Bert Ehgartner live

Montag, 27. Februar 2012

Feige "Kinderärzte im Netz"

Die Redakteure von Stiftung-Warentest haben sich über das Thema Impfen getraut und nun wird landauf landab in den Medien berichtet, dass die Windpocken-Impfung dabei gar nicht gut abgeschnitten hat. "Stiftung Warentest rät von Windpocken-impfung ab", stand beispielsweise in der Bild-Zeitung zu lesen.

Die Stiftung Warentest kritisiert an der Windpocken-Impfung unter anderem deren angeblich schlechte Wirksamkeit und die unsichere Dauer des Impfschutzes. Die Diskussion darüber reicht zurück bis zur Mitte der 90er Jahre, als in den USA die Massenimpfung gegen Windpocken eingeführt wurde. Damals herrschte die Meinung, dass eine Einzelimpfung für lebenslange Immunität sorgen würde. Die Strategen der US-Impfkampagne mussten ihren Irrtum spätestens dann eingestehen, als Windpocken an High-Schools ausbrachen, wo 100 Prozent der Schüler geimpft waren.
Die Wirksamkeit der Einmalimpfung wurde schließlich mit bestenfalls 70 Prozent bewertet. (Als Hauptargument für die Einführung der Impfung wurde übrigens damals kein gesundheitlicher Grund genannt sondern ein wirtschaftlicher: die Impfung könne mithelfen ein paar Pflegetage einzusparen.)

Seit einigen Jahren wird nun generell die zweimalige Impfung gegen Windpocken empfohlen. Und das gilt auch für Deutschland, das unter dem damaligen - bekannt Pharma-freudigen - STIKO Vorsitzenden HJ Schmitt als erstes Land der EU im Jahr 2004 den USA mit der Impfempfehlung hinterher gewieselt ist. Ob es, so wie bei der Einmalimpfung nun auch wieder einige Jahre braucht, bis die Wirkung nachlässt, oder ob die Zweimal-Impfung tatsächlich die lebenslange Immunität bringt, kann man derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Die Impfexperten haben jedenfalls schon ein Argument auf Lager, falls die Wirksamkeit der Impfung wieder schwinden sollte: "Auch kein Problem, dann impfen wir halt dreimal!"

Höheres Gürtelrose-Risiko

Neben deren fraglicher Wirksamkeit gibt es aber noch andere bedeutsame Gründe, kritisch gegenüber der Windpocken-Impfung zu sein. Zum einen ist das die ungeklärte Frage, wie es nun mit den Gürtelrose-Erkrankungen weiter geht. Die Stiftung hatte gewarnt, dass die Impfkampagne zu einem Gürtelrose-Welle führen könnte.
Das ruft nun als Verteidiger der Impfpläne die Vereinigung der Kinder- und Jugendärzte im Netz auf den Plan. Sie sieht das nicht so - und wendet sich folgendermaßen gegen die Einschätzung der Konsumentenschützer:
Das Gürtelrosen-Risiko, das die Stiftung Warentest anspricht, ist hypothetisch, das heißt bisher noch nicht bewiesen. In den USA, wo bereits seit 1995 flächendeckend gegen Windpocken geimpft wird, hat sich die Zahl der Gürtelrosenerkrankungen bisher nicht erhöht.

In der Klarheit, wie das hier behauptet wird, beruht diese Darstellung entweder auf mangelnder Recherche oder es handelt sich um eine bewusste Fehlinformation. Es gibt - im Gegensatz zu dieser Meldung der "Kinderärzte im Netz" - sehr wohl eine Reihe seriöser Daten, die einen negativen Einfluss der Windpocken-Massenimpfung nahe legen. Anstatt ihre Beruhigungsfloskel abzulassen, hätten die Kinderärzte etwa in der internationalen Medizin-Datenbank "pubmed" nachschlagen können und wären dort auf folgende Studie von Wissenschaftlern der Harvard Medical School in Boston gestoßen. In dieser, Ende 2011 publizierten Arbeit kommt - anhand einer Analyse von 560.000 elektronischen Krankenakten - folgendes Ergebnis raus:
Between 1996 and 2008, the age- and sex-adjusted annual incidence of postherpetic neuralgia (PHN) rose from 0.18 to 0.47 cases per 1000 patients, and the proportion of herpes zoster patients progressing to PHN rose from 5.4% to 17.6%

