Immer mehr
Indizien stützen den Verdacht, dass mit der Freisetzung von Aluminium aus der
Erdkruste eine Büchse der Pandora geöffnet wurde. Ist Aluminium der lange
gesuchte Umweltfaktor, der den starken Anstieg bei manchen Zivilisationskrankheiten
erklärt?
„Mein Name ist Sonja, ich bin 2010 gerade 36 Jahre alt
und mein Leben ist perfekt“, beginnt der Blog mit der Adresse dreamsandme.com. Er
stammt von der Altlengbacherin Sonja T. Sie ist verheiratet, Mutter von
zwei Kindern und beschreibt mit diesen Worten ihre Ausgangssituation, bevor sie
im oberen Bereich ihrer rechten Brust einen Knoten tastete. Die Befürchtung
bestätigte sich, es handelte sich um ein invasives Mammakarzinom und Sonja schreibt: „Mein Leben stellt sich auf den Kopf“.
Sonja T. wurde brusterhaltend operiert, erhielt 33
Bestrahlungen und unter anderem eine bis heute anhaltende Antihormontherapie,
welche sie stark belastet. „Die Medikamente fördern Depressionen,
Gewichtszunahme, ich leide unter trockenen Schleimhäuten, kann nicht
einschlafen und durchschlafen schon gar nicht.“ Bis 2015 dauert die Therapie
noch an. „Wenn ein Rezitativ auftaucht, geht es natürlich weiter.“ In zwei
Wochen ist der Termin zur Verlaufskontrolle. Da wird das CT zeigen, ob sich
irgendwo Metastasen gebildet haben. „Vielleicht“, sagt Sonja T., „werde ich
mit zur Sicherheit die Eierstöcke entfernen lassen.“
DNA-Schäden durch Aluminium
Mehr
als 5.000 Frauen pro Jahr teilen in Österreich das Schicksal einer Neuerkrankung
an Brustkrebs. Das sind um 2.000 mehr als zu Beginn der Achtziger Jahre. „Dieser
enorme Anstieg binnen so kurzer Zeit kann nicht genetisch bedingt sein“, sagt
die britische Onkologin Philippa Darbre, die mit ihrem Team seit 20 Jahren an
der Universität Reading, nördlich von London die Ursachen von Brustkrebs
erforscht.
Besonders auffällig ist, dass 60 Prozent der Krebsfälle
im oberen äußeren Quadranten der Brust auftreten, dort wo auch bei Sonja T. der
Tumor gewachsen ist. Diese Häufung wurde bisher damit erklärt, dass der Bereich
neben den Achseln aus besonders dichtem Gewebe mit zahlreichen milchbildenden
Zellen besteht. Diese Zellen sind – in Folge von Schäden an der Erbsubstanz DNA
– auch besonders gefährdet für unkontrolliertes Wachstum und Krebs. Doch was
verursacht diese DNA-Schäden?
Brustkrebs-Forscherin Philippa Darbre Univ. Reading (Foto: Ehgartner) |
Haut ist keine Barriere
Von
Seiten der Kosmetikindustrie wurde stets Entwarnung gegeben: Die Haut sei für
Aluminium eine unüberwindliche Barriere, Deo-Rückstände würden beim Duschen
gleich wieder abgewaschen und falls doch kleine Mengen in den Organismus
geraten, so würden sie umgehend ausgeschieden.
„Dabei wird völlig übersehen, dass sich speziell Frauen
meist die Achselhaare rasieren“, sagt der französische Toxikologe Olivier
Guillard von der Universität Poitiers. Er zeigte mit einem wissenschaftlichen
Hautmodell, dass der Anteil des Aluminiums, der ins Gewebe eindringt, um das
Sechsfache ansteigt, wenn die Hautzellen beschädigt sind.
Darbres Forschungsergebnisse der letzten Jahre ziehen die
Darstellung der Industrie ebenfalls massiv in Zweifel. Bereits wenige Stunden
nach der Anwendung seien die Inhaltsstoffe im Blut nachweisbar, fand sie. Je
weiter man von den Achseln weggeht, desto geringer wird die
Aluminium-Konzentration im Brustgewebe. Und wenn man die Flüssigkeit aus der Brust
krebskranker Frauen mit jener von Gesunden vergleicht, so findet man dort eine
doppelt so hohe Konzentration an Aluminium. Besonders beunruhigend sind
aktuelle Resultate, in denen Darbre Kulturen lebender Brustzellen im Labor mit
geringsten Konzentrationen des Alu-Chlor Gemisches versetzte, wie es auch in
Deos verwendet wird. Bereits nach einigen Monaten begann ein schockierender
Prozess: Unter dem Mikroskop war deutlich sichtbar, wie sich kleine schwarze
Zellhaufen bildeten, während in der Alu-freien Kontrollgruppe die Zellen völlig
unverändert blieben. „Es scheint, dass Aluminium fähig ist, eine normale Zelle
in eine Krebszelle zu verwandeln“, lautet Darbres Verdacht. Wissenschaftler der
Universität Genf legten zu Beginn des heurigen Jahres ähnliche Resultate vor.
