische Trickkiste der industriellen Landwirtschaft ist tief und enthält zahlreiche Hilfsmittel zur Arbeitserleichterung. Im Gemüse- und Obstbau ist es beispielsweise von Vorteil, wenn die Früchte möglichst zeitgleich reifen. Wer selbst einen Garten hat, weiß, dass dies eher die Ausnahme darstellt. Von sieben Tomaten auf einer Rispe sind zwei rot – zwei hellrot und die übrigen noch grün. Dasselbe gilt für Weintrauben oder Paprika.  Und während für den Hausgebrauch eben öfter gepflückt wird, greift der konventionelle Großproduzent zu Reifebeschleunigern wie etwa dem Wirkstoff Ethephon. Dieser dringt in die Pflanze ein und zerfällt dort unter Freisetzung von Wachstumshormonen. Abwaschen nützt in dem Fall wenig. Ein Gefährdungspotenzial besteht laut Behörden vor allem für Kinder.
In den letzten Jahren wurden immer wieder Grenzwert-Überschreitungen gemeldet, vor allem bei spanischen Paprika und winterlichen Weintrauben aus Südafrika. In Österreich ist Ethephon unter anderem zur Halmfestigung bei Getreide, zur Blütenbildung im Apfelbau oder zur „Ernteerleichterung“ bei Kirschen zugelassen.

Auch Glyphosat wird EU-weit zur Reifungsbeschleunigung eingesetzt, eine Methode, die in Österreich seit 2013 jedoch verboten ist. Dafür ist es bei uns nach wie vor Usus, dass das Pflanzengift zur Vorerntebehandlung eingesetzt wird, um ein bereits reifes Erntegut von Unkraut zu befreien. Besonders pervers mutet die Praxis an, ökologische Gründüngung, die einen milden Winter überstanden hat, im Frühling mit dem Gift wegzuspritzen. In Vorträgen der Landwirtschaftskammer wurde dies sogar als besonders ökologisch beworben, weil damit Fahrten mit dem Traktor wegfallen und der Boden weniger verdichtet wird.


Die dümmsten Bauern…

Umgekehrt gelagert sind die Probleme mit den Erdäpfeln, wobei das Sprichwort, dass „die dümmsten Bauern, die größten Kartoffeln haben“ eine radikale Neudeutung erfährt: Professionell gedüngt und freigespritzt von lästigen Mitessern würden die Knollen nämlich ungehemmt auf Fußballgröße anwachsen. Derartige Riesenknollen wären im Supermarkt unverkäuflich.
Doch auch hierfür sind Mittel in der Kiste: Beispielsweise Diquat. Das Herbizid tötet das grüne Kraut der Kartoffeln binnen Stunden und stoppt damit das Wachstum. Zudem wird die Schale fester, was die Haltbarkeit fördert. Weil Diquat als hochtoxisch eingestuft wird, sind Wartezeiten einzuhalten, bis die Ernte eingebracht werden darf.

Ein besonderes Liebkind der Agrochemie ist der Raps. Dessen Öl wird seit dem Mittelalter als Brennstoff für Lampen geschätzt. Gekocht wurde damit jedoch nur in Hungerszeiten. Zu abstoßend war sein bitterer, beißender Geschmack, der von schwefelhaltigen Senföl-Glycosiden und einem hohen Gehalt an Erucasäure geprägt wird. Auch als Futter für Schweine oder Rinder war Raps ungeeignet, da die Tiere davon Verdauungsstörungen bekamen und das Fressen verweigerten. Die Karriere als „wertvolles Speiseöl“ startete Raps erst in den 1980er Jahren, als es gelang, die zwei unangenehmen Inhaltsstoffe schrittweise weg zu züchten. Der moderne Doppelnull-Hybrid-Raps ist heute die mit Abstand häufigste Ölpflanze Mitteleuropas.
Offenbar dienten die beiden Bitterstoffe aber als Abwehr gegen Fressfeinde. Parasiten marschieren nun in einer Dichte auf wie bei keiner anderen Feldfrucht. Ökologisch ist der Rapsanbau deshalb eine reine Katastrophe. Die Pflanze muss während ihrer Kultur laufend geschützt – also gespritzt werden. Bereits das Saatgut ist mit Insektiziden gebeizt. Während der Wachstumsphase drohen Rapserdflöhe und Kohlfliegen, im Sommer der Rapsglanzkäfer. Wird Rapshonig analysiert, so erinnern die Testergebnisse an ein Register aller verfügbaren Chemikalien der Schädlingsbekämpfung.