Seit der breitflächigen Einführung der Windpocken-Impfung haben sich die gefürchteten chronischen Schmerzen nach Gürtelrose (postherpetische Neuralgie) also mehr als verdoppelt, der Anteil der Gürtelrose-Patienten, welche diese Spätfolgen erleiden mussten, verdreifachte sich.
Biologisch plausibel ist der Zusammenhang jedenfalls. Dass Wildviren, die von Windpocken-kranken Kindern ausgestreut werden, bei Erwachsenen einen Immunboost auslösen, der die eigenen "schlafenden" Viren in Schach hält, ist sein langem bekannt. Auf diesem Prinzip basiert auch die Gürtelrose-Impfung, die es seit einigen Jahren zu kaufen gibt. Sie enthält hochdosierte lebende Windpocken-Viren und imitiert den Kontakt mit einem Windpocken kranken Kind.
Dieser Immunboost ist in den USA auf Grund der Massenimpfung mittlerweile schon selten geworden. In Deutschland ist die Situation regional unterschiedlich. Während im Osten mehr als 50 Prozent der Kinder entsprechend der STIKO-Empfehlung geimpft sind, haben sich in Bayern bislang nur 15 Prozent der Eltern für die Windpocken-Impfung entschieden. Mit jedem Jahr steigt der Anteil jedoch ein wenig an. Und während die Haus- und Kinderärzte bei Einführung der Impfempfehlung im Jahr 2004 noch zu zwei Drittel skeptisch waren, hat heute nur noch jeder dritte Arzt Vorbehalte gegen die Windpocken-Impfung. - Und so werden wohl auch in Deutschland die Windpocken-Wellen bald seltener werden.

Wenn wir uns für eine großteils harmlose Kinderkrankheit das massenhafte Auftreten einer extrem unangenehmen, schwer und teuer zu behandelnden Erwachsenen-Krankheit eingehandelt haben, die ihre Opfer nicht selten in den Suizid treibt, so wäre das kein cleverer Deal gewesen, den uns die Impfexperten hier eingebrockt haben. 
Für die Impfstoff-Hersteller hingegen würde sich der Irrtum auszahlen. Denn wenn Gürtelrose zur Massenkrankheit des Erwachsenen-Alters werden sollte, steht über den Verkauf der hochpreisigen Gürtelrose Impfung ein weiterer ordentlicher Geldregen ins Haus.


"Deutlich erhöhtes Risiko schwererer Erkrankung" - durch Stiftung Warentest??

Was die Seriosität des "Kinderärzte im Netz" Artikels betrifft, ist allerdings noch nicht die Talsohle erreicht. Der endgültige Tiefpunkt folgt beim Versuch, der Stiftung Warentest die Verantwortung dafür unterzujubeln, dass die Windpocken weiter zirkulieren:
Zum jetzigen Zeitpunkt, wo die natürliche Infektion in Deutschland zurückgedrängt ist, Individuen zu empfehlen, nicht zu impfen, ist kein guter Rat. Das Risiko ist, dass bei zurückgedrängter Zirkulation der Windpocken-Viren die Erstinfektion in höhere Jahrgänge, die Pubertät und darüber hinaus verschoben wird mit deutlich erhöhtem Risiko schwererer Erkrankung.

Dieses Argument muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, um dessen Hinterfotzigkeit in allen Nuancen auszukosten. Als wären die Krankheitswellen mit einem Schlag abgeebbt, seit die Impfung in Deutschland empfohlen ist - und die Radaubrüder von der Stiftung sorgen nun für ein Comeback.  Selbstverständlich zirkulieren bei Impfraten zwischen 15 und 70 Prozent die Viren aber nach wie vor. Erst wenn hier Durchimpfungsraten von über 90 Prozent - so wie bei Masern, Mumps und Röteln -  erreicht sind, könnten die Windpocken über längere Zeit zurückgedrängt werden.
Aber es stimmt schon, das Alter, in dem die Kinder in Deutschland mittlerweile erkranken, hat sich bereits erhöht und - wie die Kinderärzte auch richtig schreiben - geht es tendenziell in Richtung eines deutlich höhere Risikos von Komplikationen.
Wohin hier der Weg führt, haben ebenfalls die USA vorgeführt. Während in der Vorimpfära die Kinder im Schnitt mit fünf Jahren an Windpocken erkrankten, lag das Alter bei der letzten Untersuchung zu diesem Thema bereits bei rund elf Jahren. Es handelt sich um einen klaren Effekt der Massenimpfung.
Die Verantwortung dafür, liebe Kinderärzte im Netz, müsst also schon Ihr und die anderen Befürworter der Massenimpfung übernehmen.
Das auf die Stiftung Warentest abzuschieben ist schäbig und feig.