Während der wissenschaftliche Mainstream gerade erst
beginnt, Darbres Resultate zu diskutieren und der Einfluss von Aluminium
zunehmend Thema größerer Konferenzen wird, gilt bei einer anderen Seuche
unserer Zeit die Diskussion über eine mögliche Beteiligung von Aluminium als
abgeschlossen: „Aluminium ist kein Auslöser von Alzheimer“, heißt es auf der
Webseite der Internationalen Alzheimer Gesellschaft. „Das ist ein bloßer
Mythos“, fügt der britische Toxikologe Nicholas Priest hinzu, der im Auftrag
der Aluminium-Industrie mehrfach Übersichtsarbeiten zu gesundheitlichen
Aspekten von Aluminium publiziert hat. „Das Prinzip der Vorsicht ist ja schön
und gut“, sagt Priest. Aber bei Aluminium sei es mittlerweile sonnenklar, dass
davon kein Risiko ausgeht. „Das Thema ist tot.“
Ähnlich hatte auch der führende US-Alzheimer Experte
Henry Wisniewski argumentiert: „Jeder Forschungsdollar, der in diese Richtung
investiert wird, ist ein verlorener Dollar“, sagte er bis zu seinem Tod im Jahr
1999 jedem Reporter auf diese Frage ins Mikrophon. Und heute wird auf den
internationalen Alzheimer Konferenzen jährlich der „Henry Wisniewski Preis“ für
das Lebenswerk im Bereich der Alzheimer Forschung vergeben. Von Aluminium ist dort
längst keine Rede mehr.
Henry Wisniewski |
Perl beschreibt, wie eine kleine Gruppe recht bekannter
und im Wissenschafts-Betrieb sehr angesehener Kollegen rund um Henry Wisniewski
auf Kongressen und in den Medien ständig lautstark gegen diese These auftrat.
„Sie vertraten vehement den Standpunkt, es handle sich bei dem Aluminium, das
wir fanden, wohl um Labor-Verunreinigungen oder sonstige schlampige Arbeit.“ –
Nach und nach wirkte diese Art der Darstellung, zumal die Gruppe auch stets
ausreichend finanzielle Mittel für Übersichts-Artikel zur Sicherheit von
Aluminium hatte. „Wir vermuteten schon damals, dass sie von der
Aluminium-Industrie finanziert wurden“, sagt Perl. „Später tauchten nach und
nach die Beweise auf, dass hier massive Geldmittel geflossen sind und bis heute
weiter fließen.“
Allzu offensiv wird dieser Interessenskonflikt jedoch
nicht nach außen getragen, wie die Verabredung mit dem Alu-Experten Nicholas
Priest belegt. Der Toxikologe stellt sich – über Vermittlung des „International
Aluminium Insitute“ in London – in den Büroräumen der Alu-Lobbyisten zum
Interview. Thematisiert möchte er diesen Zusammenhang jedoch nicht haben. „Das
könnte meiner Glaubwürdigkeit schaden.“ Dass bioaktive Aluminium-Verbindungen
neurotoxisch sind, bestreiten jedoch nicht einmal die „Aluminium-Botschafter.
Es komme aber immer auf die Dosis an und die sei in den meisten Anwendungen
extrem gering.
Jeder Mensch reagiert anders
Grenzwerte
anzugeben ist in der Tat schwierig, weil die Menschen - je nach ihrem
individuellen genetischen Hintergrund - extrem unterschiedlich reagieren. Bei
einer Studie in welcher der Weg von radioaktiv markierten Aluminiumpartikeln im
Körper nachverfolgt wurde, fand sich unter den fünf Freiwilligen, die hier
teilnahmen, ein Unterschied in der Aluminium-Aufnahme von 300 Prozent. Das
heißt, dass manche Personen das Aluminium schwer ausscheiden und die Dreifache
Menge im Organismus behalten. Was diese Alien-Partikel dort anstellen ist
vollkommen unklar. Die reaktionsfreudigen Metall-Ionen gehen ihre
Bindungen nach dem Zufallsprinzip ein und verdrängen andere chemische Elemente.
Bislang sind mehr als 200 biochemische Abläufe bekannt, welche durch Aluminium
beschleunigt, verzögert oder gar unterbunden werden.
Der Pariser
Neuropathologe Romain Gherardi schätzt den Anteil der Aluminium-Akkumulierer in
der Bevölkerung auf etwa ein Prozent. "Wenn es uns gelingen würde, diesen
Personenkreis über einen geeigneten Test zu identifizieren, so könnten wir hier
gezielt Vorsichtsmaßnahmen setzen." Dafür wäre es allerdings dringend
notwendig, so Gherardi, dass in allen Bereichen, wo Aluminium sinnvoll
eingesetzt wird, auch Alu-freie Alternativen angeboten werden. "Dies gilt
vor allem für Impfungen, wo Aluminiumhaltige Hilfsstoffe als Wirkverstärker
verwendet werden."