 
Helmut Burtscher, Umweltchemiker von Global 2000 fordert Verbot von Glyphosat

„Es fehlt jegliche Glaubwürdigkeit“

Der Global 2000 Chemiker Helmut Burtscher setzt in seinem eben erschienenen Buch „Die Akte Glyphosat“ zum Frontalangriff auf Industrie, „käufliche Wissenschaft“ und „parteiliche Behörden“ an.

Die meisten Studien Monsantos und auch anderer Hersteller zur Toxizität ihrer Produkte werden als Betriebsgeheimnisse behandelt. Was ist die Folge dieser Praxis?

Burtscher: Im Fall von Glyphosat führte diese Praxis zur Entstehung zweier wissenschaftlicher Paralleluniversen: Die geheimen Studien von Monsanto & Co behaupten unisono, dass Glyphosat die DNA nicht schädigt. Unabhängige Studien finden hingegen überwiegend das Gegenteil. Bisher konnte mir niemand einen vernünftigen Grund nennen, warum man Studien über die Gefahren und Risiken von Chemikalien als Geschäftsgeheimnis unter Verschluss halten muss. Solchen Studien fehlt jegliche Glaubwürdigkeit. Das gehört abgeschafft.

Und was käme stattdessen?

Es würde enorm viel verbessern, wenn drei Dinge geändert werden. Erstens: Nicht der Hersteller, sondern die Behörde beauftragt die Vertragslabors mit der Erstellung der regulatorischen Studien. Zweitens: Alle diese Studien müssen publiziert werden. Drittens: Die Hersteller dürfen sich "ihre" Zulassungsbehörde nicht selber aussuchen.

Die Behörden argumentieren, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in vertretbaren Mengen erlaubt sind - und man täglich 1000 Liter Bier trinken müsste, bis der für Glyphosat ermittelte Grenzwert überschritten wäre. Ein Null-Risiko könne es nun mal nicht geben. Betreiben Sie Alarmismus?

Die Rechnung mit den 1000 Litern basiert auf der Annahme, dass Glyphosat weder krebserregend noch DNA-schädigend ist. Das widerspricht fundamental den Erkenntnissen der WHO-Krebsforschungsagentur IARC. Dass EU-Behörden, deren zentrale Aufgabe der Schutz der Gesundheit von 500 Millionen Menschen ist, mit solchen Vergleichen die Öffentlichkeit hinsichtlich der Krebsgefahr von Glyphosat in die Irre führen, verlangt nach politischen Konsequenzen.

Was, denken Sie, treibt die Behörden an, so zu agieren, wie sie es eben tun?

Sowohl die deutsche Behörde (BfR) als auch unsere AGES gelangen zum Ergebnis, dass Karzinogenität kein Hindernis für die Zulassung von Glyphosat ist. Es fällt auf, dass dieses Ergebnis im Interesse ihrer jeweiligen politisch verantwortlichen Ministerien liegt und von diesen auch hartnäckig verteidigt wird. Ihnen fehlt offenbar das Bewusstsein, dass sie damit die Verantwortung für wahrscheinlich tausende Krebserkrankungen auf sich nehmen.

Sie haben als Experte dazu beigetragen, dass die Sikkation, das „Totspritzen“ mit Glyphosat zur Beschleunigung der Reifung in Österreich verboten wurde. Ist damit dieses Problem bereinigt?

Das Gesetz war tatsächlich ein ungewöhnlicher Schritt. Doch noch immer gibt es die „Unkrautbehandlung“ kurz vor der Ernte. Und das halte ich für ein Aushebeln des Sikkationsverbots durch die Behörde.

Und wie wird die Glyphosat Abstimmung ausgehen? 

Aus Frankreich und von der SPD in Deutschland kamen Signale, einer Zulassung nicht zustimmen zu wollen. In Österreich hat sich die Gesundheitsministerin deutlich gegen eine Zulassung ausgesprochen, der zuständige Landwirtschaftsminister stellt sich allerdings hinter die Behörden. Die Kommission hat klargestellt, dass sie nur mit Rückendeckung der Mitgliedstaaten eine Zulassung aussprechen will. Es wird also spannend.

Helmut Burtscher-Schaden befasst sich seit vielen Jahren bei Global 2000 mit den Auswirkungen von Pestiziden auf Mensch und Umwelt. Der Biochemiker war einer der sieben Initiatoren der Europäischen Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“. Dieser Tage erscheint sein Buch „Die Akte Glyphosat“ (Verlag Kremayr & Scheriau, 256 S., 22 EUR).


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Eine leicht veränderte Version dieses Artikels ist in der Zeitschrift Falter (35/17) erschienen.