Was Aluminium anrichten kann, erlebte Herwig Holzer der
an der medizinischen Universität Graz viele Jahre lang die Abteilung für
Nierenkrankheiten geleitet hat. In den 1970er Jahren wurde weltweit ein
beunruhigendes Phänomen in Dialyse-Stationen beobachtet: „Wir haben damals
ungewöhnlich viele neurologische Fälle mit schweren Ausfallserscheinungen beobachtet“, sagt Holzer. „Besonders bei
jungen Menschen sind Schlaganfall-ähnliche, Alzheimer-ähnliche Bilder
entstanden.“ Das Phänomen ging als „Dialyse-Demenz“ in die Medizingeschichte
ein. Als Auslöser wurden neuartige Medikamente identifiziert, welche Aluminiumhydroxid
als Wirkstoff enthielten. „Als wir das
Problem erkannt haben, haben wir das Aluminiumhydroxid sofort abgesetzt“, sagt Holzer.
Es war dann auch gleich eine Absenkung der Blutspiegel festzustellen. Entgegen
der Hoffnung Holzers gab es bei den neurologischen Defiziten der Patienten
jedoch keine Besserung mehr. „Es ist eben das Problem gewesen, dass das
Aluminium schon im Gehirn war und dort seine toxische Wirkung verbreitet hat so
dass Heilungen nicht mehr beobachtet wurden.“
Ähnliche Medikamente sind heute noch immer im Umlauf,
werden aber nicht mehr an Dialyse-Stationen – sondern in den Apotheken als
Mittel gegen Sodbrennen oder zum „Magenschutz“ abgegeben. Manche davon sogar
rezeptfrei. Im Kleingedruckten der Patienteninformation wird vor
Langzeit-Einnahme gewarnt. Dies könnte zu Demenz führen. Bei längerer Anwendung
sollten jedenfalls die Aluminiumspiegel im Blut kontrolliert werden.
Erika Jensen-Jarolim und ihre Forschergruppe an der
Universität Wien verwenden diese Mittel, um im Tiermodell Allergien – von
Asthma bis zu Nahrungsmittel-Allergien – auszulösen. „Egal ob die Mittel
injiziert oder verfüttert werden“, erklärt Jensen-Jarolim „mit Hilfe von
Aluminium gelingt es, das Immunsystem der Tiere gezielt gegen eine gleichzeitig
verabreichte Substanz scharf zu machen.“
Nun zeigen aktuelle Studien, dass sich dieses Risiko
nicht auf Tiere beschränkt. In der Schwangerschaft leiden wegen des
Zwerchfell-Hochstandes etwa die Hälfte der Frauen unter Sodbrennen. „Wenn diese
Frauen Aluminium-haltige Medikamente nehmen“, erklärt Jensen-Jarolim, „so haben
ihre Kinder ein doppelt so hohes Risiko einer Allergie.“
Krebs, Allergien, Alzheimer – die Liste der möglichen
Aluminium-assoziierten Risiken ist lang. Der britische Umwelt-Toxikologe
Christopher Exley hat dazu eine aufwändige Literatur-Recherche unternommen und
Hinweise aus der Fachliteratur nach einer möglichen Beteiligung von Aluminium
gewertet. Die Liste der Verdächtigen ist lange und prominent besetzt.
Christopher Exley, Aluminium-Experte der englischen Keele University (Foto: Bert Ehgartner) |
Auf internationale Konferenzen hört man nach wie vor
wenig von derartigen Zusammenhängen. Exley hat bereits in den 90er Jahren die
Konsequenz gezogen und veranstaltet selbst – alle zwei Jahre – Fachkonferenzen
zur Aluminium-Forschung. Er vernetzt dabei etwa 600 Arbeitsgruppen weltweit,
die – auch unter widrigsten Förderungs-Bedingungen – wissenschaftliche
Forschung betreiben.
Im Februar findet nun das „10. Keele Meeting on
Aluminium“ im englischen Winchester statt. Die Liste der eingereichten
Forschungsarbeiten ist schon jetzt beeindruckend lang. Mit Massenbesuch wie bei
den Alzheimer-Konferenzen ist jedoch nicht zu rechnen. „Wir bekommen keinerlei
Förderung“, sagt Exley. „Jeder Teilnehmer muss alle Kosten selbst tragen.“
Die Brustkrebs-Patientin Sonja T. hat mittlerweile
jedenfalls die Konsequenzen gezogen und ihre Alu-Deos entsorgt. „Ich glaube
jedoch nicht, dass das der Auslöser für meine Krebserkrankung war“, sagt sie.
Und fügt hinzu, dass das ein reichlich unerträglicher Gedanke wäre.
Das ist die Langversion eines Artikels, der am 21. November 2012 im österreichischen Nachrichtenmagazin profil erschienen ist.